Aziz Nesin wurde auf der Prinzeninsel Heybeliada geboren und ging dort zur Schule. Sein Vater war Gärtner, sehr religiös, konservativ und ein Gegner von Kemal Atatürk. Ein Freund des Vaters erteilte Mehmet Koranunterricht. Nesin beschrieb später in seiner zweibändigen Autobiographie Böyle Gelmiş Böyle Gitmez („So wie es gekommen ist, geht es nicht weiter“, deutscher Buchtitel: So geht’s nicht weiter. Der Weg beginnt, 2 Bde. Berlin 1986/1989, englische Buchtitel: Istanbul Boy: The Path: The Autobiography of Aziz Nesin, 1979) seine Kindheit und Jugend in Istanbul in großer Armut und mit gesellschaftskritischem Blick bis zum Beginn seiner Tätigkeit als Autor und Satiriker. Vom Islam hatte er sich abgewandt und die Fundamentalisten mit seiner feinsinnigen Satire entlarvt. Als bekennender Atheist und Sozialist wurde er somit zu einem besonderen Hassobjekt von religiösen Fundamentalisten und militanten Nationalisten.
Ab dem Jahr 1935 hatte Nesin Militärakademien in Istanbul und Ankara besucht und brachte es als Offizier bis zum Oberleutnant. Während seiner Ausbildungszeit besuchte Nesin zusätzlich die Staatliche Akademie der Schönen Künste in Istanbul. Im Weltkrieg war er u.a. in Thrakien und bei Flugabwehreinheiten eingesetzt. 1944 wurde er aus dem Militärdienst wegen angeblichem „Amtsmissbrauchs“ entlassen, in Wirklichkeit aber, weil er Militärbrot an hungernde Dorfbewohner verteilt hatte. Unter verschiedenen Pseudonymen hatte er schon vorher Gedichte und Beiträge veröffentlicht. Im Lauf seiner schriftstellerischen Laufbahn sollte er insgesamt – auch um die Zensur zu umgehen – noch rund 200 Pseudonyme verwenden.
Zwischenzeitlich ernährte er seine Familie durch Arbeit als Lebensmittelhändler und Buchhalter. Ab 1945 wurde er Mitarbeiter verschiedener Zeitschriften, u.a. der linksgerichteten Zeitschrift Tan, deren Räume 1946 von nationalistischen und islamistischen Studenten verwüstet wurden. Nesin wurde Mitherausgeber der kritischen Satirezeitschrift Markopaşa, was ihm 20 Tage Haft einbrachte. 1947 gab es 13 Monate Gefängnis. 1948 wurde einer seiner Mitherausgeber ermordet. Um die Zensur zu umgehen, wurde die Zeitschrift mehrmals umbenannt und erschien noch bis 1951. 1949 wurde Nesin wegen „Majestätsbeleidigung“ der britischen Königin Elisabeth II., Schah Mohammad Reza Pahlavi und dem ägyptischen König Faruq zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. In den Folgejahren arbeitete Nesin für verschiedene Zeitungen und eigene Publikationen. Seine Werke fielen immer wieder unter Zensur. Er wurde zensiert und mit Gerichtsverfahren schikaniert, musste insgesamt fünf Jahre in Untersuchungshaft verbringen und Brandanschläge erfahren. Insgesamt musste er bei 200 politischen Prozessen vor Gericht erscheinen.
Dennoch wurde Aziz Nesin immer populärer. Er veröffentlichte 137 Bücher, die teilweise in über 40 Sprachen übersetzt wurden. Heute gilt er zusammen mit Orhan Pamuk, Yaşar Kemal und Nâzım Hikmet als bekanntester und meistübersetzter Autor der modernen Türkei. Dennoch erhielt er erst im Jahr 1965 einen Reisepass, worauf er dann an vielen internationalen Schriftstellertreffen teilnehmen konnte. 1977 wurde Nesin zum Präsidenten des Türkischen Schriftstellerverbandes gewählt. Es schlossen sich viele auch internationale Preisverleihungen an.
Im Jahr 1972 gründete er eine laizistische Stiftung für Kinder aus Familien, die ihnen den Zugang zu Bildung nicht finanzieren können. Die Nesin-Stiftung bei Çatalca in der Nähe von Istanbul soll Kindern und Jugendlichen den Besuch staatlicher Schulen oder Hochschulen ermöglichen, auch um Alternativen gegen autoritäre Strukturen im türkischen Bildungssystem zu ermöglichen. Unter der Leitung von Azis Nesims Sohn Prof. Dr. Ali Nesin entstand auch eine private Hochschule.
Als Herausgeber der Tageszeitung Aydınlık solidarisierte sich Nesin 1993 mit dem verfolgten Salman Rushdie und gab Auszügen der türkischen Übersetzung aus den Satanischen Versen heraus, was ihm wie Rushdie eine Fatwa als „Abtrünnigen des Islams“ mit einer Todesdrohung einbrachte. Am 2. Juli 1993 zogen fanatisierte islamische Fundamentalisten nach ihrem Freitagsgebet zu einem Tagungshotel in Sivas und zündeten es an. Dieser pogromartige Brandanschlag von Sivas gegen ein dort stattfindendes alevitischen Festival durch eine religiös aufgepeitschte Menge kostete 35 Menschen das Leben. Der teilnehmende Aziz Nesin, gegen den sich der hauptsächliche Hass der Fanatiker richtete, konnte durch eine Feuerwehrleiter und leicht verletzt gerettet werden. Der Ort dieses Sivas-Massaker ist heute ein Friedensmuseum. Nesin ließ sich aber nicht einschüchtern und erhob weiter seine Stimme gegen jeden politischen Missstand. Weil er die türkische Regierung wegen ihrer Kurdenpolitik kritisierte, drohte ihm die Staatsanwaltschaft im August 1994 sogar mit der Todesstrafe. Ein damals noch weniger bekannter religiös-fundamentalistischer Politiker, Recep Tayyip Erdoğan, der die Wahl zum Oberbürgermeister von Istanbul gewonnen hatte, entblödete sich sogar mit den Worten: „Wir werden den Namen von Aziz Nesin aus Istanbul tilgen“, was zu heftigen Protesterklärungen des türkischen Schriftstellerverbandes führte.
Aziz Nesin war bis zu seinem Lebensende von der Fatwa bedroht und musste seien Aufenthalt geheim halten, so auch bei seiner letzten Vortragsreise im März 1995 nach Deutschland (bei der der Autor Nesin kennenlernen und vom geheim gehaltenen Hotel zum Lesungsort fahren durfte). Bereits am 6. Juli 1995 starb Aziz Nesin 80-jährig nach einer Lesung in Alaçatı bei İzmir an einem Herzinfarkt. In seinem Testament hatte der Atheist verfügt, dass keine islamische Trauerfeier abgehalten werde. Er wurde im Garten der Nesin-Stiftung in Çatalca beigesetzt.
Aziz Nesin hinterließ ein sehr umfangreiches Werk, neben seinen politischen Satiren auch Theaterstücke, Gedichte und Kinderliteratur.


