Katrin Raczynski: Liebe Lone, wir haben uns kürzlich beim CEO-Treffen in Vilnius getroffen. Mein Eindruck war, dass die Arbeit innerhalb des European Humanist Services Network sehr produktiv ist und es gelungen ist, einen echten Mehrwert für die praktische humanistische Arbeit der europäischen Mitgliedsorganisationen zu schaffen. Wie wurde dies erreicht und wie würdest du die aktuelle Zusammenarbeit und ihre wichtigsten Erfolgsfaktoren beschreiben?
Lone Ree Milkær: Die kurze Antwort: gründliche Vorbereitung und enger Kontakt zu den Partnern. Die lange Antwort lautet: Zunächst war viel Vorbereitung erforderlich, um die eigentliche Zusammenarbeit in Gang zu bringen. Alles begann mit der Annahme, dass eine europäische Zusammenarbeit im Bereich des praktischen Humanismus möglich sein sollte, da viele Organisationen großartige Arbeit leisteten und der praktische Humanismus in ganz Europa zunehmend in den Fokus rückte. Im Rahmen eines Pilotprojekts von Humanists International reiste ich dann über ein Jahr lang zu zahlreichen europäischen Organisationen und sprach mit den übrigen. Ich fragte sie, worauf sie sich konzentrierten, wie sie arbeiteten, was sie am liebsten weiterentwickeln würden, was ihre größten Erfolge und Herausforderungen waren. Daraus ergab sich der Umfang der drei spezifischen Teilprojekte, bei denen die Netzwerke begonnen haben, zusammenzuarbeiten: Hochzeitszeremonien, humanistische Seelsorge sowie Jugendbildung und ‑aktivitäten.
Nach dem Pilotprojekt wurde beschlossen, das Netzwerk als unabhängige Einheit und nicht als Teil von Humanists International zu führen. Nun arbeitet das Netzwerk als Partnerschaft zwischen europäischen Organisationen und Teilprojekte werden auf Opt-in-Basis aufgebaut. Das heißt, die Partnerorganisationen haben eine Partnerschaftsvereinbarung unterzeichnet, in der sie ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit sowie zur Bereitstellung von direkten und Sachleistungen (z. B. Personal, Tagungsräume usw.) für das Netzwerk bekunden. Die Partnerorganisationen können sich dann an allen Teilprojekten beteiligen, die sie für relevant halten. Die Teilnahme an allen oder einzelnen Teilprojekten ist keine Voraussetzung für eine Partnerschaft im Netzwerk.
Ein entscheidender Faktor ist dabei das Engagement der Führungsspitzen der Partnerorganisationen. Auch wenn die Aktivitäten im Netzwerk auf einer soliden Grundlage in der Praxis der Organisationen basieren und keine theoretischen Wunschvorstellungen sind, war es dennoch wichtig, dass die Teilprojekte mit den Strategien der Organisationen in Einklang stehen und die CEOs den Zweck und den Nutzen eines Beitritts zu einem europäischen Netzwerk erkennen können. Für den Erfolg des Netzwerks ist es entscheidend, dass wir organisatorische Unterstützung und Zugang zu genehmigten Ressourcen in den Organisationen haben. Nur so kann die Sachleistungsbasis des Netzwerks funktionieren.
Das EHSN-Projekt könnte als Prototyp für Humanists International dienen, wenn es darum geht, die nationale Zusammenarbeit und den Austausch zu fördern. Welche Aspekte sind deiner Meinung nach beim Aufbau eines supranationalen Netzwerks am wichtigsten?
Am wichtigsten ist es, den Umfang zu begrenzen und konkrete Ziele zu haben. Das Zweitwichtigste ist, zu akzeptieren, dass es Zeit und Geduld braucht, damit es funktioniert. Netzwerke funktionieren nicht nur auf dem Papier oder in der Theorie. Die Menschen müssen sich treffen – vorzugsweise mehrmals und in unterschiedlichen Konstellationen –, damit sie sich kennenlernen und Vertrauen aufbauen können. Wir haben festgestellt, dass ein großes Interesse daran besteht, sich innerhalb des Netzwerks zu treffen, sowohl bei den Treffen des CEO-Netzwerks als auch bei den Arbeitsseminaren, bei denen sich alle Arbeitsgruppen der Teilprojekte treffen. Das hat das Netzwerk enorm gestärkt.
Die Begrenzung und die Spezifität der Zusammenarbeit ergeben sich aus dem Fokus und der strengen Kontrolle der drei Teilprojekte. Das heißt, die Zeremoniengruppe hat sich auf einen gemeinsamen Hochzeitsstandard und das humanistische Online-Hochzeitsportal konzentriert. Die Gruppen dürfen aber auch neue Ziele entwickeln und vorschlagen, die auf eine weitere Zusammenarbeit hinweisen. Die Mitglieder der Zeremoniengruppe haben sich darauf geeinigt, sich mit Beerdigungen zu befassen, und es wurden Ziele festgelegt, um sich auf einen gemeinsamen Beerdigungsstandard zu einigen.
Wie oben erwähnt, sind die Teilprojekte aus einem gründlichen Forschungsprozess hervorgegangen. Sie wurden aber auch auf der Grundlage der Annahme konzipiert, dass sie verschiedene Problembereiche in den Organisationen abdecken sollten. Erstens gibt es etwas, das die meisten Organisationen sehr gut machen und von dessen Weiterentwicklung sie profitieren könnten: humanistische Zeremonien. Zweitens etwas, das einige wenige Organisationen wirklich gut machen und in dem sich mehr Organisationen verbessern möchten: humanistische Seelsorge. Und schließlich etwas, das keine Organisation wirklich gut macht, in dem sich aber alle verbessern möchten: die Einbindung von Jugendlichen. Nicht alle 20 Partnerorganisationen beteiligen sich an allen drei Teilprojekten, sind aber dennoch Partner.
In einer Partnerschaft wie EHSN, die von großen humanistischen Organisationen mit vielen Mitgliedern und Aktivitäten bis hin zu neuen Organisationen mit nur einer Handvoll aktiver Mitglieder und dem Wunsch, einen humanistischen Dienst zu initiieren, reicht, ist es entscheidend, dass die Teilprojekte so gestaltet sind, dass jede Art von Organisation davon profitieren kann, Zeit und Geld in eine möglichst umfassende Teilnahme zu investieren.
Selbst auf nationaler Ebene haben wir es oft mit unterschiedlichen humanistischen Strategien und Schwerpunkten zu tun – grob gesagt auf einem Spektrum von eher säkularen oder kirchenkritischen Ansätzen bis hin zu einem kooperativeren oder inklusiveren humanistischen Selbstverständnis. Wie ist es auf europäischer Ebene möglich, diese unterschiedlichen Strategien in einen gemeinsamen Arbeitsprozess zu integrieren?
Von Anfang an war klar, dass es sich um ein Netzwerk handelt, das sich auf praktischen Humanismus konzentriert. Das bedeutet, dass die dem Netzwerk angeschlossenen Organisationen einen humanistischen Ansatz teilen, der eine praktische Komponente beinhaltet, sei es die Durchführung von Trauungen oder die Vermittlung von Humanismus in der Grundschule. Das bedeutet auch, dass einige europäische Organisationen es nicht für relevant gehalten haben, Teil des EHSN zu sein – und das ist auch gut so. Das Opt-in-Prinzip bedeutet, dass sich nicht alle Organisationen in allen Punkten einig sein müssen. Wenn eine Organisation beispielsweise das politische Ziel verfolgt, dass nur der Staat legale Trauungen durchführen darf, und das Recht auf
Was ist für 2026 geplant? Welche Projekte oder Initiativen werden Ihrer Meinung nach besonders wichtig oder besonders herausfordernd sein?
Eine Gruppe sehr kompetenter Personen aus beiden Partnerorganisationen und Bildungseinrichtungen hat einen gemeinsamen Standard für die europäische humanistische Seelsorge erarbeitet. Anhand dieses Standards werden wir Anfang 2026 ein Akkreditierungssystem ausarbeiten. Dieser Standard wird sowohl für Organisationen wichtig sein, die daran arbeiten, ihre Position als Anbieter von Seelsorge zu stärken, als auch für Organisationen, die gerade erst einen humanistischen Seelsorgedienst aufbauen. Wir planen außerdem die Einführung eines neuen Teilprojekts, das sich auf das Fundraising konzentrieren wird. Können wir vom Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren profitieren und bei einer gemeinsamen internationalen Fundraising-Kampagne zusammenarbeiten?
Das Teilprojekt „Jugendbildung und ‑aktivitäten“ war von Anfang an eine Herausforderung. Wir müssen noch das richtige Format für die Zusammenarbeit in diesem Teil des Netzwerks finden. Wir arbeiten auf ein Sommercamp im Jahr 2027 in Rumänien hin und hoffen, dass dies dem Teilprojekt den nötigen Schub geben wird.
Wo siehst du weitere Möglichkeiten und Potenziale, um die Zusammenarbeit zu stärken?
Ehrlich gesagt, sehe ich nur Potential. Natürlich hängt die Entwicklung des Netzwerks vom guten Willen und Engagement der Partnerorganisationen ab. Bisher haben wir in der Zusammenarbeit jedoch nichts anderes erlebt. Jede Partnerorganisation schätzt das Netzwerk und die Zusammenarbeit in den Teilprojekten.
Wir könnten die Bereiche der Zusammenarbeit potenziell um andere Arten humanistischer Dienstleistungen erweitern, beispielsweise um Verwaltung und Leitung in humanistischen Organisationen und Institutionen, Marketing oder Gemeinschaftsbildung.
Zudem ist EHSN Platin-Sponsor des World Humanist Congress in Ottawa im August 2026, was eine gute Gelegenheit ist, das europäische humanistische Hochzeitsportal zu bewerben und das Modellnetzwerk zu präsentieren, das wir in relativ kurzer Zeit in Europa aufgebaut haben.

Lone Ree Milkær, promovierte in Kulturwissenschaft an der Universität Bergen in Norwegen, nachdem sie zuvor einen Master in Volkskunde an der Universität Kopenhagen in Dänemark abgeschlossen hatte. Als unabhängige Forscherin widmet sie sich interdisziplinären Fragestellungen und engagiert sich zugleich als Netzwerkmanagerin im European Humanist Services Network. Von 2014 bis 2022 leitete sie zudem die Dänische Humanistische Gesellschaft als Präsidentin.


