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Archivar Olaf Schlunke im Interview

Kulturhistorisches Archiv des HVD: „Es ist wichtig zu verstehen, wie sich etwas entwickelt hat“

Das Kulturhistorische Archiv in Eichwalde
Das Kulturhistorische Archiv in Eichwalde

Beitragsbild: Olaf Schlunke

Seit 1997 gibt es das Kulturhistorische Archiv (KHA) des HVD Berlin-Brandenburg. Das Archiv mit Sitz in Eichwalde soll nicht nur das Gedächtnis des Humanistischen Verbandes sein und Zeugnisse der freigeistigen und humanistischen Geschichte sammeln und erschließen, sondern es soll auch ein Ort werden, an dem Geschichte direkt erfahrbar ist. Olaf Schlunke, der seit Ende 2018 das KHA betreut, spricht im Interview über die Archivalien, die Aufgaben des Archivs und die geplante Öffnung.

Herr Schlunke, was genau wird im Kulturhistorischen Archiv gesammelt?

Den Kern­be­stand des Archivs bil­det die Akten­über­lie­fe­rung des Deut­schen Frei­den­ker-Ver­ban­des (DFV) West-Ber­lin, der wich­tigs­ten Vor­gän­ger­or­ga­ni­sa­ti­on des HVD. Nach­dem die Natio­nal­so­zia­lis­ten den DFV 1933 zer­schla­gen hat­ten, war es nach dem Krieg nur unter Schwie­rig­kei­ten mög­lich, den Ver­band wie­der auf­zu­bau­en. In West-Ber­lin ent­stand ein schon von Beginn an sehr eigen­stän­di­ger Lan­des­ver­band, der sich 1958 auch for­mal vom Bun­des­ver­band in Dort­mund trenn­te und eige­ne Wege ging. Die Akten die­ses West-Ber­li­ner Ver­ban­des sind erhal­ten geblie­ben und wur­den 1993 in den neu gegrün­de­ten Huma­nis­ti­schen Ver­band über­führt. In den Fol­ge­jah­ren war die­ser kul­tur­his­to­risch bedeut­sa­me Bestand immer wie­der Gegen­stand des Nach­den­kens, und es wur­den Schrit­te unter­nom­men, dar­aus ein für die Öffent­lich­keit und vor allem für die For­schung benutz­ba­res Archiv zu machen. Unter Lei­tung von Dr. Eckard Mül­ler ent­stand ein vor­läu­fi­ges Find­buch. Das Archiv umfasst außer­dem die seit 1993 hin­zu­ge­kom­me­nen Akten, die es in Zukunft erlau­ben wer­den, die Geschich­te des HVD, ins­be­son­de­re des Lan­des­ver­bands Ber­lin-Bran­den­burg, im Detail zu stu­die­ren. Zum Bestand des KHA gehö­ren außer­dem eine For­schungs­bi­blio­thek sowie the­ma­ti­sche Samm­lun­gen zum gesam­ten Spek­trum frei­geis­tig-huma­nis­ti­scher Bewe­gun­gen, die teil­wei­se auch in die Zeit vor 1933 zurück­grei­fen. Lei­der sind aus die­ser Zeit nur weni­ge Ori­gi­na­le erhal­ten.

Gibt es auch Neuzugänge im KHA?

Ja. Einer­seits ist das Archiv das Gedächt­nis des Lan­des­ver­ban­des, das heißt, dass immer wie­der Akten des HVD Ber­lin-Bran­den­burg aus der Regis­tra­tur nach Sich­tung und Bewer­tung an das KHA abge­ge­ben wer­den, und so die Geschich­te des Ver­ban­des auch in Zukunft fort­lau­fend doku­men­tiert wird. Ande­rer­seits sind wir bemüht, die Samm­lung wei­ter um Druck­wer­ke und Archi­va­li­en zu frei­geis­tig-huma­nis­ti­schen Bewe­gun­gen seit dem 19. Jahr­hun­dert zu ergän­zen, zum Bei­spiel um Nach­läs­se oder im Han­del ange­bo­te­ne Ein­zel­stü­cke. Unlängst ist es zum Bei­spiel – was mich beson­ders freut – gelun­gen, acht Jahr­gän­ge, von 1925 bis 1932, der Zeit­schrift „Der Frei­den­ker“ für das Archiv zu sichern. „Der Frei­den­ker“ war das Haupt­or­gan des Deut­schen Frei­den­ker-Ver­ban­des vor 1933 – und somit auch einer der Vor­gän­ger von „dies­seits“. Ange­sichts der weni­gen Vor­kriegs­be­stän­de in unse­rem Archiv ist das ein beson­ders wich­ti­ger Zuge­winn!

Bild: K. Gol­la

Olaf Schlun­ke (*1977) stu­dier­te Alte Geschich­te, Klas­si­sche Archäo­lo­gie und Pro­vin­zi­al­rö­mi­sche Archäo­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Frei­burg im Breis­gau und arbei­te­te u. a. im Archiv der Ber­lin-Bran­den­bur­gi­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten und als Archiv­lei­ter im Hei­mat­ver­ein Ste­glitz. Ende 2018 wur­de er mit der Betreu­ung des KHA beauf­tragt.

Welche Aufgaben hat das Archiv?

Das KHA sieht sei­ne Auf­ga­be trotz der eben beschrie­be­nen Schwer­punkt­set­zung dar­in, als wis­sen­schaft­li­che Archi­vie­rungs­stel­le für das gesam­te frei­geis­tig-huma­nis­ti­sche Erbe und als Bera­ter für dies­be­züg­li­che For­schungs- und Gedenk­pro­jek­te zu fun­gie­ren. Da es in Deutsch­land nur sehr weni­ge Archiv­ein­rich­tun­gen mit einer ähn­li­chen the­ma­ti­schen Aus­rich­tung gibt, besteht hier durch­aus Nach­hol­be­darf.

Sie selbst haben Alte Geschichte und Archäologie studiert. Warum ist Geschichte so wichtig für das Hier und Heute?

Vie­le Jahr­hun­der­te hin­durch gab es die Auf­fas­sung von der Geschich­te als „Lehr­meis­te­rin des Lebens“. Die­se Über­zeu­gung ist uns seit dem Ende des 18. Jahr­hun­derts abhan­den­ge­kom­men, lebt aber als popu­lä­re Vor­stel­lung fort. Ich wür­de es beschei­de­ner for­mu­lie­ren: Es ist wich­tig zu ver­ste­hen, wie sich etwas ent­wi­ckelt hat. Und das ist in hin­rei­chen­der Kom­ple­xi­tät nur mög­lich, wenn man direkt an die Quel­len geht, in die­sem Fall die Akten. Die­ses Mate­ri­al ist zwar manch­mal sprö­de und tro­cken, die Beschäf­ti­gung damit kann aber auch sehr, sehr span­nend sein. Es macht ein­fach Freu­de, wenn sich ein Bild aus ver­streu­ten Tei­len immer wei­ter ver­voll­stän­digt.

Wann ist die Öffnung des Archivs geplant und welche Ziele werden damit verfolgt?

Ursprüng­lich soll­te das Archiv im Som­mer 2020 eröff­net wer­den. Die Coro­na-Pan­de­mie hat dafür gesorgt, dass die­se Plä­ne fürs Ers­te zurück­ge­stellt wer­den muss­ten. Nun bleibt die Ent­wick­lung der kom­men­den Mona­te abzu­war­ten. Wir hof­fen sehr, dass es noch in die­sem Jahr mög­lich sein wird, einen regu­lä­ren Archiv­be­trieb auf­neh­men zu kön­nen. Anfra­gen kön­nen natür­lich auch jetzt schon an das KHA gerich­tet wer­den. Davon gab es erfreu­li­cher­wei­se schon eini­ge. Es wäre schön, wenn der HVD Ber­lin-Bran­den­burg durch die Öff­nung sei­nes Archivs noch stär­ker wahr­ge­nom­men wür­de, und wenn das KHA durch sei­ne Exis­tenz wei­te­re For­schun­gen zur Geschich­te des orga­ni­sier­ten Huma­nis­mus anreg­te.

Gibt es neben der Öffnung weitere Pläne?

Unser der­zei­ti­ger Auf­tritt im Inter­net ist noch sehr spar­sam. In Zukunft soll­te die Home­page durch wei­te­re, fort­lau­fend zu ergän­zen­de Inhal­te Lust machen, sich mit frei­geis­tig-huma­nis­ti­scher Geschich­te zu beschäf­ti­gen – und, natür­lich, das Archiv in Eich­wal­de zu besu­chen. Dort wer­den dann immer wie­der klei­ne Aus­stel­lun­gen Gele­gen­heit geben, die „Schät­ze“ des KHA näher ken­nen­zu­ler­nen.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Das Kul­tur­his­to­ri­sche Archiv des HVD Ber­lin-Bran­den­burg KdöR befin­det sich in der Schul­zen­dor­fer Str. 8 in 15732 Eich­wal­de.

Kon­takt: Tel. 030 33931541, historischesarchiv@hvd-bb.de

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