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Transphobie

Transphobe Fiktion: Gefängnis als Schutzraum

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Beitragsbild: Valentino Vecchietti | CC0 1.0 Universal

Dem Mythos, dass trans* Frauen weibliche Schutzräume gefährden würden, entgegenzutreten, ist die Aufgabe eines emanzipativen Feminismus, der sich für die Gleichberechtigung aller Menschen in allen Bereichen der Gesellschaft einsetzt.

Gefäng­nis­se sind Orte der Gewalt. Im Schnitt wird ein Vier­tel der Insass*innen in deut­schen Gefäng­nis­sen inner­halb von vier Wochen Opfer von phy­si­scher Gewalt; im Jugend­straf­voll­zug sind es fast dop­pelt so vie­le.1 Gefan­ge­ne berich­ten von kör­per­li­chen und sexu­el­len Über­grif­fen in Gemein­schafts­zel­len, Duschen und Sport­räu­men; die meis­ten Opfer erstat­ten kei­ne Anzei­ge. Die Sta­tis­tik zeigt kei­nen signi­fi­kan­ten Unter­schied in der Anzahl der Fäl­le zwi­schen Män­ner- und Frau­en­ge­fäng­nis­sen, doch die Täter sind bei sexu­el­len Über­grif­fen und Ver­ge­wal­ti­gun­gen fast immer männ­lich. Nach Anga­ben der Orga­ni­sa­ti­on Just Detenti­on Inter­na­tio­nal sind in Frau­en­ge­fäng­nis­sen die Täter fast aus­schließ­lich Wär­ter oder ande­re männ­li­che Ange­hö­ri­ge des Gefäng­nis­per­so­nals – was dazu führt, dass die Fäl­le noch sel­te­ner ange­zeigt wer­den.

„Hor­ror­vor­stel­lung […]: Ein Mann kann als ver­meint­li­che Trans­frau in Schutz­räu­me von Frau­en ein­drin­gen„2, kom­men­tier­te der Stern anläss­lich der Inhaf­tie­rung von trans* Frau Isla Bry­son in Schott­land. Bry­son sitzt nach einer gro­ßen Wel­le öffent­li­cher und auch inter­na­tio­na­ler Pro­tes­te ihre Haft­stra­fe jetzt in einem Män­ner­ge­fäng­nis ab – zum Schutz inhaf­tier­ter Frau­en*. Ange­sichts der Rea­li­tät von Gewalt und Ver­ge­wal­ti­gun­gen in Gefäng­nis­sen stellt sich die Fra­ge, wes­sen Hor­ror­vor­stel­lung es ist, die die­se Debat­te anheizt. Das Glei­che gilt für öffent­li­che Toi­let­ten und Sport­um­klei­den: Seit der Ankün­di­gung des neu­en Selbst­be­stim­mungs­ge­set­zes wird gemahnt, dass trans* Frau­en die Sicher­heit die­ser Orte gefähr­den wür­den – und auch hier gibt es je nach Stand­ort teil­wei­se alar­mie­rend hohe Zah­len von Über­grif­fen auf Frau­en*, Män­ner* und Kin­der, wobei die männ­li­chen Täter sich bis­lang ganz ohne Selbst­be­stim­mungs­ge­setz Zugang ver­schaf­fen, indem sie Tür­klin­ken bedie­nen.

Gefäng­nis­se, öffent­li­che Toi­let­ten und Umklei­de­räu­me sind kei­ne vom Femi­nis­mus erkämpf­ten Schutz­räu­me, son­dern fol­gen der bür­ger­lich-patri­ar­cha­len Vor­stel­lung, nach wel­cher Män­ner die mora­li­sche Inte­gri­tät ihrer Ehe­frau­en und Töch­ter schüt­zen müs­sen – und dabei auch deren Sexua­li­tät kon­trol­lie­ren. Im Gegen­teil: Dass Sport­an­la­gen heu­te allen Geschlech­tern offen ste­hen, ist eine Errun­gen­schaft des Femi­nis­mus. Das Gesetz zur Geschlech­ter­tren­nung beim Baden wur­de in Groß­bri­tan­ni­en 1901 auf­ge­ho­ben, doch noch 1959 erwirk­te ein katho­li­scher Pfar­rer im Frei­bad Fri­soy­the getrenn­te Bade­ta­ge für Frau­en und Män­ner. In ech­ten femi­nis­tisch erkämpf­ten Schutz­räu­men wie Frau­en­häu­sern, FLINTA*-Räumen3 an Hoch­schu­len oder der Frau­en­sauna gilt das Haus­recht, d.h. stö­ren­de Per­so­nen – gleich, wel­chen Geschlechts – kön­nen von den Betrei­be­rin­nen* ohne Dis­kus­si­on aus­ge­schlos­sen wer­den. Was steckt also tat­säch­lich dahin­ter, wenn auch Män­ner*, die sich vor­her nie für Femi­nis­mus inter­es­siert haben, plötz­lich das Bedürf­nis haben, cis* Frau­en vor trans* Frau­en zu beschüt­zen?

Trans* Frauen sind Opfer von Gewalt

Bes­se­re Dia­gnos­tik, muti­ges Enga­ge­ment von Betrof­fe­nen, die poli­ti­schen Dis­kus­sio­nen über die Abschaf­fung des Trans­se­xu­el­len­ge­set­zes und die Ein­füh­rung eines Selbst­be­stim­mungs­ge­set­zes haben in den ver­gan­ge­nen Jah­ren zu einer grö­ße­ren Sicht­bar­keit von trans* Per­so­nen geführt, die einer­seits eine brei­te­re Akzep­tanz, aber zugleich auch hef­ti­ge Pro­tes­te, Angst­phan­ta­sien und Gewalt geweckt hat. Man geht davon aus, dass ca. 90% der trans­feind­li­chen Über­grif­fe nicht gemel­det wer­den, da die Betrof­fe­nen Angst vor trans­pho­ben Reak­tio­nen der Poli­zei haben.4 Nach einem Bericht von Trans­gen­der Euro­pe sind 2023 min­des­tens 320 trans* und gen­der­di­ver­se Men­schen welt­weit bei Angrif­fen getö­tet wor­den, wobei die höchs­ten Zah­len aus Län­dern mit einer gut orga­ni­sier­ten LGBTI-Com­mu­ni­ty kom­men, die trans­feind­li­che Über­grif­fe doku­men­tie­ren. Obwohl es ins­ge­samt deut­lich mehr trans* Män­ner gibt5, waren 94% der Opfer trans* Frau­en. Auch in den öffent­li­chen und sozia­len Medi­en begeg­net uns Trans­feind­lich­keit über­wie­gend in For­men, die sich gegen trans* Frau­en rich­tet. Das ist wenig über­ra­schend und kein Zufall, denn in patri­ar­cha­len Gesell­schaf­ten ste­hen sich Män­ner* und Frau­en* nicht gleich­be­rech­tigt gegen­über, son­dern in einem Macht­ge­fäl­le. Und die­se Asym­me­trie ist durch die Exis­tenz von trans* Frau­en offen­bar stär­ker gefähr­det, als durch die von trans* Män­nern. Um den spe­zi­fi­schen Hass gegen trans* Frau­en zu begrei­fen, müs­sen wir also zunächst die Asym­me­trie im sexis­ti­schen Geschlech­ter­ver­hält­nis begrei­fen.

Frauen und Männer6 sind wesentlich verschieden

Dass Frau­en nicht zuhö­ren und Män­ner6 nicht ein­par­ken kön­nen, ist all­ge­mein bekannt. Wir alle (er)kennen sexis­ti­sche Geschlechts­ste­reo­ty­pen und kön­nen aus einer belie­bi­gen Lis­te von Eigen­schaf­ten wie „ehr­gei­zig, lie­be­voll, kämp­fe­risch, zurück­hal­tend“ etc. jede dem jewei­li­gen Geschlechts­cha­rak­ter zuord­nen – wobei wir natür­lich zugleich wis­sen, dass es zahl­rei­che Män­ner und Frau­en mit geschlechts­un­kon­for­men Eigen­schaf­ten gibt. Doch auch wenn es Män­ner mit weib­li­chen und Frau­en mit männ­li­chen Eigen­schaf­ten gibt, bleibt die Zuord­nung erstaun­lich leicht. Über die vor­aus­ge­setz­te Tren­nung in geschlechts­kon­for­me und ‑dis­kon­for­me Eigen­schaf­ten erhält die Dicho­to­mie der Geschlech­ter eine Sta­bi­li­tät, die nicht über das tat­säch­li­che Ver­hal­ten von Men­schen empi­risch zu begrün­den oder zu wider­le­gen ist. Geschlechts­zu­schrei­bung stif­tet Iden­ti­tät. Je nach Iden­ti­tät wird glei­ches Ver­hal­ten ver­schie­den wahr­ge­nom­men. Ein Vater, der voll berufs­tä­tig ist und sich jedes Wochen­en­de Zeit für Unter­neh­mun­gen mit den Kin­dern nimmt, gilt als für­sorg­lich, eine Mut­ter muss sich unter glei­chen Umstän­den immer noch die Fra­ge stel­len (las­sen), ob sie ihre Fami­lie ver­nach­läs­sigt.

Obwohl Frau­en* in den letz­ten hun­dert Jah­ren im gesell­schaft­li­chen Sta­tus deut­lich auf­stei­gen konn­ten – sie dür­fen wäh­len (1919), ein eige­nes Bank­kon­to füh­ren (1958), dür­fen als Abge­ord­ne­te im Deut­schen Bun­des­tag Hosen tra­gen (1970), unab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ehe­man­nes berufs­tä­tig sein (1977) und dür­fen bei Stel­len­aus­schrei­bun­gen nicht aus­ge­schlos­sen wer­den (1994); seit 1980 sol­len sie sogar das glei­che Gehalt für glei­che Arbeit bekom­men, auch wenn die Gen­der-Pay-Gap zeigt, dass wir noch weit von iden­ti­schen Ein­kom­men für Frau­en und Män­ner ent­fernt sind – bleibt das Macht­ge­fäl­le, das sich sub­til in die weib­li­che Iden­ti­tät ein­schreibt, indem es an die zuge­schrie­be­nen Eigen­schaf­ten des Geschlechts­cha­rak­ters geknüpft ist, im Kern bis heu­te bestehen. Denn Frau­en sind und blei­ben Frau­en und Män­ner sind und blei­ben Män­ner, und an der Grund­le­gen­den patri­ar­cha­len Ord­nung haben weder eine ehe­ma­li­ge Bun­des­kanz­le­rin noch 7% männ­li­che Erzie­her in Kin­der­ta­ges­stät­ten etwas geän­dert.

Ein Angriff auf das Gesamtgefüge von Kultur und Gesellschaft

Der Sozio­lo­ge Hel­mut Schelsky beton­te schon in den 1950er Jah­ren die gesell­schafts­sta­bi­li­sie­ren­de Funk­ti­on von Geschlechts­iden­ti­tät: „[Weil] die sozia­le Nor­mie­rung des Geschlechts­ver­hal­tens zu den grund­le­gen­den Kul­tur­leis­tun­gen gehört, wird sie mit Recht in allen Gesell­schaf­ten über die bio­lo­gi­sche Gebun­den­heit hin­aus fixiert und mit allen ver­füg­ba­ren Mit­teln sozia­ler Sank­tio­nie­rung und Tabui­sie­rung geschützt. […] Die Sexu­al­nor­men […] zu erschüt­tern, heißt dann nicht mehr und nicht weni­ger als das Gesamt­ge­fü­ge der Kul­tur angrei­fen.“7 Trans* Per­so­nen selbst haben in der Regel nicht die Absicht, einen poli­ti­schen Angriff auf das Gesamt­sys­tem zu füh­ren; sie wol­len ein­fach als Män­ner* oder Frau­en* wahr‑, an- und ernst­ge­nom­men wer­den. Nicht ihre per­sön­li­che Moti­va­ti­on, son­dern ihre blo­ße Exis­tenz wird jedoch viel­fach als Bedro­hung der fest­ge­füg­ten Struk­tur kul­tu­rel­ler und gesell­schaft­li­cher Ord­nung wahr­ge­nom­men.

Um die­se Ord­nung zu wah­ren, behar­ren Gegner*innen des Selbst­be­stim­mungs­ge­set­zes dar­auf, dass es nur zwei Geschlech­ter gäbe, deren Zuord­nung auf natür­li­cher8 oder reli­giö­ser Grund­la­ge erfolgt und unver­än­der­lich sei. Ent­spre­chend mis­gen­dern sie trans Per­so­nen kon­se­quent (und ver­ste­hen die Kon­zep­te hin­ter nicht­bi­nä­ren Geschlechts­iden­ti­tä­ten so wenig, dass ihnen die Wor­te feh­len). So erschei­nen trans* Män­ner als Frau­en, die lie­ber Män­ner wären, aber halt kei­ne sind, son­dern Frau­en blei­ben. Als sol­che wer­den sie über den weib­li­chen Eigen­schafts­ka­ta­log gele­sen und sind folg­lich unge­fähr­lich. Es geht auch kei­ne sexu­el­le Bedro­hung von ihnen aus, da Frau­en ste­reo­typ als sexu­ell pas­siv gele­sen wer­den. Dar­um gibt es kei­ne an Män­ner* gerich­te­ten War­nun­gen vor trans* Män­nern im Umklei­de­raum. Umge­kehrt erschei­nen trans* Frau­en als Män­ner, die ger­ne Frau­en wären – und zwar nicht zum Spaß oder zum Kar­ne­val (was eine lan­ge patri­ar­cha­le Tra­di­ti­on hat), son­dern ernst­haft. Das bedeu­tet ein gesell­schaft­li­ches Down­gra­ding9, gerin­ge­res Ein­kom­men, einen Abstieg in die Ohn­macht und Abhän­gig­keit, die nach wie vor mit Weib­lich­keit zusam­men­hän­gen. Und wenn das offi­zi­ell mög­lich ist, wenn ein vor­her männ­lich gele­se­ner Mensch zu einer ech­ten Frau wer­den kann, dann ist damit die Fes­tig­keit und Sta­bi­li­tät, die qua Geburt gesi­cher­te Über­le­gen­heit jeder männ­li­chen Iden­ti­tät bedroht. Das Patri­ar­chat, d.h. die Welt, gerät aus den Fugen.

Transphobie ist die psychische Abwehr gegen das Infragestellen der eigenen Identität

Bei Licht betrach­tet, sind all die Ängs­te vor trans* Frau­en in Gefäng­nis­sen, Toi­let­ten, Umklei­den oder der Sau­na irra­tio­nal und durch kei­ne Sta­tis­tik gedeckt. Im Gegen­teil sind die Ängs­te von trans* Frau­en vor die­sen Orten ernst zu neh­men: Dis­kri­mi­nie­run­gen, Pöbe­lei­en, Angrif­fe und Über­grif­fe auf trans* Frau­en sind real. Dar­um mei­den vie­le öffent­li­che Umklei­den und Toi­let­ten. Und den­noch sind irra­tio­na­le Ängs­te vor trans* Frau­en weit ver­brei­tet und ver­wei­sen auf das, was in den Debat­ten nicht gesagt wird – nicht gesagt wer­den kann, denn der Grund die­ser Ängs­te ist ver­mut­lich unbe­wusst. „Gen­der und trans* Per­so­nen ste­hen für ein Ver­ständ­nis von Geschlecht, das als (bedingt) gestalt­bar, ‚mach­bar’, ver­än­der­lich, als gesell­schaft­lich kon­sti­tu­iert gilt”, erklärt die Sozio­lo­gin Vil­la Bras­lavs­ky. Geschlecht wer­de dabei „auch als Dimen­si­on indi­vi­du­el­ler Frei­heit und Selbst­ent­fal­tung ver­stan­den, etwas, das wir an uns gestal­ten kön­nen, viel­leicht sogar müs­sen”. Das, so die Sozio­lo­gin, for­de­re „all jene Ideo­lo­gien her­aus, die um ’natür­li­che Ord­nun­gen’ krei­sen”. In reli­giö­sen Ideo­lo­gien sei es „nicht die Natur, son­dern ein Gott oder ein Pro­phet, der angeb­lich unum­stöß­li­che Wahr­hei­ten zu Geschlecht und zur Ord­nung der Welt fest­legt”.10 Wenn die Geschlechts­iden­ti­tät als natür­lich oder gött­lich gege­ben ange­nom­men wird, dann gilt sie unbe­dingt und ist unver­än­der­lich, sogar unhin­ter­frag­bar. Wird sie den­noch in Fra­ge gestellt, dann erschüt­tert dies das Fun­da­ment aller Geschlechts­iden­ti­tät. Trans­pho­bie ist dann die psy­chi­sche Abwehr dage­gen, dass die Sta­bi­li­tät der eige­nen Geschlechts­iden­ti­tät in Fra­ge gestellt wird.

Der unbe­wuss­te Wunsch nach einer sta­bi­len, unhin­ter­frag­ba­ren Geschlecht­er­ord­nung der Gesell­schaft mani­fes­tiert sich in trans­pho­ben poli­ti­schen For­de­run­gen: „Kei­ne Män­ner ins Frau­en­ge­fäng­nis!“ for­dert eine aktu­el­le online-Peti­ti­on, in der es nicht dar­um geht, Frau­en­ge­fäng­nis­se mit aus­schließ­lich weib­li­chem Per­so­nal zu beset­zen. Statt­des­sen zeich­net der Auf­ruf ein fik­ti­ves Bild vom Frau­en­ge­fäng­nis als „Schutz­raum“, in dem Frau­en vor Über­grif­fen sicher sei­en, bis ein als Frau „getarn­ter“ Mann hier „ein­dringt“ wie der Wolf im Schafs­pelz. Als Auf­hän­ger dient der Fall der Kli­ma­ak­ti­vis­tin Pene­lo­pe Frank, die wegen der Stö­rung des Flug­be­triebs am Ber­li­ner Flug­ha­fen in Haft kam und die in einem Frau­en­ge­fäng­nis unter­ge­bracht wer­den möch­te. Da sie eine trans* Frau ist, die einen Ergän­zungs­aus­weis hat, aber im Per­so­nal­aus­weis noch als männ­lich geführt wird, droht ihr die Unter­brin­gung im Män­ner­ge­fäng­nis. Stu­di­en aus Frank­reich und den USA zei­gen, dass in Män­ner­ge­fäng­nis­sen inhaf­tier­te trans* Frau­en mas­si­ven Dis­kri­mi­nie­run­gen und auch sexu­el­len Über­grif­fen aus­ge­setzt sind, eine spe­zi­el­le medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung meis­tens fehlt und auch die Hor­mon­the­ra­pie nicht fort­ge­führt wer­den kann. Ein Antrag auf Unter­brin­gung im Frau­en­ge­fäng­nis muss oft lang­wie­rig geprüft wer­den – ins­ge­samt sind auch deut­sche Gefäng­nis­se bis­her nicht gut auf die Unter­brin­gung und medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung von trans* Per­so­nen vor­be­rei­tet. Doch hier­über wird in den Medi­en kaum berich­tet. Statt­des­sen eta­bliert sich ein rechts­kon­ser­va­ti­ver „Femi­nis­mus“, wie ihn die AfD ver­tritt: „AfD tritt für den Schutz von Frau­en ein! […] Wir wer­den als Alter­na­ti­ve für Deutsch­land alles tun, um für den Schutz von Frau­en ein­zu­tre­ten – in Gefäng­nis­sen, in öffent­li­chen Toi­let­ten, auf der Stra­ße. Über­all.“11 Wenn es nach der AfD geht, sol­len trans* Frau­en offen­bar grund­sätz­lich Män­ner­toi­let­ten und ‑umklei­den benut­zen und im Fall einer Inhaf­tie­rung in Män­ner­ge­fäng­nis­sen unter­kom­men. Die­se dis­kri­mi­nie­ren­de Miss­ach­tung der Inter­es­sen von trans* Per­so­nen tarnt sich poli­tisch als angeb­li­cher „Schutz von Frau­en vor sexu­el­len Über­grif­fen“ und rich­tet sich daher pri­mär gegen trans* Frau­en. Die­sem Mythos, dass trans* Frau­en weib­li­che Schutz­räu­me gefähr­den wür­den, ent­ge­gen­zu­tre­ten, ist die Auf­ga­be eines eman­zi­pa­ti­ven Femi­nis­mus, der sich für die Gleich­be­rech­ti­gung aller Men­schen in allen Berei­chen der Gesell­schaft ein­setzt.

[1] Vgl. Vik­ti­mi­sie­rungs­er­fah­run­gen im Jus­tiz­voll­zug, Kri­mi­no­lo­gi­sches For­schungs­in­sti­tut Nie­der­sach­sen, For­schungs­be­richt Nr. 119, Bieneck/Pfeiffer 2012.

[2] Der Stern, 26.1.2023.

[3] Das Akro­nym FLINTA* steht für Frau­en, Les­ben, inter, nicht-binä­re, trans und agen­der Per­so­nen. Das Stern­chen (Aste­risk) am Ende soll zusätz­lich wei­te­re Varia­tio­nen der Geschlech­ter­viel­falt ein­be­zie­hen.

[4] Nach Umfra­gen der LSBTIQ*-Dachorganisation ILGA-Euro­pe.

[5] Das Ver­hält­nis trans* Män­ner zu trans* Frau­en ist 1,2 zu 1. (Stan­dards of Care for the Health of Trans­gen­der and Gen­der Diver­se Peo­p­le, Ver­si­on 8. Cole­man, Radix, Bou­man, & et al, 2022)

[6] Als Ste­reo­ty­pen hier ohne Aste­risk, so, wie Gott sie geschaf­fen hat.

[7] Hel­mut Schelsky, Sozio­lo­gie der Sexua­li­tät. Über die Bezie­hun­gen zwi­schen Geschlecht, Moral und Gesell­schaft, Ham­burg Rowohlt 1955, S. 49 f. Zitiert nach Trig­ger­punk­te. Kon­flikt und Kon­sens in der Gegen­warts­ge­sell­schaft. Mau, Lux, Westheu­ser 2023, S. 158.

[8] Hier­bei wird häu­fig dar­auf ver­wie­sen, dass Men­schen sich nur zwei­ge­schlecht­lich fort­pflan­zen. Da es in der gesam­ten Debat­te weder um Fort­pflan­zung noch um Ver­hü­tung geht, son­dern dar­um, dass Her­ren nicht die Damen­toi­let­te benut­zen sol­len, ist schnell deut­lich, dass hier ein natu­ra­lis­ti­scher Fehl­schluss vor­liegt. Allen­falls, dass wir pin­keln müs­sen, liegt in unse­rer bio­lo­gi­schen Natur. Die Exis­tenz von Toi­let­ten sowie ihre kul­tu­rel­len Nut­zungs­for­men sind gesell­schaft­li­che Errun­gen­schaf­ten. Mit der Art oder Funk­ti­ons­fä­hig­keit von Keim­zel­len hat das rein gar nichts zu tun.

[9] Vgl. https://www.emma.de/artikel/etwas-war-merkwurdig-falsch-mit-meiner-position-der-geschlechterwelt-335765

[10] https://www.tagesschau.de/faktenfinder/kontext/transfeindlichkeit-101.html

[11] https://martina-jost.de/tabu-transsexuelle-schwerverbrecher-im-frauengefaengnis/

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4 Kommentare zu „Transphobe Fiktion: Gefängnis als Schutzraum“

  1. Die­ser Text ist uner­träg­lich. Frau­en wer­den welt­weit aus­schließ­lich auf­grund ihres bio­lo­gi­schen Geschle­çhts sexu­ell miss­braucht und dis­kri­mi­niert und Frau­en haben einen Anspruch auf geschlech­ter­ge­trenn­te Räu­me.
    Frau­en sind auch nicht dafür ver­ant­wort­lich jede mar­gi­na­le Min­der­heit zu vali­die­ren.

    1. Der welt­wei­te Sexis­mus und sei­ne gewalt­sa­men, teil­wei­se sogar töd­li­chen Fol­gen für Frau­en* und Mäd­chen* hat kei­ne bio­lo­gi­schen Ursa­chen, son­dern gesell­schaft­li­che. 1971 wur­de in Lon­don das ers­te Frau­en­haus gegrün­det, als Schutz­raum für Frau­en und ihre Kin­der, die von mas­si­ver häus­li­cher Gewalt betrof­fen waren. In den 1990 Jah­ren öff­ne­ten sich die Frau­en­häu­ser in Deutsch­land auch immer mehr für Frau­en* mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, unab­hän­gig von der Staats­zu­ge­hö­rig­keit. Von Bezie­hungs­ge­walt oder häus­li­cher Gewalt betrof­fe­ne Frau­en* brau­chen Schutz – auch und gera­de dann, wenn sie einer gesell­schaft­li­chen Min­der­heit ange­hö­ren und von Mehr­fach­dis­kri­mi­nie­rung betrof­fen sind! Dar­um bie­ten Frau­en­häu­ser Fach­be­ra­tungs­stel­len für Frau­en* mit beson­de­ren Dis­kri­mi­nie­rungs­er­fah­run­gen an (frauenhauskoordinierung.de) – natür­lich auch für trans*Frauen!

  2. Jen­seits. Die Stern­chen­höl­le ist unles­bar aber eines hab ich mit­be­kom­men: Ver­ach­tung für Frau­en und „Sicher­heit für Frau­en gibts es nicht (Gefäng­nis) und wenn (Umklei­de) ist sie patri­ar­chal. Damit reicht es mir mal wie­der mit quer (sic!) theo­ry.

    1. Dass Frau­en* weder in Gefäng­nis­sen, noch in Umklei­den, auf öffent­li­chen Toi­let­ten, beim Jog­gen im Park oder Zuhau­se bei ihrem Ehe­mann sicher vor sexu­el­ler Gewalt sind, das ist tat­säch­lich eine Höl­le – eine patri­ar­cha­le Höl­le, gegen die wir gemein­sam kämp­fen soll­ten. Dar­um sind Stern­chen, Regen­bö­gen und que­er theo­ry wich­ti­ge Ele­men­te des Femi­nis­mus!

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