Ottilie Baader gilt als eine der wichtigsten sozialdemokratischen Kämpferinnen für die Rechte der Arbeiterinnen und für das allgemeine freie und geheime Wahlrecht für Frauen und Männer. Als „Zentralvertrauensperson der Genossinnen Deutschlands“ war sie ab dem Jahr 1900 führend am Aufbau der internationalen sozialistischen Frauenbewegung beteiligt. In dieser Funktion berief sie im August 1907 die erste internationale Konferenz sozialistischer Frauen ein. Durch den Druck des internationalen Zusammenschlusses erhofften sich die Sozialdemokratinnen eine Stärkung ihrer Position für den Kampf um das Frauenwahlrecht, für bessere Arbeitsbedingungen, für die Gleichberechtigung der Geschlechter und vor allem auch gegen die Bedrohung des Weltfriedens.
Ottilie Baader wuchs in einer Arbeiterfamilie in Frankfurt/Oder auf. Im Alter von 13 Jahren zog sie mit der Familie nach Berlin und arbeitete als Näherin in einer Fabrik. 1866 beteiligte sie sich am erfolgreichen Kampf der Berliner Mantelnäherinnen gegen die drohende Erhöhung der Nähgarnzölle und fand Kontakt zu den Gewerkschaften und zur SPD. 1870/71 erreichten sie und 50 streikbereite Näherinnen, dass die angedrohte Halbierung der Löhne in der Berliner Kragen- und Manschettenfabrik zurückgenommen wurde. Im Zusammenhang mit der Streikdrohung wurde sie 1870 von ihrem Arbeitgeber entlassen. Sie nähte nun in Heimarbeit. Es waren die Schriften von Karl Marx und August Bebel, die sie von ihrem Vater während ihrer Arbeit vorgelesen bekam, die sie dazu bewegten, 1877 gemeinsam mit ihm aus der evangelischen Kirche auszutreten und der Freireligiösen Gemeinde beizutreten.
Ottilie Baader kämpfte gegen Klassen- und Geschlechterunterschiede und nahm eine klare Abgrenzung zu den bürgerlichen Frauenbewegungen vor, die die weibliche „Andersartigkeit“ betonten, anstatt den Kampf der Arbeiterinnen, um volle soziale und menschliche Emanzipation zu unterstützen. Ihr ging es um den „Kampf aller Ausgebeuteten ohne Unterschied des Geschlechts gegen alle Ausbeutenden, ebenfalls ohne Unterschied des Geschlechts“.
Literatur:
Ottilie Baader: Ein steiniger Weg. Lebenserinnerungen einer Sozialistin, Bonn 1979.
Gisela Notz: Ottilie Baader (1847 – 1925): in: diess.: Wegbereiterinnen. Berühmte, bekannte und zu Unrecht vergessene Frauen aus der Geschichte, Neu-Ulm 2020, S.54–55.