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Interview zum Bestattungshain Leineaue

Humanistische Waldbestattung in Niedersachsen

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Feierliche Eröffnung des Waldbestattungshaines Leineaue am 15. August 2020
Feierliche Eröffnung des Waldbestattungshaines Leineaue am 15. August 2020

Beitragsbild: Markus Rassiller

Die humanistische Bestattungskultur wächst: Im August 2020 hat der niedersächsische HVD-Ortsverband Garbsen den Waldbestattungshain Leineaue eröffnet. Nordwestlich von Hannover sind so rund 1.500 naturnahe Ruhstätten entstanden. Wir sprachen mit dem Initiator Karl-Otto Eckartsberg über ein Herzensprojekt der niedersächsischen Humanist*innen.

Herr Eckartsberg, vor sechs Jahren begann der HVD-Ortsverband Garbsen mit der Planung für einen humanistischen Bestattungshain, im vergangenen Sommer wurde dieser eröffnet. Warum ist ein solcher Ort wichtig? Wie kam das Projekt zustande?

Wir wol­len Huma­nis­tin­nen und Huma­nis­ten die Mög­lich­keit geben, in ihrem Sin­ne und an einem schö­nen Ort bestat­tet zu wer­den. Die­sen Ort zu schaf­fen, war ein gan­zes Stück Arbeit: von der räum­li­chen Pla­nung und den Ver­hand­lun­gen mit Poli­tik und Ver­wal­tung bis zur Über­win­dung von eini­gen Wider­stän­den sei­tens der Kir­che. Und auch an prak­ti­scher Arbeit gab es viel zu tun. Zuletzt haben wir über 60 Bäu­me gepflanzt und bewäs­sert.

Alles in allem sind über 6.000 ehren­amt­li­che Stun­den in das Pro­jekt geflos­sen – und es ist am Ende gelun­gen. Es soll für unse­ren Orts­ver­band auch eine Art Leucht­turm­cha­rak­ter haben. Neben unse­rer huma­nis­ti­schen Kin­der­krip­pe ist der Bestat­tungs­hain ein wich­ti­ges Aus­hän­ge­schild der Huma­nis­ten vor Ort.

Aber grundsätzlich ist der Wald offen für alle, nicht nur für Humanist*innen und konfessionsfreie Menschen?

Ja natür­lich! Es gibt einen spe­zi­el­len reser­vier­ten Bereich für HVD-Mit­glie­der, aber in jedem Fal­le ist der Hain offen für alle Men­schen, ganz unab­hän­gig von ihrem reli­giö­sen Bekennt­nis. Vie­le der Inter­es­sen­ten kom­men natür­lich wegen des huma­nis­ti­schen Cha­rak­ters zu uns, für ande­re ist es ein­fach ein beson­de­rer Trau­er­ort nahe an der Natur.

Also spielt auch der ökologische Gedanke eine Rolle?

Die Nähe zur Natur ist ein zen­tra­ler Gedan­ke in unse­rem Bestat­tungs­hain. Unse­re Urnen sind bio­lo­gisch abbau­bar. So ver­bin­det sich über die Zeit die Asche mit der Erde und bil­det die Grund­la­ge für das Wachs­tum des Wal­des. Damit keh­ren die mensch­li­chen Über­res­te in den natür­li­chen Kreis­lauf der Natur zurück.

Ganz prak­tisch arbei­ten wir auch sonst nur mit natür­lich abbau­ba­ren Mate­ria­li­en, wie Rin­den­mulch für die Wege. Und auch mit loka­len Natur­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen arbei­ten wir zusam­men. So haben wir mit der Initia­ti­ve „Garb­sen for Future“ koope­riert. Die hat­te sich ohne­hin vor­ge­nom­men, im Ort Bäu­me zu pflan­zen und uns dann gehol­fen, neue Bäu­me zu besor­gen. Vor Coro­na hat­ten wir auch oft Schul­klas­sen zu klei­ne­ren Arbeits­ein­sät­zen vor Ort.

Ein Bestat­tungs­ort in einem natür­li­chen Wald hat aber auch ganz prak­ti­sche Vor­tei­le: Wo auf einem her­kömm­li­chen Fried­hof viel Arbeit anfällt, pflegt sich der Wald von selbst. Wir küm­mern uns ledig­lich um die Wege oder beschnei­den Äste, die dro­hen her­ab­zu­stür­zen.

Karl-Otto Eck­art­sberg (*1949) ist Leh­rer a.D., Vize­prä­si­dent des HVD Nie­der­sach­sen und seit zehn Jah­ren Vor­sit­zen­der des Orts­ver­ban­des Garb­sen. Seit 2014 lei­tet er das Pro­jekt „Wald­be­stat­tungs­hain Lei­ne­aue“.

In Deutschland zeigte sich zum Ende des 19. Jahrhunderts eine Wende hin zur Feuerbestattung – eine neue Form, die auch stark von der Freidenkerbewegung mitgetragen wurde. Könnten Humanist*innen mit ökologisch nachhaltigen Waldfriedhöfen einen vergleichbaren Wandel in der Bestattungskultur einleiten?

Ja durch­aus! Wir knüp­fen auch an die­se Tra­di­ti­on an. Auf einer zen­tra­len Ste­le in der Mit­te des Wal­des ist eine gro­ße Feu­er­scha­le zu sehen: das Sym­bol der Frei­den­ker. Wie sie wol­len wir eine neue, zeit­ge­mä­ße Form der Bestat­tung schaf­fen. Mit dem Kon­zept Bestat­tungs­hain ver­bin­den wir Umwelt­schutz und Natur­be­wusst­sein mit einem Erin­ne­rungs­ort. Im Prin­zip ist ein Bestat­tungs­hain zunächst ein­mal ein Wald – aber mit der Zusatz­funk­ti­on, dass sich hier Men­schen beer­di­gen las­sen kön­nen.

Wie wird das Angebot angenommen?

Wir haben bereits vie­le Reser­vie­run­gen. Beson­ders aus der nähe­ren Umge­bung, aber auch von wei­ter her. Die Men­schen kom­men zu uns, suchen sich einen Baum aus und spre­chen dabei über die Zukunft und oft den nahen­den Tod. Vor kur­zem kam eine Fami­lie und als sie einen Baum gefun­den hat­ten, sag­te der Enkel: „Das ist aber ein schö­ner Baum, Oma. Da kom­me ich dich oft besu­chen.“

Vielen Dank für das Gespräch!

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