Johanna, was genau sind eure Aufgaben in der Fach- und Koordinierungsstelle der Partnerschaft für Demokratie in Bernau?
Die Aufgaben der Fach- und Koordinierungsstelle, kurz KuF, reichen von der Antragsberatung für eine finanzielle Förderung bis zur Umsetzung der jährlichen Demokratiekonferenz. Darüber hinaus spielt Vernetzung eine entscheidende Rolle. Als erste Ansprechperson in der KuF agiere ich in verschiedenen Netzwerken, um unterschiedliche zivilgesellschaftliche Akteur*innen vor Ort und ganz Brandenburg zusammenzubringen. Ploppen aktuelle lokale Problemlagen auf, zum Beispiel rechtsextremistische Schmierereien im Straßenbild, werden wir auch selbst aktiv und setzen mit Workshops oder öffentlichkeitswirksamen Aktionen menschenfeindlichen Einstellungen etwas entgegen. Zu unserer Arbeit gehört außerdem die Etablierung eines Jugendforums, um Jugendbeteiligung vor Ort zu fördern. Zur Umsetzung ihrer eigenen Ideen und Projekte steht Jugendlichen extra ein Jugendfond zur Verfügung. Aktuell läuft hier bei uns das Pilotprojekt „Jugendforum on Tour“, wo wir von Jugendlichen gut frequentierte Orte aufsuchen und Projektideen sammeln.
Die Partnerschaft für Demokratie in Bernau ist Teil des Bundesprogramms Demokratie leben!. Was sind die generellen Ziele des Programms?
Demokratie ist nicht selbstverständlich und bedarf kontinuierlicher Arbeit, um diese zu erhalten. Demokratie leben! setzt genau da an und fördert seit 2015 zivilgesellschaftliches Engagement und ein buntes Miteinander, um demokratie- und menschenfeindlichen Bestrebungen in der Gesellschaft entgegenzustehen. Die Kernziele sind dabei: Demokratie fördern, Vielfalt gestalten und Rechtsextremismus vorbeugen.
Das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Programm Demokratie leben! wurde 2015 initiiert. In Bernau gibt es seit 2019 die Partnerschaft für Demokratie, die gemeinsam gebildet wird von der Fach- und Koordinierungsstelle, dem federführenden Amt der Stadt, dem Begleitausschuss und dem Jugendforum. Die Förderhöhe pro Projekt beträgt maximal 5.000 Euro.
Welche Projekte werden im Rahmen der Partnerschaft für Demokratie in Bernau gefördert?
Es gibt jedes Jahr mehrere Ausschreibungsrunden. Unsere Handlungsfelder, wie die Stärkung des Demokratiegedankens, aktiv sein gegen Rechtsextremismus, Demokratiebildung in Kitas und Schulen oder die Kinder- und Jugendbeteiligung, sind dabei Orientierungspunkte für die Antragsstellenden. Gibt es akuten, lokalen Handlungsbedarf zu einem speziellen Thema, beispielsweise neuen Bestrebungen in der Reichsbürgerbewegung, werden Antragsstellende auch explizit aufgerufen, dazu Projekte einzureichen.
Warum ist die Förderung solcher Projekte wichtig für eine starke Demokratie? Was können sie aus deiner Sicht leisten?
Diese Projekte sind Teil der lokalen Demokratiestärkung. Jedes Projekt wirkt quasi wie ein Puzzleteil. Tatsächlich liegt die Betonung der Frage auf „Förderung“. Viele gemeinnützigen Vereine oder Organisationen machen unentbehrliche Arbeit in der politischen Bildung etc., aber können Projektideen auf Grund fehlenden Geldes nicht umsetzen. Hier kann die Partnerschaft für Demokratie mit dem Aktions- und Initiativfonds weiterhelfen.
Toll finden wir es auch, wenn wir Projekte von Vereinen fördern können, die man auf den ersten Blick vielleicht erstmal nicht mit Demokratieförderung in Verbindung bringt. So durften wir letztes Jahr den Basketballverein SSV Lok mit ihrem Herbstcamp finanziell unterstützen. Da ging es aber nicht nur um Basketballtraining, sondern die teilnehmenden Kinder haben dort gemeinsam die Regeln erarbeitet und es gab jeden Tag Gesprächs- und Diskussionsrunden zu verschiedenen Begriffen wie „Freiheit“ oder „Gemeinschaft“. Außerdem wurde zusammen mit den Kindern zu Konfliktlösungsstrategien gearbeitet. Hier zeigt sich eben, dass Demokratieförderung auch im Kleinen wirken kann.
Die Projekte erhalten ja nicht nur Geld aus dem Fördertopf, richtig? Was tut ihr als Fach- und Koordinierungsstelle außerdem, um sie zu unterstützen und Demokratie zu stärken?
Das ist richtig, wird ein Projekt bewilligt, stehe ich als Ansprechperson für Fragen rund um das Projekt weiterhin zur Verfügung. Da wir als Partnerschaft im direkten Bezug zur Stadt Bernau stehen, ist dies häufig hilfreich für die Anmietung von Räumlichkeiten, Anfragen beim Ordnungsamt etc. Die KuF unterstützt somit in der Umsetzung der Planung bei Bedarf, als auch inhaltlich, wenn der Träger noch auf der Suche nach Referent*innen für einen Workshop ist. Außerdem ist es unser Anliegen, zivilgesellschaftliche Akteure untereinander zu vernetzen.
Johanna Seeger (*1988) absolvierte eine Ausbildung zur Erzieherin und studierte angewandte Politikwissenschaften sowie Osteuropastudien mit dem Schwerpunkt Politik. Sie ist erste Ansprechperson der Fach- und Koordinierungsstelle und verantwortlich für die Projektkoordination der Partnerschaft für Demokratie Bernau.
Kannst du mir ein, zwei Beispiele nennen von Projekten, die bereits durch euch gefördert wurden und die du besonders interessant und wirksam fandest?
Was mir hier spontan einfällt, ist unser Pilotprojekt „Jugendforum on Tour“, bei dem es darum geht, an die Lieblingsorte von Jugendlichen zu gehen, Projektideen zu sammeln und dann Jugendlichen finanzielle Mittel zur Umsetzung ihrer eigenen Ideen zur Verfügung zu stellen. Spannend finde ich ganz einfach die Zielgruppe und ihr sehr verschiedenes Herangehen an Problemlagen, als es beispielsweise bei Erwachsenen der Fall ist. Die Wichtigkeit sehe ich darin, dass Jugendliche Selbstwirksamkeit erfahren, ihre eigene Stadt mitgestalten und verändern können und eine Stimme bekommen. Wir sind hier noch sehr gespannt, wie es weiter geht.
Ein weiteres Projekt, was ich in der Planung und Umsetzung sehr spannend fand, war der zweiteilige Politbrunch von der Agentur Ehrenamt. Hier wurden an zwei Sonntagen ins Rathaus eingeladen, um brisante Themen auf dem Podium und im Publikumsgespräch zu diskutieren. Da dies im direkten Vorfeld der Bundestagswahlen stattfand, waren auch die direkten Abgeordneten des Wahlkreises vor Ort. Diese konnten dann mit Fragen gelöchert werden. Im Nachgang wurde von vielen Teilnehmenden – auch dem Bürgermeister – der Wunsch geäußert, dieses Gesprächsformat zu aktuellen Themen aufrecht zu halten. Diese Form der Nachhaltigkeit wäre natürlich wünschenswert.
Wie kam es überhaupt dazu, dass der HVD Nordbrandenburg hier als Koordinierungsstelle wesentlicher Akteur der Partnerschaft für Demokratie wurde? Und inwiefern identifiziert ihr euch mit dem Projekt?
Im Jahr 2018 wurden wir von der Stadtverwaltung Bernau über das Projekt informiert und gefragt, ob wir uns die Trägerschaft der Koordinierungs- und Fachstelle vorstellen können. Hintergrund dafür war, dass die Stadt von Anfang an den Fokus auf die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen richten wollte – und wir im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit bereits seit vielen Jahren ein zuverlässiger und kompetenter Partner für die Stadt sind. Und da uns die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen schon immer ein großes Anliegen war und im Regionalverband gelebt wird, haben wir gern zugesagt. Doch auch darüber hinaus finden wir, dass die Förderung eines demokratischen und friedlichen Miteinanders in der Stadt Bernau sehr gut zu unserer Arbeit in der Stadt und zum Humanismus passt.