Zur internationalen Situation reproduktiver Rechte

Aktionstag für sexuelle Selbstbestimmung: „Entscheidungen frei von Stigmatisierung, Zwang oder Diskriminierung“

Am 21. September 2019 fand in Berlin zum achten Mal der Aktionstag für sexuelle Selbstbestimmung statt, in diesem Jahr unter dem Motto Leben und Lieben ohne Bevormundung. Tausende gingen in Berlin gegen konservative, fundamentalistische und rechtsextreme Kräfte auf die Straße. Bei der Kundgebung des Aktionstages kamen Menschen zu Wort, deren Rechte und Lebensweisen durch die Anti-Choice-Bewegung eingeschränkt und gefährdet werden. Zur internationalen Situation reproduktiver Rechte sprach unter anderem Adriana Lamačková für das Center for Reproductive Rights. Der Wortlaut ihrer Rede ist hier dokumentiert.

Es ist mir eine gro­ße Ehre, heu­te hier zu sein. Das Cen­ter for Repro­duc­ti­ve Rights möch­te sei­ne Soli­da­ri­tät mit den Men­schen und Orga­ni­sa­tio­nen in Deutsch­land zum Aus­druck brin­gen, die die Regie­rung dazu auf­for­dern, sexu­el­le und repro­duk­ti­ve Rech­te und Gerech­tig­keit für alle zu garan­tie­ren.

Sexu­el­le und repro­duk­ti­ve Rech­te sind grund­le­gen­de Men­schen­rech­te. Die euro­päi­schen Regie­run­gen müs­sen sicher­stel­len, dass jede*r die­se Rech­te unein­ge­schränkt aus­üben kann. Wir wol­len eine Welt schaf­fen, in der jeder Mensch frei ent­schei­den kann, ob und wann er Kin­der bekommt, in der jede*r Zugang zu einer qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen repro­duk­ti­ven Gesund­heits­ver­sor­gung hat und in der jeder Mensch die­se Ent­schei­dun­gen frei von Stig­ma­ti­sie­rung, Zwang oder Dis­kri­mi­nie­rung tref­fen kann.

In unse­rer Arbeit erle­ben wir täg­lich, wel­chen schwe­ren Scha­den Geset­ze, die die Ent­schei­dungs­fin­dung in der Schwan­ger­schaft ein­schrän­ken, der Gesund­heit und dem Leben der Men­schen zufü­gen kön­nen. Gleich­zei­tig sind wir auch Zeug*innen, wel­che trans­for­ma­ti­ven sozia­len Aus­wir­kun­gen fort­schritt­li­che und libe­ra­li­sie­ren­de Geset­ze bereits gebracht haben.

Seit mehr als 60 Jah­ren führt Euro­pa den glo­ba­len Trend zur Libe­ra­li­sie­rung der Abtrei­bungs­ge­set­ze an. Von 47 euro­päi­schen Län­dern haben 41 eine Lega­li­sie­rung von Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen durch­ge­setzt. Und die­ser Trend zur Libe­ra­li­sie­rung setzt sich fort. In den letz­ten zwei Jah­ren haben meh­re­re euro­päi­sche Län­der wich­ti­ge Libe­ra­li­sie­rungs­re­for­men beschlos­sen, die die sexu­el­le und repro­duk­ti­ve Auto­no­mie und Selbst­be­stim­mung der Men­schen för­dern.

Dazu gehört Bel­gi­en, das sein Abtrei­bungs­ge­setz im ver­gan­ge­nen Jahr refor­miert hat: Es hat die ent­spre­chen­de Rege­lung zum Schwan­ger­schafts­ab­bruch aus sei­nem Straf­ge­setz­buch gestri­chen und es hat für die Ent­kri­mi­na­li­sie­rung der Wer­bung bezie­hungs­wei­se der öffent­li­chen Ver­brei­tung von evi­denz­ba­sier­ten Infor­ma­tio­nen zu Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen gesorgt.

Anfang die­ses Jah­res ist Island dem Antrag gefolgt, Schwan­ger­schafts­ab­brü­che bis zur 22. Schwan­ger­schafts­wo­che zu lega­li­sie­ren. Und Nord­ma­ze­do­ni­en hat die Ver­pflich­tung einer drei­tä­gi­gen War­te­zeit vor einem Schwan­ger­schafts­ab­bruch sowie ein­sei­ti­ge Bera­tungs­pflich­ten aus sei­nem Gesetz gestri­chen.

Gleich­zei­tig ist uns bewusst, dass Kräf­te, die sich gegen sexu­el­le und repro­duk­ti­ve Rech­te stel­len, bestrebt sind, einen pro­gres­si­ven Wan­del zu ver­hin­dern. Sie wol­len uns zurück­drän­gen. Sie wol­len die Uhr zurück­dre­hen und den Men­schen die Mög­lich­keit neh­men, selbst­stän­dig Ent­schei­dun­gen über ihre Schwan­ger­schaft und über ihr Leben zu tref­fen.

So sind bei­spiels­wei­se in der Slo­wa­kei, mei­nem Hei­mat­land, der­zeit vier restrik­ti­ve Abtrei­bungs­ge­set­ze im Par­la­ment anhän­gig. Zwei davon haben das Ziel, die Frist für Schwan­ger­schafts­ab­brü­che auf sie­ben bezie­hungs­wei­se acht Wochen zu ver­kür­zen. Dies wür­de den Zugang zu Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen prak­tisch unmög­lich machen. Einer der Anträ­ge zielt dar­auf, Schwan­ger­schafts­ab­brü­che ganz zu ver­bie­ten. Ein wei­te­res Ziel ist es, Patient*innen mit medi­zi­nisch unge­nau­en und vor­ein­ge­nom­me­nen Infor­ma­tio­nen bezüg­lich eines Schwan­ger­schafts­ab­bruchs zu ver­sor­gen.

Wir müs­sen zusam­men­ar­bei­ten, um gegen die­se Art von Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen stand­zu­hal­ten. Wir dür­fen nicht zulas­sen, dass sich die Agen­den durch­set­zen, die sich gegen die Rech­te und die Gleich­heit von Men­schen wen­den. Wir müs­sen unse­re Regie­run­gen zur Ver­ant­wor­tung zie­hen und sie auf­for­dern, sexu­el­le und repro­duk­ti­ve Rech­te zu schüt­zen und Schwan­ger­schafts­ab­bruch zu einem inte­grier­ten legi­ti­men Bestand­teil der repro­duk­ti­ven Gesund­heits­ver­sor­gung zu machen.

Wir müs­sen zusam­men­ar­bei­ten, um sicher­zu­stel­len, dass jede*r in unse­ren Gesell­schaf­ten die eige­nen sexu­el­len und repro­duk­ti­ven Rech­te und die eige­ne Auto­no­mie frei von Stig­ma­ti­sie­rung, Zwang und Dis­kri­mi­nie­rung aus­üben kann.

Vie­len Dank!

Das Cen­ter for Repro­duc­ti­ve Rights ist eine inter­na­tio­na­le Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on, die die Kraft des Geset­zes nutzt, um repro­duk­ti­ve Rech­te als grund­le­gen­de Men­schen­rech­te auf der gan­zen Welt zu för­dern. Das Zen­trum arbei­tet mit loka­len und inter­na­tio­na­len Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen in Afri­ka, Asi­en, Euro­pa, Latein­ame­ri­ka und den Ver­ei­nig­ten Staa­ten zusam­men. Dabei geht es um ein brei­tes Spek­trum an Fra­gen der repro­duk­ti­ven Rech­te, ein­schließ­lich des Zugangs zu Schwan­ger­schafts­ab­bruch, Ver­hü­tung und Mut­ter­schafts­für­sor­ge. Das Cen­ter setzt sich zudem für die Been­di­gung von Zwangs­ste­ri­li­sa­ti­on und Kin­der­ehe ein.

Mehr Infor­ma­tio­nen unter: https://reproductiverights.org

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