Editorial von Christiane Friedrich

„Demokratie ist kein selbstverständliches Gut”

Cover diesseits Ausgabe 130
Cover diesseits Ausgabe 130

Lie­be Humanist*innen,

das Wort „Demo­kra­tie“ stammt aus dem Grie­chi­schen und bedeu­tet wört­lich „Herr­schaft des Vol­kes“. Ob und inwie­weit ein Staat demo­kra­tisch oder doch auto­kra­tisch ist, wird welt­weit mit Hil­fe des soge­nann­ten Regimes of World-Sche­ma (RoW) in Kate­go­rien ein­ge­teilt: Bei den Auto­kra­tien wird ein­ge­teilt in ech­te Dik­ta­tu­ren und sol­che, die zwar offi­zi­ell Wah­len zulas­sen, aber die­se nicht frei und neu­tral durch­füh­ren. Bei den Demo­kra­tien gibt es in jedem Fall freie und neu­tra­le Wah­len, jedoch nur in der wirk­lich frei­en (libe­ra­len) Demo­kra­tie gibt es eine ech­te Gewal­ten­tei­lung.

Wenn man die­se Mess­lat­te anlegt, dann bleibt nicht nur zu fra­gen, wie vie­le Staa­ten wirk­lich libe­ral demo­kra­tisch sind. Es ist auch wich­tig zu fra­gen, wie vie­le Men­schen welt­weit tat­säch­lich in einer frei­en Demo­kra­tie leben. Laut der Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung (BpB) leben der­zeit 68 Pro­zent der Welt­be­völ­ke­rung in einer der bei­den Arten von Auto­kra­tien, nur 14 Pro­zent in einer frei­en Demo­kra­tie. „Der Grad an Demo­kra­tie, den der welt­wei­te Durch­schnitts­bür­ger genießt, ist 2020 auf ein Niveau gesun­ken, wie es zuletzt 1990 zu beob­ach­ten war“, so die BpB.

Demo­kra­tie ist kein selbst­ver­ständ­li­ches Gut. Auch in einem demo­kra­ti­schen Staat wie in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land muss jede*r Ein­zel­ne dafür ein­ste­hen. Es reicht nicht, nur die ange­neh­men Sei­ten der bestehen­den Demo­kra­tie zu genie­ßen, aber ansons­ten nichts aktiv für ihren Erhalt zu tun. Auch hier heißt es aktiv zu han­deln, vehe­ment ein­zu­tre­ten, wenn Demo­kra­tie ange­grif­fen oder gar geschä­digt wird. Doch was heißt das im Klar­text?

Ja, es ist wich­tig, dass wir unse­re Mei­nung frei äußern dür­fen – doch wie sieht es mit Belei­di­gun­gen und Ver­un­glimp­fun­gen aus, wie mit Fake News? Ja, es ist gut, dass wir ein Demons­tra­ti­ons­recht haben – doch wie sieht es mit Angrif­fen gegen Ein­rich­tun­gen oder gar Per­so­nen aus? Ja, es ist gut, dass wir den ein­zel­nen Men­schen in sei­nen Rech­ten schüt­zen – doch wie sieht es aus, wenn dadurch die gro­ße Men­ge ein­ge­schränkt wird? Ver­ste­hen Sie mich recht, Ant­wor­ten müs­sen hier die Poli­tik, die Recht­spre­chung und letzt­end­lich auch jede*r für sich fin­den – denn auch das ist Demo­kra­tie. Ich wün­sche Ihnen bei der Lek­tü­re unse­rer dies­seits zum The­ma Demo­kra­tie erhel­len­de Ein­bli­cke!

Ihre Chris­tia­ne Herr­mann
Vor­stand des Huma­nis­ti­schen Ver­ban­des Deutsch­lands – Bun­des­ver­band

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