Sehr geehrter Herr Prof. Nida-Rümelin, zunächst mein herzlicher Glückwunsch für Ihr neues Amt als Rektor der gerade erst gegründeten Humanistischen Hochschule Berlin! Sie sind einer der bekanntesten Philosophen Deutschlands und haben viele Funktionen, wie z.B. als Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates. Und trotzdem haben Sie diese neue Aufgabe übernommen. Wie kam es dazu?
Es war nicht meine Idee, sondern die des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg. Die Vorstandsvorsitzende Katrin Raczynski ist schon 2021 auf mich zugekommen, beteiligt war auch die heutige Geschäftsführerin Anja Krüger-Chan, die mit mir als Teil einer Doppelspitze die Hochschule leitet – ich als Rektor, sie als Geschäftsführerin. Angesichts zahlreicher Aufgaben, die ich nach wie vor wahrnehme, nicht nur als Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, sondern auch als Honorarprofessor an der Humboldt-Universität, als Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, als Vorstand einer gemeinnützigen Stiftung, als Vortragender auf nationalen und internationalen Konferenzen und Veranstaltungen, vor allem aber als philosophischer Autor, musste zunächst geklärt werden, wie sich das alles miteinander vereinbaren lässt. Zudem lebt meine Familie in München und wir haben Kinder, die noch in die Schule gehen. Andererseits hat mich das Projekt, eine erste humanistische Hochschule in Deutschland aufzubauen, von Anbeginn fasziniert und ich habe nicht nur über Jahrzehnte als Wissenschaftler gearbeitet, sondern auch umfangreiche Erfahrungen in der Leitung großer Institutionen gesammelt, als Kulturstaatsminister im Bundeskanzleramt, als Dezernent der kommunalen Kulturbehörde der Landeshauptstadt München, als Direktor des Geschwister-Scholl-Instituts für Politikwissenschaft, als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie und zuletzt als Direktor am Bayerischen Forschungsinstitut für Digitale Transformation. Diese Erfahrungen kommen nun der Humanistischen Hochschule zugute.
Inwieweit kann man von einem besonderen „humanistischen Profil“ der neuen Hochschule sprechen?
Die humanistische Hochschule ist in ähnlicher Weise ihrem Träger verbunden, wie evangelische oder katholische Hochschulen ihrer Kirche. Sie ist getragen von einem humanistischen Ethos der individuellen menschlichen Selbstbestimmung und der Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit, was gut zu dem grundgesetzlichen Auftrag der Freiheit der Wissenschaft in Lehre und Forschung passt. Sie wird zu einem Ort des freien Geistes werden, zu öffentlichen Diskursen beitragen und die akademische Bildung auch in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen in Berlin bereichern. Sie bildet Menschen aus, die an den Berliner und Brandenburger Schulen humanistische Lebenskunde unterrichten und qualifiziert für soziale Arbeit auch, aber nicht nur, in den sozialen Einrichtungen des Humanistischen Verbandes. Die Hochschule praktiziert ein humanistisches Ethos der Kooperation und Kommunikation, das niemanden ausgrenzt und niemanden diskriminiert. Auch religiöse Studierende sind willkommen.
Welche Studiengänge werden aktuell angeboten? Und welche sind noch geplant?
In der ersten Ausbaustufe wurden fünf Professuren für drei Studiengänge besetzt: Soziale Arbeit im Bachelor-Studium, Humanistische Lebenskunde im Masterstudium und Angewandte Ethik im berufsbegleitenden und durch Studienbeiträge finanzierten Masterstudium mit Blockangeboten, die neben der Berufstätigkeit besucht werden können. Die Humanistische Hochschule Berlin hat in diesem Wintersemester den Lehrbetrieb aufgenommen. Auch wenn es eine längere Vorgeschichte der Hochschulgründung gibt, an der ich nicht beteiligt war, ist das Tempo beachtlich: am 1. Oktober 2022 habe ich mein Amt als Gründungsrektor angetreten. Schon Ende desselben Monats erfolgte die staatliche Anerkennung. Bis zum Herbst 2023 waren vier von fünf Professuren besetzt, weitere fünf Professuren werden folgen. Am 19. Januar 2024 war die konstituierende Sitzung des Akademischen Senats, des zentralen Entscheidungsgremiums der Hochschule. Wenn das so weitergeht, wird die Humanistische Hochschule in wenigen Jahren mit dann zehn Professuren und weiteren Studiengängen eine gute Zukunft vor sich haben.
Wo werden die Studierenden unterrichtet? Haben Sie ein eigenes Gebäude?
Ja, es wurde eine Immobilie in der Grabbe-Allee in Berlin-Pankow erworben, das aber erst noch für als Campus-Gebäude vorbereitet werden muss. Aktuell finden die Lehrveranstaltungen in angemieteten Räumen an der Jannowitzbrücke statt.
Den Medien war zu entnehmen, dass der Berliner Wissenschaftssenat es ablehnt, die Humanistische Hochschule mit den beiden kirchlichen Hochschulen gleichzubehandeln – und das, obwohl das Grundgesetz und die Berliner Landesverfassung genau diese Gleichbehandlung von Weltanschauungsgemeinschaften wie den Humanistischen Verband mit den Religionsgemeinschaften fordern. Und der HVD ist ja letztlich der Träger. Wie erklären Sie sich diese Ablehnung?
Das ist nicht ganz zutreffend, es gibt keine Ablehnung, sondern bislang keine Zustimmung zu einer vollständigen Gleichbehandlung. Es liegen Rechtsgutachten vor, die sich in Teilen widersprechen. Es würde zu weit führen, das hier näher auszuführen. In Abstimmung mit der Senatsverwaltung wird eine baldige rechtliche Klärung angestrebt. Im Doppelhaushalt 2024/2025 wurde vom Berliner Parlament beschlossen, der Humanistischen Hochschule beträchtliche Mittel für die Aufbauarbeit und speziell die Angebote in sozialer Arbeit zur Verfügung zu stellen, was wir als positives Signal einer guten Zusammenarbeit werten, wie auch die zuverlässige und effiziente administrative Abwicklung der dichten Folge von Berufungsverfahren im vergangenen Jahr.
Wie finanziert sich die Humanistische Hochschule?
Bislang ganz überwiegend aus Mitteln des Trägers, des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg. Wir setzen auf Gleichbehandlung mit Hochschulen in kirchlicher Trägerschaft und damit auf staatliche Unterstützung, da dies vom Gleichbehandlungsgebot der Verfassung gefordert ist: Deutschland ist kein laizistischer, aber ein weltanschaulich und religiös neutraler Staat, was sich darin äußert, dass er Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften gleich zu behandeln hat und keine bevorzugen oder benachteiligen darf. Zudem hoffen wir als erste und auf lange Sicht vermutlich einzige humanistische Hochschule auf die Unterstützung privater Mäzene.
Im niederländischen Utrecht gibt es schon seit vielen Jahren eine Humanistische Universität. Kooperieren sie mit dieser Uni?
Ja, wir haben gute und enge Beziehungen zur Humanistischen Universität Utrecht. Ich hatte mit der Präsidentin kurz vor Weihnachten ein gutes Gespräch. Die Kooperationsbereitschaft ist hoch. Die konkreten Formen, in denen diese Kooperation im beiderseitigen Interesse stattfinden wird, müssen erst noch geklärt werden.
Die Veröffentlichung des Interviews erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Berliner Bildungszeitschrift bbz der GEW Berlin.
1 Kommentar zu „Zur neuen Humanistischen Hochschule Berlin“
Viel Glück. Viel Vernunft. Viel Gerechtigkeit.