Kann künstliche Intelligenz Tierversuche ersetzen? Laut Dr. Dr. med. Thomas Hartung ist das keine Vision, sondern eine durchaus realistische Perspektive. Seit vielen Jahren forscht der Mediziner und Biochemiker aus Solingen an Alternativmethoden für Tierversuche.
Thomas Hartung ist Professor für Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Konstanz, seit 2009 Direktor des Center for Alternatives to Animal Testing (CAAT) und Inhaber des Doerenkamp-Zbinden-Lehrstuhls für evidenzbasierte Toxikologie an der Johns Hopkins School of Public Health. Hartungs Ansatz ist wegweisend und zentral für die Zukunft der biomedizinischen Forschung. Abgesehen von der Vermeidung unnötiger Tierversuche ist das Sparpotential durch KI-basierte Forschungsmethoden zu betonen. Das sagte der Preisträger bereits 2018 in einem Interview auf The Conversation: „Wir haben jetzt eine Computermethode entwickelt […], die jährlich mehr als 1 Milliarde US-Dollar einsparen und über 2 Millionen Tiere (retten) könnte.“
Für seine wegweisenden Beiträge zur Entwicklung tierversuchsfreier Methoden in der Toxikologie, seine internationale wissenschaftliche Arbeit und sein Engagement für eine ethisch verantwortungsvolle Forschung wurde er dieses Jahr mit dem Peter-Singer-Preis für Strategien zur Tierleidminderung e.V. ausgezeichnet.
Der Förderverein des Peter-Singer-Preises wurde 2015 von dem Mediziner Dr. Walter Neussel gegründet und zeichnet Personen aus, die mit innovativen Ansätzen in Wissenschaft, Politik, Pädagogik oder Recht dazu beitragen, von Menschen verursachtes Tierleid wirksam zu verringern. Ziel der Auszeichnung ist es, Strategien zur Tierleidminderung sichtbar zu machen, ethische Perspektiven zu fördern und eine Signalwirkung zu entfalten. Der Peter-Singer-Preis wird jährlich vergeben und ist mit 10.000 Euro dotiert.
Frühere Preisträger*innen waren unter anderem der Namensgeber und Tierrechtler Peter Singer, die Sozialpsychologin Dr. Melanie Joy, die Umwelt- und Tierschutzpolitikerin sowie Frauenrechtlerin Maneka Gandhi und der Bioethiker Dr. Richard Ryder.
Die Preisverleihung des 11. Peter-Singer-Preis für Strategien zur Tierleidminderung (PSP) fand am 5. Juli 2025 unter der Moderation von Dr. Edmund Haferbeck im Haus der Demokratie und Menschenrechte statt. Begleitet wurde sie von Vorträgen, die unterschiedliche Aspekte der Tierversuchsproblematik beleuchteten: Die Tierärztin Dr. Kirsten Tönnies sprach über die Verantwortung der Tierärzt*innen im Berufsalltag, wenn Tiere im Dienste der Forschung leiden müssen. Dr. Kathrin Herrmann (John Hopkins Center for CAAT) skizzierte den Status quo der Tierversuche in Deutschland und stellte Perspektiven für tierfreie Innovationen vor. Der Bioethiker Dr. Norbert Alzmann betonte die Verantwortung und Entscheidungsgewalt von Tierversuchskommissionen. In seiner Laudatio unter dem Titel „Mensch oder Maschine?“ würdigte Dr. Matthias Herzler vom Bundesinstitut für Risikobewertung schließlich Hartungs Fähigkeit, wissenschaftliche Exzellenz und ethische Sensibilität zu verbinden.
Die Preisverleihung würdigt die Erkenntnis, dass Wissenschaft und Ethik keine Gegensätze sind, sondern zwei sich gegenseitig bedingende Grundpfeiler in einer aufgeklärten und humanistischen Welt. In diesem Zusammenhang sei Max Horkheimer und seine Dialektik der Aufklärung erwähnt. Er zeigte auf, dass wissenschaftlicher Fortschritt, der ursprünglich aus der Unmündigkeit führen sollte, leicht in neue Formen von Herrschaft umschlagen kann. Anstatt Natur und Tiere zu schützen, werden sie so entmündigt, beherrscht und zerstört.
Thomas Hartung ist es gelungen, Erkenntnis mit Mitgefühl zu vereinen und eröffnet mithilfe künstlicher Intelligenz neue Perspektiven in der tierversuchsfreien Forschung. Damit weist er den Weg in eine aufgeklärte und humanistische Zukunft.
Quellen:
Peter-Singer-Preis – Förderverein des Peter-Singer-Preises für Strategien zur Tierleidminderung e. V.
Thomas Hartung – The Conversation
Interview mit Thomas Hartung – Deutscher Tierschutzbund