Mit der geplanten Grundschule wird nun eine Idee umgesetzt, die über mehrere Jahre im Diskurs mit Fachwissenschaftler*innen, Praktiker*innen und interessierten Mitgliedern in Berlin entwickelt wurde. Konzeptionell greifen wir reformpädagogische Ansätze auf und verbinden sie mit einem humanistischen Bildungsverständnis und Erkenntnissen der aktuellen Lernforschung. Aus einer ehrwürdigen Botschaft wird nun eine Lernbotschaft – ein Lern- und Lebensort, an dem weltlicher Humanismus als Lebenshaltung und Wertorientierung im Alltag positiv erlebt werden kann. Oder anders gesagt: ein Ort, an dem Kinder entdecken können, was in ihnen steckt.
Wir können auf viele gesammelte Erfahrungen im Lebenskundeunterricht und in unseren Kindertagesstätten zurückgreifen. Dort wie auch bei all unseren Überlegungen für eine humanistische Schule ist Ausgangspunkt, dass wir unsere pädagogische Arbeit an den Grundbedürfnissen der Kinder orientieren. Es ist das Spannungsfeld zwischen einem starken Autonomiebestreben der Kinder einerseits und ihrem Bedürfnis nach emotionaler Sicherheit andererseits, das uns herausfordern wird. Denn hier sehen wir den Schlüssel dafür, unsere Schule zu einer Werkstatt Sinn-erfüllten Tuns zu entwickeln. Es soll eine Gemeinschaft entstehen, in der alle voneinander lernen und aneinander wachsen können. Die Schülerinnen und Schüler werden darin ermutigt, zunehmend Verantwortung für ihr eigenes Leben als auch für die Gemeinschaft zu übernehmen.
Sich selbst und den Wert von Gemeinschaft spüren
Unsere Schule soll ein sehr lebendiger Ort sein. Mit ihren individuellen Biografien, Fähigkeiten und Besonderheiten bereichern die Kinder das Zusammenleben und das Lerngeschehen. Wir wollen, dass sie ihren eigenen Interessen, Vorstellungen und Möglichkeiten folgen können. Dafür werden wir neben den von Lehrerinnen und Lehrern mit fachlicher Leidenschaft gestalteten Lernphasen offene Lernformen entwickeln, die selbstbestimmtes Lernen ermöglichen. Wir schaffen Freiraum für den Gestaltungswillen der Kinder, damit sie ihre Themen phantasievoll, mit Körpereinsatz und allen Sinnen erkunden können. Hier finden sie ausreichend Zeit, ihre Fragen gründlich auszuloten. Zeit, um arbeitsteilig zu kooperieren, sich auszutauschen, sich rückzuversichern und Hilfe geben oder empfangen zu können. Auf diese Weise machen Kinder das Lernen zu ihrer eigenen Aufgabe, können Freude an den eigenen Lernerfolgen empfinden und sich nachhaltig Wissen aneignen. Besondere Bedeutung geben wir an unserer Schule Lerngelegenheiten, in denen ein gemeinsames Ziel verfolgt wird. In Projekten, Werkstätten und gemeinsamen Festen ist nicht nur der Beitrag jeder und jedes Einzelnen für das Gesamtergebnis wichtig, sondern Kinder erfahren auch, welch eindrucksvolle Dinge durch gemeinsame Anstrengung geschaffen werden können.
Selbstverständlich werden die Kinder emphatisch begleitet von ihren Lehrerinnen und Lehrern. Diese geben Führung und Verantwortung keineswegs aus der Hand und halten auch den Blick zu den Lehrplanzielen. Aber sie entwickeln ein Gespür für das Bedürfnis und die Fähigkeit der Kinder, zunehmend selbst Verantwortung für die eigenen und die Lernfortschritte ihrer Gruppe übernehmen zu wollen und zu können.
Bildung als Menschenbildung begreifen
Unser Verständnis von schulischer Bildung geht über die Aneignung von fachlichen und methodischen Kompetenzen hinaus. Mitmenschlichkeit, Engagement, Konfliktfähigkeit, Eigenverantwortung, Mut oder Sinnlichkeit sind nur einige Dinge, die wir rational kaum fassen können. Aber gleichwohl sind sie so bedeutsam für unser Zusammenleben. Das spüren auch Kinder. Es ist vor allem das Fach Lebenskunde, das Sinn- und Wertefragen explizit zum Gegenstand im Lernprozess macht. Doch lebenskundliches Lernen soll an unserer Schule kein isoliertes Fach sein. Wir wollen Wertefragen nicht von Sachfragen abkoppeln. Im Besonderen halten wir Begegnungen mit Literatur, Musik, Bewegung, bildender und darstellender Kunst für unverzichtbar. Ästhetische Formen und ihr sinnliches Erleben machen uns auf spezielle Weise empfänglich für ein tieferes Verständnis von uns und der Welt. Differenzierter empfinden zu können, sich auf vielfältige Weise ausdrücken zu können, von Geschichten und Gedichten berührt zu werden oder einfach von der Schönheit kultureller Kreationen entzückt zu sein, macht uns nicht nur reicher, sondern kann die Ausprägung von Empathie in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen unterstützen. Und ohne die ist die Entwicklung von Vernunft und Moral kaum denkbar.