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Was wünschen sich junge Menschen von der Politik?

„Politik muss schneller und leichter nachvollziehbar werden“

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Mikrofon

Beitragsbild: Jon Tyson/ Unsplash

Wie informieren sich junge Menschen zum politischen Geschehen? Wie fühlen Sie sich von der Politik vertreten? Welche Probleme werden ihrer Ansicht nach zu wenig angegangen? Welche Teilhabe- und Mitgestaltungsmöglichkeiten wünschen sie sich und wie bringen sie sich selbst bisher ein? Wir haben junge Menschen zwischen 14 und 25 Jahren dazu befragt. Hier sind ihre Antworten.

Mit­ar­beit: Anna Ran­ne­berg

Bennett Fischer (18) aus Eichwalde

Über das poli­ti­sche Gesche­hen infor­mie­re ich mich vor allem im Netz und auch durch die Nach­rich­ten-Pod­casts von Tages­chau und dem RBB. Aber von der momen­ta­nen Poli­tik füh­le ich mich nicht wirk­lich ver­tre­ten. The­men, die hier beson­ders auf­fal­len, sind die Kli­ma- und Bil­dungs­po­li­tik, da zum Bei­spiel das Abitur in Bran­den­burg bedeu­tend weni­ger wert ist als das in Bay­ern, oder dass der Koh­le­aus­stieg immer wei­ter nach hin­ten ver­scho­ben wer­den soll. Die Unter­schie­de zwi­schen den Schul­ab­schlüs­sen in den ver­schie­de­nen Bun­des­län­dern soll­ten mini­miert wer­den oder am bes­ten gar nicht mehr vor­han­den sein und für jede Per­son soll­ten die glei­che Chan­cen bestehen, alle Schu­len besu­chen zu kön­nen. Außer­dem soll­te sich in der Kli­ma­po­li­tik eini­ges tun. Der Koh­le­aus­stieg soll­te schnellst­mög­lich von­stat­ten­ge­hen und eine Kli­ma­neu­tra­li­tät so schnell wie mög­lich erreicht wer­den.

Einer der wich­tigs­ten Aspek­te, um poli­ti­sche Teil­ha­be bei jün­ge­ren Gene­ra­tio­nen zu erhö­hen, ist mei­ner Mei­nung nach das Her­ab­set­zen des Wahl­al­ters auf 16 für alle Wah­len in Deutsch­land, um zum einen das Inter­es­se für Poli­tik even­tu­ell frü­her her­vor­zu­ru­fen und der Jugend all­ge­mein frü­her eine Stim­me zu geben. Ich selbst betei­li­ge mich am poli­ti­schen Gesche­hen unter ande­rem durch Demos, das Kin­der- und Jugend­par­la­ment in mei­nem Hei­mat­ort und über ver­schie­de­ne Podi­ums­dis­kus­sio­nen.

Kiara (15 Jahre) aus Hessen

Zum aktu­el­len poli­ti­schen Gesche­hen infor­mie­re ich mich über das Inter­net. Von der aktu­el­len Poli­tik füh­le ich mich nicht wirk­lich ver­tre­ten, da die Leu­te, die dort etwas zu sagen haben, nicht auf die Inter­es­sen und Argu­men­te der Jün­ge­ren ein­ge­hen. Der Kli­ma­wan­del soll­te defi­ni­tiv von poli­ti­schen Entscheidungsträger:innen erns­ter genom­men wer­den. Ich selbst gestal­te poli­ti­sche Teil­ha­be über Peti­tio­nen und Demos. Für eine bes­se­re poli­ti­sche Mit­ge­stal­tung wün­sche ich mir, dass unse­re Stim­men mehr ange­hört wer­den.

Karl Weiland (18) aus Groß-Zimmern

Zum aktu­el­len poli­ti­schen Welt­ge­sche­hen infor­mie­re ich mich mit Hil­fe des Inter­nets und über sozia­le Medi­en (Insta­gram und You­Tube). Ich füh­le mich von der aktu­el­len Poli­tik eigent­lich ganz gut ver­tre­ten, weil ich den­ke, dass ich das nicht bes­ser könn­te. „Eigent­lich“ steht da, weil man zum Bei­spiel bei Coro­na gese­hen hat, dass es noch Schwä­chen und Luft nach oben gibt. Ich fin­de, dass das The­ma Umwelt in der Poli­tik noch immer zu kurz kommt. Es steht zwar mitt­ler­wei­le zur Debat­te, aber für die eigent­li­chen Pro­ble­me gibt es noch immer kei­ne Lösungs­we­ge. Schlimm ist zum Bei­spiel, dass Leu­te Poli­tik machen, die von den Fol­gen des Kli­ma­wan­dels nichts mehr mit­be­kom­men wer­den und dann lei­der häu­fig den Weg wäh­len, der güns­ti­ger ist, wodurch die Steu­ern gerin­ger blei­ben und die Wäh­ler­schaft glück­lich, aber die Umwelt mehr geschä­digt wird. Ich wün­sche mir des­we­gen, dass in der poli­ti­schen Mit­ge­stal­tung die Jugend mehr zu sagen hät­te und auch mehr ange­hört wer­den wür­de. Ich selbst enga­gie­re mich bei Fri­days For Future und ver­su­che mich so immer wie­der auch poli­tisch zu betei­li­gen.

Lena Heinisch (20) aus Königs Wusterhausen/Berlin

Wenn es dar­um geht, mich poli­tisch zu infor­mie­ren, könn­te man sagen, dass ich das 21. Jahr­hun­dert noch nicht erreicht habe. Am liebs­ten gucke ich Tages­schau und lese Zei­tung. Seit neus­tem höre ich am Mor­gen auch ger­ne Pod­casts und über aktu­el­le poli­ti­sche Gescheh­nis­se hal­ten mich mei­ne Nach­rich­ten-Apps auf dem Lau­fen­den. Momen­tan habe ich dabei immer öfter das Gefühl, poli­tisch nicht gut ver­tre­ten zu sein. Zu viel Zeit wird für Macht­fra­gen ver­schwen­det, zu vie­le Zie­le durch Lob­by­ar­beit nicht erreicht. Ich hof­fe, dass künf­ti­ge poli­ti­sche Entscheidungsträger:innen auf euro­päi­scher und natio­na­ler Ebe­ne den gro­ßen Auf­ga­ben unse­rer Zeit – wie Kli­ma­schutz oder Digi­ta­li­sie­rung – ambi­tio­niert ent­ge­gen­tre­ten. Doch wirk­lich ver­tre­ten wer­den wir uns wahr­schein­lich erst füh­len, wenn die demo­kra­tisch legi­ti­mier­ten Repräsentant:innen auch anfan­gen, unse­re Gesell­schaft wider­zu­spie­geln. Das bedeu­tet: mehr Frau­en, mehr PoC und mehr jun­ge Men­schen in den Par­la­men­ten.

Die Ent­wick­lun­gen, wel­che unse­re Gesell­schaft kon­fron­tie­ren, füh­ren mehr oder weni­ger zum sel­ben Pro­blem: Ein Teil der Gesell­schaft fühlt sich abge­hängt, ver­nach­läs­sigt oder iso­liert. Ich wün­sche mir, dass die Poli­tik einen Dis­kurs fin­det, in dem vor gro­ßen Fra­gen nicht zurück­ge­schreckt wird und in dem die Sor­gen aller Bevöl­ke­rungs­tei­le berück­sich­tigt wer­den. Wie gestal­ten wir eine sozi­al­ge­rech­te Kli­ma­po­li­tik? Wel­che Visio­nen haben wir, wenn nun der Libe­ra­lis­mus an sei­ne Gren­zen stößt? Und wie kön­nen wir unse­re Daten umfang­reich schüt­zen, um in den Augen der Tech-Gigan­ten vom blo­ßen Daten­spen­den­den wie­der zum:zur Nutzer:in und Kund:in zu wer­den?

Einen Zugang zur poli­ti­schen Teil­ha­be hal­te ich für grund­le­gend, um Lösun­gen für die poli­ti­schen Pro­ble­me unse­rer Zeit zu fin­den und der Spal­tung unse­rer Gesell­schaft ent­ge­gen­zu­wir­ken. Men­schen aus allen Tei­len der Gesell­schaft müs­sen wie­der einen gemein­sa­men Dis­kurs füh­ren, gemein­sa­me Zie­le fin­den. Der Zugang zur poli­ti­schen Teil­ha­be soll­te daher erleich­tert wer­den. Dazu darf Poli­tik nicht abschre­ckend wir­ken. Es muss nicht immer gleich um die ganz gro­ßen Fra­gen gehen. Keine:r darf Angst haben, sei­ne Mei­nung zu äußern. Es ist Auf­ga­be des Staa­tes, die nöti­gen Räu­me und die nöti­ge Unter­stüt­zung dafür zunächst auf kom­mu­na­ler Ebe­ne zu eta­blie­ren, bei­spiels­wei­se durch einen Bürger:innen-Haushalt. Per­sön­lich neh­me ich beson­ders durch Par­tei­ar­beit am poli­ti­schen Dis­kurs teil. Ich enga­gie­re mich in mei­nem Orts­ver­ein, beson­ders an der Hoch­schul­grup­pe mei­ner Uni­ver­si­tät. Hier sit­ze ich eben­falls im Stu­die­ren­den­par­la­ment. Es gibt genug Mög­lich­kei­ten, sich poli­tisch und gesell­schaft­lich zu enga­gie­ren, nur sind die Zugän­ge oft nicht leicht zu fin­den. Wenn man sie gefun­den hat, ist es jedoch immer eine Berei­che­rung.

Niklas (14) aus Hessen

Ich infor­mie­re mich sehr wenig zum The­ma Poli­tik. An Demos oder so neh­me ich nicht teil und beschäf­ti­ge mich auch sonst eher weni­ger mit Poli­tik. Als jetzt die Wah­len waren, hat­te ich mich ein biss­chen infor­miert und sonst im PoWi-Unter­richt. Von den poli­ti­schen Entscheidungsträger*innen soll­te drin­gend ange­gan­gen wer­den, dass man­che Schu­len schon auf dem moderns­ten Stand sind und ande­re zum Bei­spiel in man­chen Räu­men nicht mal ordent­li­che Tafeln haben. Mehr Mit­ge­stal­tung für jun­ge Men­schen? Durch das Her­un­ter­stu­fen des Wahl­rechts auf 16 Jah­re.

Joris (18) aus Neu-Isenburg

Ich infor­mie­re mich vor allem über die Tages­schau-App. Von der Poli­tik füh­le ich mich im Moment ganz okay ver­tre­ten, fin­de aber, dass Umwelt­schutz noch zu wenig the­ma­ti­siert wird. Der Koh­le­aus­stieg soll­te unbe­dingt beschleu­nigt wer­den. Ich fin­de, dass die aktu­el­len Mög­lich­kei­ten zur poli­ti­schen Teil­ha­be bzw. Mit­ge­stal­tung ziem­lich gut sind. Ich gehe wäh­len und ver­traue dar­auf, dass die von mir gewähl­te Par­tei Per­son mei­ne Mei­nung ver­tritt.

Martha Amenita Riester (21) aus Berlin

Ich infor­mie­re mich über Poli­tik der­zeit viel über das Radio. Gele­gent­lich gucke ich Nach­rich­ten von ARD oder ZDF und dar­über hin­aus dis­ku­tie­re und spre­che ich oft mit Freun­den und Bekann­ten über Poli­tik, um mein Blick­feld zu erwei­tern. Von der bis­he­ri­gen Poli­tik, der Gro­Ko, fühl­te ich mich nur mini­mal ver­tre­ten. Als ers­tes ist ihnen anschei­nend das Leben der jün­ge­ren Gene­ra­tio­nen nicht sehr wich­tig, was sich für mich aus ihrer Kli­ma- und Zukunfts­po­li­tik able­sen lässt. Zum zwei­ten bin ich als Trans*Mensch ihnen nicht wich­tig genug, um mei­ne Rech­te zu ver­tre­ten. So stimm­te die Gro­Ko gegen einen neu­en Geset­zes­text, der die Rech­te von Trans*Menschen ver­bes­sern und ihnen auf ihrem Weg der Tran­si­ti­on hel­fen soll­te.

Das größ­te Pro­blem, das ich der­zeit sehe, ist der durch Men­schen ver­ur­sach­te Kli­ma­wan­del. Auch wenn die­ses The­ma immer wei­ter in den Mit­tel­punkt rückt, so ist es den­noch viel zu wenig beach­tet von der bis­he­ri­gen Regie­rung und es lässt sich nur hof­fen, dass sich mit einer neu­en Regie­rung eini­ges zum Posi­ti­ven ändert. In die­sem Punkt muss drin­gend ein radi­ka­ler Kurs­wech­sel her, um noch etwas zu ändern.

Um die Teil­ha­be an Poli­tik und Demo­kra­tie zu erhö­hen, müss­te, den­ke ich, eini­ges getan wer­den. Zum einen füh­len sich vie­le macht­los, wenn sie nur alle vier Jah­re ihre Stim­me abge­ben kön­nen und sich dann ja doch kaum etwas ver­än­dert. Poli­tik muss schnel­ler und leich­ter nach­voll­zieh­bar wer­den. Für den größ­ten Teil der Bevöl­ke­rung in Deutsch­land ist Poli­tik nicht nach­voll­zieh­bar und so ver­lie­ren Men­schen das Inter­es­se dar­an. Zum ande­ren braucht es gene­rell mehr Auf­klä­rung und Wis­sen. Nur wer infor­miert ist, kann eine mün­di­ge, selbst­be­stimm­te Ent­schei­dung tref­fen, die nicht von (Rechts-)Populismus und Pro­pa­gan­da beein­flusst und mani­pu­liert ist.

Ich per­sön­lich enga­gie­re mich bei den Jun­gen Huma­nis­tin­nen (JuHu), um am poli­ti­schen Gesche­hen teil­zu­ha­ben. Wir gehen zusam­men auf Demos, enga­gie­ren uns in diver­sen Gre­mi­en und Bünd­nis­sen. Dort habe ich einen Raum, wo ich mit ande­ren welt­of­fe­nen und poli­ti­schen jun­gen Men­schen reden, dis­ku­tie­ren und mich aus­tau­schen kann, einen Raum zum Ler­nen und Leh­ren mit Gleich­ge­sinn­ten. Bei den JuHus erle­be ich, wie Mit­ge­stal­tung, Selbst­ver­wal­tung, Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on, Selbst­er­mäch­ti­gung und auch Demo­kra­tie aus­se­hen kann.

Mira (19) und Armin (25) aus Nürnberg

Wir infor­mie­ren uns über die sozia­len Medi­en und den ein oder ande­ren Fach­ar­ti­kel. Wich­tig sind hier­bei natür­lich die öffent­lich-recht­li­chen Medi­en. Nach dem Wahl­er­geb­nis ist für uns deut­lich gewor­den, dass die kom­men­de Regie­rung nicht best­mög­lich auf die Anfor­de­run­gen jun­ger Men­schen reagie­ren kön­nen wird. Die The­men­fel­der sozia­le Gerech­tig­keit, Kli­ma­kri­se, Digi­ta­li­sie­rung und euro­päi­sche Außen­po­li­tik wer­den die kom­men­de Regie­rung vor Her­aus­for­de­run­gen stel­len und mut­maß­lich nicht aus­rei­chend vor­an­ge­bracht wer­den. Eine zuneh­men­de Ver­jün­gung und Diver­si­tät der poli­ti­schen Orga­ne wäre äußerst wün­schens­wert. Wir selbst nut­zen Mög­lich­kei­ten zu Mit­ge­stal­tung und Teil­ha­be, indem wir jede Demo mit­neh­men. Und wir enga­gie­ren uns in diver­sen Ver­ei­nen wie zum Bei­spiel Bun­des­JuHu (BuJuHu).

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