Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin

Sensibilisieren, vernetzen, Mut machen, Demokratie stärken

Protest gegen eines Neonazi-Aufmarsch im Herbst 2020
Protest gegen eines Neonazi-Aufmarsch im Herbst 2020

Beitragsbild: Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin

Seit 2016 gibt es in der Hauptstadt das Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin. Getragen wird es von Berliner Wohlfahrts- und Sozialverbänden, Gewerkschaften, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, Verbänden und Vereinen – auch der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg gehört dazu. Zu den Zielen des Bündnisses gehört es, fremdenfeindlichen, rassistischen, und totalitären Ideologien entgegentreten und für ein weltoffenes und tolerantes Miteinander einzustehen. Wir haben mit dem Leiter der Geschäftsstelle, Jens Mätschke-Gabel, gesprochen.

Herr Mätschke-Gabel, Sie leiten die Geschäftsstelle des Bündnisses für ein weltoffenes und tolerantes Berlin. Was waren die Gründe dafür, dass das Bündnis ins Leben gerufen wurde?

Zum einen gab es den Wunsch, die inter­ne Orga­ni­sa­ti­on zu ver­bes­sern. Denn Akteu­re wie die Kir­chen, Gewerk­schaf­ten und Wohl­fahrts­ver­bän­de haben schon vor der Bünd­nis­grün­dung immer wie­der punk­tu­ell zusam­men­ge­ar­bei­tet, zum Bei­spiel bei Pro­tes­ten gegen Neo­na­zi­auf­mär­sche oder im Rah­men von Demo­kra­tie­fes­ten. Oft waren das aber „Hau­ruck­ak­tio­nen“. Die Idee war also, eine zen­tra­le Struk­tur für die Koor­di­nie­rung und Pla­nung zu schaf­fen, um die Zusam­men­ar­beit zu ver­ste­ti­gen und sich gegen­sei­tig zu unter­stüt­zen. Auf der ande­ren Sei­te war es so, dass gera­de in den Jah­ren vor der Bünd­nis­grün­dung grö­ße­re Neo­na­zi­auf­mär­sche in Ber­lin statt­fan­den – und es gab den star­ken Wunsch, dem etwas ent­ge­gen­zu­set­zen und ein star­kes Bild nach außen zu ver­mit­teln, dass Ber­lin welt­of­fen und tole­rant ist.

Bünd­nis für ein welt­of­fe­nes und tole­ran­tes Ber­lin

Das Bünd­nis wur­de im Novem­ber 2016 gegrün­det udn hat aktuall 23 Mit­glie­der, dar­un­ter der HVD Ber­lin-Bran­den­burg, die die Geschäfts­stel­le über ihre Mit­glieds­bei­trä­ge finan­zie­ren.

Mehr infos unter berlin-weltoffen.de

Spielte auch die verstärkte Hetze und Mobilisierung gegen Geflüchtete nach 2015 eine Rolle?

Ja, ich den­ke, das war auch ein ganz wich­ti­ger Punkt. Eben die­ses Bild nach außen zu trans­por­tie­ren: Es gibt sehr, sehr vie­le Men­schen und Orga­ni­sa­tio­nen, die sich für geflüch­te­te Men­schen enga­gie­ren

Wie wird das erreicht?

Das hat ver­schie­de­ne Facet­ten. Das eine ist in der Öffent­lich­keit Stel­lung zu bezie­hen, also ganz klar und deut­lich auf­zu­tre­ten gegen Ras­sis­mus und gegen Gewalt, sei es über Kam­pa­gnen oder State­ments. Eine zwei­te Eben ist die Mobi­li­sie­rung neu­er Ziel­grup­pen. Zum Bei­spiel orga­ni­sie­ren wir bei Gegen­ver­an­stal­tun­gen zu einem Neo­na­zi­auf­marsch fami­li­en­freund­li­che­re Kund­ge­bun­gen und errei­chen und akti­vie­ren so Men­schen, die bis­her weni­ger ange­spro­chen wur­den. Und das klappt auch ganz gut. Und die drit­te Ebe­ne ist die Stär­kung der Ber­li­ner Zivil­ge­sell­schaft ins­ge­samt. Wir sind ver­netzt mit ver­schie­de­nen zivil­ge­sell­schaft­li­chen Akteu­ren und da ergänzt sich unser Ange­bot mit den bestehen­den. Und ein wei­te­rer Aspekt ist, dass unse­re Mit­glie­der eben auch gro­ße Ver­bän­de und Orga­ni­sa­tio­nen sind – und deren Enga­ge­ment bei uns, deren kla­res Auf­tre­ten bei uns, wie­der­um eine Innen­wir­kung in die­se Mit­glieds­or­ga­ni­sa­tio­nen hin­ein erzeugt.

Es gibt also neben der Außenwirkung auch eine Innenwirkung?

Ja, das sind zwei Din­ge, die sich ergän­zen. Mein Emp­fin­den ist, dass lang­fris­tig die größ­te Wir­kung bei den ein­zel­nen Men­schen liegt. Wenn sie sich sen­si­bi­li­sie­ren, zum Bei­spiel zu Ver­schwö­rungs­my­then, wenn sie mehr Hin­ter­grund­wis­sen erhal­ten, wie sie agie­ren, argu­men­tie­ren und auch han­deln kön­nen, befä­higt das die­se Leu­te wie­der dazu, in ihren Orga­ni­sa­tio­nen Din­ge zu ver­än­dern. Ich den­ke, dass die­ser Aus­tausch, die Sen­si­bi­li­sie­rung, die Fort­bil­dun­gen, das gegen­sei­ti­ge Mut machen, einen Unter­schied macht. Und das kann das Bünd­nis leis­ten und tut es auch schon.

Bild: Bünd­nis für ein welt­of­fe­nes und tole­ran­tes Ber­lin

Jens Mätsch­ke-Gabel (*1975) ist Dipl.-Informatiker und staat­lich aner­kann­ter Sozi­al­ar­bei­ter. Er ist Demo­kra­tie- und Anti­ras­sis­mus-Trai­ner und lei­tet seit 2017 die Geschäfts­stel­le des Bünd­nis­ses für ein welt­of­fe­nes und tole­ran­tes Ber­lin.

Sie bemühen sich im Bündnis eine Vielfalt abzubilden. Wie läuft denn die Zusammenarbeit mit diesen auch teils sehr unterschiedlichen Bündnispartnern?

Ich glau­be, da haben wir in den ver­gan­ge­nen fünf Jah­ren einen sehr span­nen­den Pro­zess erlebt. Denn alle Bünd­nis­part­ner eint das gro­ße Ziel, gegen Ras­sis­mus, für mehr Mit­mensch­lich­keit, für Welt­of­fen­heit ein­zu­tre­ten. Wenn wir uns aber die Mit­glieds­or­ga­ni­sa­tio­nen anschau­en, dann hat die Katho­li­sche Kir­che für die­se Zie­le eine ganz ande­re Begrün­dung als der Huma­nis­ti­sche Ver­band (Anm. d. Red.: gemeint ist der HVD Ber­lin-Bran­den­burg KdöR) und wie­der ganz anders begrün­det das der Tür­ki­sche Bund. Am Anfang war das durch­aus span­nungs­ge­la­den. Es ist auch kein Geheim­nis, dass der Huma­nis­ti­sche Ver­band gegen­über den christ­li­chen Kir­chen – ich wür­de es mal lie­be­voll for­mu­lie­ren – hin und wie­der klei­ne Pro­vo­ka­tio­nen in den sozia­len Medi­en ver­öf­fent­licht. Aber es ist uns wirk­lich gelun­gen, mitt­ler­wei­le eine sehr ver­trau­te Zusam­men­ar­beit zu eta­blie­ren.

Und wie ist das gelungen?

Dadurch, dass die Men­schen sich ken­nen­ge­lernt haben und regel­mä­ßig mit­ein­an­der arbei­ten; dadurch, dass wir gemein­sa­me Aktio­nen orga­ni­siert und durch­ge­führt haben. Natür­lich gibt es auch immer wie­der mal Span­nun­gen, wenn es um Ziel­rich­tun­gen geht. Aber es gibt nun eine Basis an Ver­trau­en und Wohl­wol­len und inzwi­schen ist das, wie ich fin­de, ein wun­der­schö­nes gemein­sa­mes Arbei­ten. Ein Bei­spiel dazu: Vor ein paar Jah­ren gab es im Ber­li­ner Senat eine Anhö­rung zum The­ma Laden­öff­nungs­zei­ten am Sonn­tag, wo ver­schie­de­ne Akteu­re wie Kir­chen und Gewerk­schaf­ten zu Stel­lung­nah­men gebe­ten wur­den. Und die­se Anhö­rung lief in der Vor­be­rei­tung sehr inten­siv und kon­struk­tiv, weil sich die Akteu­re über das Bünd­nis bereits kann­ten und es damit bereits die­ses Ver­trau­en schon gab. Sobald Men­schen sich ken­nen, regel­mä­ßig und erfolg­reich über einen län­ge­ren Zeit­raum mit­ein­an­der zusam­men­ar­bei­ten, ver­än­dert das unter­ein­an­der das gan­ze Gefühl. Es gibt von den Mit­glieds­or­ga­ni­sa­tio­nen immer mal wie­der unter­schied­li­che Wün­sche, die viel­leicht nicht für alle den glei­chen Stel­len­wert haben, aber wir ver­su­chen, auch das zusam­men­zu­brin­gen.

Danke für das Interview!

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