Eröffnet wurde der DHT 2019 am Donnerstagabend, 5. September, im Reimarus-Saal im Haus der Patriotischen Gesellschaft. Das kleine weltanschauungspolitische Theaterstück „Aufgeklärt?!“ machte den Auftakt, darauf folgte ein Streitgespräch zwischen Prof. Dr. Werner Zager (Evangelische Erwachsenenbildung Worms-Wonnegau) und Dr. Michael Schmidt-Salomon (Vorstandssprecher der Giordano-Bruno Stiftung) zum Thema „Der neue Atheismus“. Anschließend wurde in einer philosophischen Gesprächsrunde der gegenwärtige Populismus und die Frage „Wer ist das Volk?“ erörtert. Das Abendprogramm endete mit dem humanistischen Theaterstück „Kristina und Descartes“ von Josh Goldberg.
Humanistische Vielfalt als Trumpf
Am Freitag, dem 6. September, wurde das Programm auf zwei Veranstaltungsräume ausgeweitet. Bei der Podiumsdiskussion „Organisierter Humanismus?“ wurde über die Perspektiven säkularer Gemeinschaften diskutiert. „Säkulare sind individuell. Das muss man erkennen und akzeptieren“, sagte Rainer Rosenzweig (KORSO). Es gebe eine breite Diskussion im säkularen Spektrum – wichtig sei es, dort mit einer klaren Stimme zu sprechen, wo es Schnittmengen gebe. Werner Schultz (HVD) erklärte, auch innerhalb säkularer Organisationen wie dem Humanistischen Verbands Deutschlands gebe es „eine Menge Diskussionen“, diese Widersprüche müsse man jedoch aushalten. Dr. Sven Speer (Forum Offene Religionspolitik) ergänzte, es sei wichtig, Allianzen zu schließen und auf Augenhöhe miteinander zu sprechen, um Konfessionsfreie vor der Politik repräsentieren zu können. Moderator Helmut Fink schloss mit dem Fazit: „Es kommt darauf an, in Schlüsselfragen Position zu beziehen.“
Ingrid Matthäus-Maier, ehemalige MdB, thematisierte im Anschluss den Komplex „Menschenrechte oder Kirchenrechte“ und zeigte anhand sehr konkreter Fallbeispiele auf, wo die Privilegien und Sonderrechte der Kirchen das Privatleben und das Selbstbestimmungsrecht von Bürger*innen einschränken; insbesondere ging sie auf das kirchliche Arbeitsrecht und die damit verbundene religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz ein – etwa Kündigungen wegen einer zweiten Heirat.
Unterhaltsam multimedial gestaltet der Politologe Carsten Frerk seinen Vortrag „Staatsleistungen an die Kirchen – gerechtfertigt?“ Die Kurzantwort auf diese Frage laute: „Nein!“, so Frerk – und holte dann bezüglich der Geschichte und Gegenwart der Staatsleistungen doch etwas weiter aus.
Den Abschluss des Freitagsprogramms bildete die Podiumsdiskussion „Menschenrechte bei Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“. Hier sprachen Ralf Meister (Landesbischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover), Dr. Hubertus Schönemann (Leiter der katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral, Erfurt), Waqar Tariq (Liberal-Islamischer Bund, Berater des Bundesvorstandes, Koordinator Gemeinde Frankfurt a. M.), Dr. Michael Schmidt-Salomon (Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung) und Baykal Arslanbuga (Vorstandsmitglied Alevitische Gemeinde Deutschland). Der Konsens des vielfältig besetzten Podiums lautete: Menschenrechte dürfen unter keinerlei Vorbehalt gestellt werden. Meister wies mit Besorgnis darauf hin, dass es weltweit eine Verbindung zwischen Fundamentalismus und Nationalismus gebe. Arslanbuga mahnte, Intoleranz im Namen von Religionsfreiheit dürfe nicht toleriert werden und warnte davor, als Zivilgesellschaft zu spät aktiv zu werden. Menschenrechte seien das Ergebnis jahrhundertelanger Bemühungen und müssen weiterentwickelt werden, aus innerer Dynamik und durch äußeren Druck. Schmidt-Salomon betonte, dass Menschenrechte keine Rechte von Kollektiven seien, Kollektivrechte seien von Individualrechten abgeleitet. Die hierzulande gelebten Werte von Humanismus und Aufklärung seien keine Selbstverständlichkeit, daher müsse man entschieden für sie eintreten.
Humanistische Jugend, humanistische Werte
Der dritte Tag des DHT 2019 blickte auf die humanistische Jugend. In verschiedenen Vorträgen und Präsentationen wurden Jugendweihe und Jugendfeier verschiedener Bundesländer ausführlich vorgestellt. Ein Highlight bildete sicherlich der Vortrag von Siri Sandberg, Vertreterin des Human-Etisk Forbund – des Human-ethischen Verbandes Norwegens. Sandberg skizzierte anschaulich, wie sich die „Humanistische Konfirmation“ in Norwegen von einer „Randerscheinung“ zu einem so großen Erfolg entwickeln konnte, dass sich heute jede*r fünfte*r Jugendliche eine solche humanistische Zeremonie entscheidet.
Einen weiteren Höhepunkt am Samstag bildete außerdem der Themenschwerpunkt „Säkulare Flüchtlingshilfe – warum sie notwendig ist“. Carsten Frerk und Dittmar Steiner vom gemeinnützigen Verein Säkulare Flüchtlingshilfe e. V. stellten heraus, dass viele Hilfsangebote für Geflüchtete von religiösen Organisationen angeboten würden; spätestens seit 2015 sei deutlich geworden, dass diese Lücke mit Angeboten auch für Geflüchtete gefüllt werden müsste, die dem Islam abgeschworen haben. Eine der wichtigsten Forderungen des Vereins ist die Anerkennung von Apostasie als Asylgrund. Im Anschluss sprachen zwei aus Saudi-Arabien geflüchtete Frauen über ihre Erfahrungen in Deutschland.
Am letzten Tag, dem Sonntag, wurde das Selbstbestimmungsrecht über das eigene Leben und Sterben ausführlich thematisiert. Gita Neumann vom Humanistischen Verband Deutschlands referierte zur Wirksamkeit von Patientenverfügungen, Dr. Florian Willet und Claudia Magri von Dignitas sprachen über menschenwürdiges Sterben in der Schweiz: „20 Jahre nach der ersten Freitodbegleitung einer deutschen Staatsbürgerin in der Schweiz“. Abschließend wurde in einer Paneldiskussion ein Blick in die Zukunft geworfen: § 217 StGB auf der Kippe – was kommt danach?
Humanismus ist politisch
Mit dem DHT 2019 sollte ein Signal für die Verteidigung von Demokratie, Menschenrechten und Toleranz gesetzt werden. Im Anschluss an die Veranstaltung erklärte Konny G. Neumann, Vorsitzender des Säkularen Forums Hamburg und Sprecher des DHT 2019: „Das reichhaltige interdependente Themenangebot mit Referentinnen und Referenten aus Wissenschaft, Politik und Kultur unter dem Motto ‚Für Menschenrechte und Toleranz‘ machte unter anderem deutlich, dass Menschenrechte ungeteilt sind und nicht durch zum Beispiel religiöse Vorschriften wie die Scharia eingeschränkt werden dürfen, wie es in der Kairoer Erklärung zu lesen ist. Uneingeschränkte Menschenrechte gibt es nur in demokratischen Staaten, aber auch hier ist darauf zu achten, dass Einmischung von außen unbedingt vermieden werden muss.“
Dies sei am Beispiel der Säkularen Flüchtlingshilfe deutlich geworden. Auch in Hamburg seien Geflüchtete, die dem Koran abgeschworen haben, gefährdet, so Neumann. Beim DHT 2019 sei daher beschlossen worden, auch in Hamburg einen Verein zur säkularen Flüchtlingshilfe einzurichten. Dort sollen auch Gespräche mit der Politik zur Sensibilisierung in diesem Bereich geführt werden, so Neumann.
Das Fazit des Veranstalters: Die Zusammenarbeit der säkularen Organisationen mit Wissenschaftler*innen, Politiker*innen sowie Kulturschaffenden habe ein breites Publikum angesprochen und „Ergebnisse gezeitigt, mit denen weitergearbeitet werden kann und muss“.