Im 16. Jahrhundert war – wie heute! – vieles ganz offensichtlich in Unruhe und Bewegung; gleichzeitig verschob sich eher unbemerkt vieles im Untergrund: Das „Framing“ der Welt änderte sich fundamental. 1525 überschlugen sich dann die Ereignisse. Aufstände der unterdrückten Bauern, die oft von verschiedenen Herrschaften abhängig waren, hatte es bereits im Spätmittelalter gegeben. In den 1520ern kam mehreres zusammen: Missernten, eine weitere Verschlechterung der Rahmenbedingungen sowie der kulturell-religiöse Aufbruch durch die Reformation. Papstkirche und klerikale Korruption standen in der Kritik; der humanistisch geprägte Reformator Zwingli predigte nicht nur wie Luther Erlösung im Jenseits durch Gnade und Glauben, sondern auch gottgewollte Gerechtigkeit auf Erden; die Gemeinden sollten sich demokratisch organisieren. Der charismatische Thomas Müntzer spitzte diesen Ansatz sozialrevolutionär zu. Die Landesherren waren vorerst uneins.
Bei der Chronologie fällt die Nähe zum Rhythmus der Landwirtschaft und zum darauf bezogenen Kirchenjahr auf. In der Erntezeit kämpfen Bauern nicht. Es beginnt im Spätsommer 1524 in Süddeutschland und in der Schweiz mit lokalen Aufständen gegen die Grund- und Leibherren. Auslöser waren bizarre Fronarbeitsaufträge wie das Schneckenhaussammeln zum Aufwickeln des Garns der Gräfin. Die berühmten Zwölf Artikel werden im Frühjahr 1525 in Memmingen entworfen und schnell mit dem neuen Medium Flugblatt verbreitet. Die Bauern berufen sich auf das „alte göttliche Recht“ und fordern, weil Christus doch alle erlöst habe, die Abschaffung der Leibeigenschaft: Wir wollen frei sein! Weiterhin fordern sie, sehr moderat: Freie Pfarrerwahl, unparteiische Rechtsprechung, Nutzung der Wälder und der Allmende, freie Jagd und Fischerei, mäßige Steuern und die Abschaffung der existenzgefährdenden Erbschaftsabgaben. Über die kommunale Selbstbestimmung hinaus werden politische Ideen zur Reichsreform und für regionale Selbstverwaltungsbünde skizziert.
Bewaffnete „Haufen“ formieren sich; viele Klöster und Burgen werden erstürmt; etliche Städte und „gemeine“, also nicht-adelige Teile der Bevölkerung schließen sich an. In Weingarten wird ein vielgelobter Kompromissfrieden ausgehandelt; die Bauern wollen keinen „Krieg“, sondern ihr gutes Recht. In Weinsberg führt jedoch adelige Kompromisslosigkeit zu einer österlichen Spirale der Gewalt. Luther ergreift jetzt scharf Partei gegen die „mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“. Im Mai 1525 erleiden die unkoordinierten Bauernhaufen gegen die fürstlichen Kriegsknechte in Schwaben, im Elsass und in Thüringen nahezu gleichzeitig vernichtende Niederlagen. Müntzer wird gefangen und hingerichtet. Der Truchsess von Waldburg, der berüchtigte „Bauernjörg“, hält ein furchtbares Strafgericht gegen die „Landfriedensbrecher“. Viele Zeitgenossen, z. B. Albrecht Dürer, sind schockiert. Einige Erfolge in Freiburg oder später in Österreich können das Blatt nicht mehr wenden. Gewinner sind die fürstlichen Territorialherren. Für die Bauern ergeben sich Verbesserungen, aber das blutige Trauma sitzt tief. Politische Freiheit ist für lange Zeit in Deutschland kein Thema mehr, und die Obrigkeitshörigkeit wirkt bis ins 20. Jahrhundert nach.
Rund Hunderttausend Tote, überwiegend händisch massakriert, machen auch nach 500 Jahren betroffen. Das monumentale Tübke-Panorama in Frankenhausen gilt leider immer noch eher als Teil der DDR-Erinnerungskultur. Was war der Bauernkrieg denn nun? Krimineller „Uffrur“ gegen die gottgewollte Obrigkeit? Nein! Sicher mehr als eine Summe lokaler Aufstände. Ein Vorläufer der nationalliberalen 1848er-Revolution? Eine „frühbürgerliche“ Revolution, wie Engels und DDR-Historiker meinten? Eher spontaner Volksaufstand oder Programmrevolution? Die meisten Historiker*innen deuten ihn heute als eine emanzipatorische Widerstandsbewegung des „gemeinen Mannes“ und die Zwölf Artikel als einen Meilenstein in der Geschichte der Menschenrechte. Noch näher zu untersuchen wäre, ob der zeitgenössische Gelehrtenhumanismus als Impulsgeber oder wenigstens als Verstärker für die Forderungen nach Freiheit und Gerechtigkeit fungierte.