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Interview mit Pädagogin Konstanze Billeb

Ein Leben für die humanistische Bildung

| von

Beitragsbild: Konstantin Börner

Die promovierte Pädagogin Konstanze Billeb hat über 10 Jahre als Lehrerin und später als Koordinatorin der Humanistischen Lebenskunde gearbeitet. Seit 2015 ist sie Teil der Leitung der Humanistischen Fachschule für Sozialpädagogik. Ein Gespräch über ihr Lebensthema humanistische Bildung und ihr Engagement im Humanistischen Verband Deutschlands.

Beim Blick in deinen Lebenslauf könnte man zusammenfassen: Ein Leben für die humanistische Bildung. Wie kam es dazu?

Das liegt an einer frei­den­ke­ri­schen Linie in mei­ner Fami­lie. Einer mei­ner Urgroß­vä­ter war Mit­glied in der SPD und Vor­sit­zen­der der frei­re­li­giö­sen Gemein­de in Bres­lau. Die Erzäh­lun­gen über ihn haben mich sehr geprägt. Durch die Erzie­hung mei­ner Eltern waren mei­ne Geschwis­ter und ich kon­fes­si­ons­los und ich konn­te schon früh selbst­be­wusst sagen: Ich bin Athe­is­tin. Aber das war nicht in allen Tei­len der Fami­lie so. Des­halb habe ich früh gelernt, respekt­voll mit ande­ren Lebens­auf­fas­sun­gen umzu­ge­hen.

Und wie bist du zur Bildung gekommen?

Ich hat­te schon vor, Leh­re­rin zu wer­den und wei­ter­zu­ge­ben, wie man das Leben gestal­ten kann. In den 80er-Jah­ren bin ich in der DDR auch tat­säch­lich Leh­re­rin gewor­den. In mei­ner Dis­ser­ta­ti­on, die ich in der Wen­de­zeit geschrie­ben habe, ging es auch um huma­nis­ti­sche Bil­dung. The­ma war die Ein­füh­rung der Jugend­wei­he in der DDR. Vie­le der über­le­ben­den frü­he­ren Freidenker*innen und Frei­re­li­giö­sen woll­ten nach dem Krieg an die Tra­di­ti­on der Jugend­wei­he anknüp­fen. Die SED woll­te das zunächst nicht, ent­schied sich aber nach ein paar Jah­ren anders.

Was hat dich zum Humanistischen Verband geführt?

Der Huma­nis­ti­sche Ver­band ist erst 1993 aus den Frei­den­kern ent­stan­den. Zunächst war es ein Kon­takt zu den West­ber­li­ner Frei­den­kern. Ende 1989 fan­den in vie­len ost­deut­schen Städ­ten Mon­tags­de­mos statt und es begann, was man heu­te „die Wen­de“ nennt. Zu der Zeit habe ich Man­fred Ise­mey­er, den dama­li­gen Geschäfts­füh­rer der Frei­den­ker, auf einer Kon­fe­renz in Zwi­ckau ken­nen­ge­lernt. Spä­ter bot er mir an, nach der Dis­ser­ta­ti­on nach Ber­lin zu kom­men. So bin ich 1991 in Ber­lin gelan­det. Man­fred Ise­mey­er hat­te schon damals den Plan, die Jugend­wei­he und den Lebens­kun­de­un­ter­richt brei­ter auf­zu­stel­len. So fand nach der Wen­de in Ber­lin ein Kreis von Leu­ten mit einer gemein­sa­men Visi­on für huma­nis­ti­sche Bil­dung zusam­men.

Woran hast du in den ersten Jahren gearbeitet?

Wir haben ange­fan­gen, die Jugend­wei­he anders auf­zu­stel­len, und sind auf den Namen Jugend­FEI­ER gekom­men. Der Slo­gan lau­te­te: „Jugend­FEI­ER, die alter­na­ti­ve Jugend­wei­he.“ So wuss­ten alle, wor­um es geht. Wir haben dann bei­spiels­wei­se das Gelöb­nis am Ende der Zere­mo­nie abge­schafft. Die Jugend­FEI­ER hat sich in Ber­lin und Bran­den­burg als ein über­aus belieb­tes Ange­bot eta­bliert. Haupt­amt­lich hat­te ich damit aber nur zwei Jah­re zu tun. Die meis­te Zeit war ich ehren­amt­lich für die Jugend­FEI­ER aktiv, bestimmt über 25 Jah­re. In den 90er-Jah­ren war ich auch an der Grün­dung des Jugend­ver­ban­des und dem Erfin­den des Namens „Jun­ge Humanist*innen“ betei­ligt. Wir waren vol­ler Ideen und fan­den, dass die Abkür­zung „JuHu“ unse­ren Elan am bes­ten beschreibt. JuHu steht bis heu­te für Begeis­te­rung, Ideen­reich­tum und gro­ßes Inter­es­se an unse­rer Gesell­schaft.

Wann bist du zurück in deinen Wunschberuf gewechselt?

Das war 2001. Bis 2009 war ich dann als Leh­re­rin für Huma­nis­ti­sche Lebens­kun­de an einer Grund­schu­le tätig. Obwohl die Reli­gi­ons­leh­re­rin vor Ort wirk­lich gut war, haben zum Schluss 80 Pro­zent der Schüler*innen an Lebens­kun­de teil­ge­nom­men. Ich habe dann noch an einer Schu­le in Bran­den­burg und an drei Schu­len in Ber­lin den Lebens­kun­de­un­ter­richt mit auf­ge­baut. Und als es Per­so­nal­ver­än­de­run­gen in der Ver­wal­tung gab, bin ich in die Schul­or­ga­ni­sa­ti­on gewech­selt. Das habe ich dann bis 2015 gemacht. Damals wur­de mir zuge­traut, die Lei­tung der Huma­nis­ti­schen Fach­schu­le für Sozi­al­päd­ago­gik zu über­neh­men.

Was macht das Humanistische in der Erzieher*innen-Ausbildung an der Fachschule aus?

Das sind ver­schie­de­ne Din­ge. Zum einen, dass wir uns damit beschäf­ti­gen, gewalt­frei zu kom­mu­ni­zie­ren. Dafür begeg­nen wir jedem Kind und allen Jugend­li­chen respekt­voll und tole­rant. Außer­dem ist wich­tig, die Kin­der und Jugend­li­chen von Anfang an ein­zu­be­zie­hen, sie par­ti­zi­pa­tiv mit­wir­ken zu las­sen. Wir, ich ins­be­son­de­re, füh­len uns den Wer­ten des däni­schen Sozi­al­päd­ago­gen Jas­per Juul ver­bun­den. Für ihn ist die Gleich­wür­dig­keit, vor allem im Unter­schied zur Gleich­wer­tig­keit, zen­tral. Er sagt, dass man in sei­ner Hal­tung authen­tisch und inte­ger sein muss und Ver­ant­wor­tung anzu­neh­men hat.

Und wie versuchst du als Leiterin der Fachschule humanistisch zu handeln?

Ich muss das ein­schrän­ken: Seit über einem Jahr sind wir ein Tan­dem in der Lei­tung. Ich bin also nicht allein in der Ver­ant­wor­tung. Aber ich sehe es als mei­ne Auf­ga­be an, im Sin­ne Jas­per Juuls authen­tisch zu sein. Das will ich unbe­dingt. Wenn ich den Stu­die­ren­den etwas sage, dann möch­te ich auch, dass sie mir glau­ben kön­nen. Wenn ich gute Lau­ne aus­strah­le, dann sol­len sie auch wis­sen, dass ich wirk­lich gute Lau­ne habe. Mir sag­te mal jemand: „Hier in der Schu­le hat noch nie jemand mit mir geschimpft. Auch nicht, wenn ich Mist gebaut habe.“ Die­se Gleich­wür­dig­keit im Umgang ist mir sehr wich­tig.

Wenn du auf die vielen Jahre zurückblickst, was hat sich am Humanistischen Verband verändert?

Ich ken­ne den Ver­band und sei­nen Vor­gän­ger ja seit 1991, als die Orga­ni­sa­ti­on viel klei­ner war. Da kann­ten wir Mitarbeiter*innen uns so gut wie alle, die Wege für Infor­ma­tio­nen waren kür­zer und infor­mel­le Kon­tak­te viel leich­ter her­zu­stel­len. Heu­te kom­me ich manch­mal zu Pro­jek­ten oder Ein­rich­tun­gen des Huma­nis­ti­schen Ver­bands und ken­ne dort nie­man­den. Bei der Grö­ße ist das ganz nor­mal. Aber bedau­ern tue ich es schon. Der Vor­stand lädt seit letz­tem Som­mer zum monat­li­chen Stamm­tisch ein. Das fin­de ich gut. Das ist auf jeden Fall eine Chan­ce, etwas von die­ser Bin­dung wie­der her­zu­stel­len.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Inter­view erschien zuerst im Maga­zin der Freund*innen des HUMANISMUS 14 | Früh­jahr 2024. Wir dan­ken dem HVD Ber­lin-Bran­den­burg für die freund­li­che Geneh­mi­gung zur Zweit­ver­öf­fent­li­chung.

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