Gedicht

Glaube und Wissenschaft

| von

Beitragsbild: Bryan Goff/Unsplash

Wie tief sind die Gräben zwischen den Welten von Glauben und Wissenschaft? Ein Gedicht von Harro Kiendl.

Beni­ta hat einen Glau­ben.
Sie erlebt ihn als etwas Rea­les,
doch wie viel davon ist wahr?
Das weiß sie nicht –
und es berührt sie nicht.
Denn sie sieht, was der Glau­be bewirkt.
Das ist ihre Wahr­heit,
ihre Wirk­lich­keit des Glau­bens.

Ben hin­ge­gen glaubt nicht.
Er ver­steht sich als Huma­nist
und auf­ge­klär­ter Anhän­ger der Wis­sen­schaft.
Beson­ders fas­zi­niert ihn die Phy­sik,
denn sie strebt danach,
das gesam­te Gesche­hen
mit weni­gen Natur­ge­set­zen zu erklä­ren.

Auch Benis­si­mo dach­te anfangs so.
Bis er auf Karl Pop­per stieß.
Des­sen Leh­re lau­tet:
In der Phy­sik kann man nie sicher sein,
einen uni­ver­sell gül­ti­gen Zusam­men­hang
– ein Natur­ge­setz – gefun­den zu haben.
Jede Erkennt­nis bleibt Hypo­the­se.

Wur­de eine Hypo­the­se bis­lang
durch kein Expe­ri­ment wider­legt,
so bedeu­tet das kei­nes­wegs,
dass dies für alle Zukunft aus­ge­schlos­sen ist.
Man kann also nie­mals bewei­sen,
dass eine Hypo­the­se
ein unum­stöß­li­ches Natur­ge­setz ist.

Benis­si­mo zieht dar­aus einen Schluss:
Dass wir Hypo­the­sen, die sich bis­lang bewährt haben,
gern zu Geset­zen erhe­ben,
beruht nicht zuletzt auf – Glau­ben!
Über­ra­schun­gen blei­ben stets mög­lich.

Wie tief also sind die Grä­ben
zwi­schen den Wel­ten von Glau­ben und Wis­sen­schaft?
Viel­leicht nicht so tief, wie oft behaup­tet.
Brü­cken las­sen sich bau­en.
Und wer sie über­quert, fin­det womög­lich
eine neue Ant­wort auf die alte Gret­chen­fra­ge:

Wo, in wel­cher Welt,
füh­le ich mich bes­ser auf­ge­ho­ben?

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