120 Jahre Verein der Freidenker für Feuerbestattung/Humanistischer Verband Deutschlands

Wofür es sich zu streiten lohnt: Humanismus

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Beitragsbild: Humanistischer Verband Berlin-Brandenburg

Ein neuer Sammelband beleuchtet die wenig bekannte Geschichte freigeistiger Organisationen in Deutschland seit 1848 – von Dissidenten über Freireligiöse bis zu Freidenkern. Er zeigt ihre Wurzeln in antikem Denken, englischem Rationalismus und französischem Materialismus und analysiert ihre kulturpolitische Bedeutung. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Humanistischen Verband Deutschlands, dessen Entwicklung vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Säkularisierung neue Dynamiken aufweist.

Im Jahr 1905 grün­de­ten ein Dut­zend Sozi­al­de­mo­kra­ten in Ber­lin den „Ver­ein der Frei­den­ker für Feu­er­be­stat­tung“. Dar­aus wur­de in der Wei­ma­rer Repu­blik der „Deut­sche Frei­den­ker-Ver­band“ (DFV), der sich bis 1933 zur größ­ten Kul­tur­or­ga­ni­sa­ti­on inner­halb der sozia­lis­ti­schen Arbei­ter­be­we­gung mit über 600.000 Mit­glie­dern ent­wi­ckel­te. 1993 ver­ei­nig­ten sich schließ­lich der Ber­li­ner DFV mit ande­ren frei­geis­ti­gen und huma­nis­ti­schen Ver­bän­den zum Huma­nis­ti­schen Ver­band Deutsch­lands. Aus die­sem Anlass hat Man­fred Ise­mey­er für den Huma­nis­ti­schen Ver­band Ber­lin-Bran­den­burg einen umfang­rei­chen, knapp drei­hun­dert Sei­ten umfas­sen­den Sam­mel­band her­aus­ge­ge­ben: „Wofür es sich zu strei­ten lohnt: HUMANISMUS. 120 Jah­re Enga­ge­ment für Auf­klä­rung, Men­schen­rech­te und Huma­ni­tät.“ Ise­mey­er konn­te dafür zahl­rei­che renom­mier­te Autorin­nen und Autoren gewin­nen.

Der Sam­mel­band rekon­stru­iert die his­to­ri­sche Ent­wick­lung frei­geis­ti­ger Orga­ni­sa­tio­nen von Dis­si­den­ten, Frei­re­li­giö­sen und Frei­den­kern in Deutsch­land seit der bür­ger­li­chen Revo­lu­ti­on 1848. Er ana­ly­siert die kul­tur­po­li­ti­sche Bedeu­tung die­ser weit­ge­hend in Ver­ges­sen­heit gera­te­nen demo­kra­ti­schen und athe­is­ti­schen Oppo­si­ti­ons­be­we­gung, deren welt­an­schau­lich-phi­lo­so­phi­sche Quel­len von der Anti­ke bis hin zu den ratio­na­lis­ti­schen Denk­sys­te­men der eng­li­schen Freethin­ker am Ende des 17. Jahr­hun­derts und der fran­zö­si­schen Mate­ria­lis­ten des 18. Jahr­hun­derts rei­chen. Spe­zi­ell wid­met sich der Band dem Huma­nis­ti­schen Ver­band Deutsch­lands, für den sich seit Jah­ren vor dem Hin­ter­grund der fort­schrei­ten­den Säku­la­ri­sie­rung der Gesell­schaft eine bemer­kens­wer­te Dyna­mik beob­ach­ten lässt. Die Orga­ni­sa­ti­on, die unter dem NS-Regime ver­bo­ten und spä­ter in der DDR nie zuge­las­sen war, hat heu­te ihre größ­ten Akti­vi­tä­ten in Ber­lin-Bran­den­burg, wo der Ver­band mit sei­nen zahl­rei­chen Ange­bo­ten in den Berei­chen Bil­dung, Jugend, Kul­tur und Sozia­les jähr­lich meh­re­re hun­dert­tau­send Men­schen erreicht, Ten­denz stark stei­gend. Das ent­spre­chen­de Kapi­tel fin­det sich unter der Über­schrift „Die Huma­nis­ti­sche Wen­de – Vom Deut­schen Frei­den­ker-Ver­band zum Huma­nis­ti­schen Ver­band Deutsch­lands.“

Zu den Autoren zäh­len u. a. der eme­ri­tier­te Pro­fes­sor und Spe­zia­list für Anti­ke Phi­lo­so­phie und Reli­gi­ons­kri­tik Dr. Hubert Can­cik, der Autor und Lei­ter der For­schungs­grup­pe Welt­an­schau­un­gen in Deutsch­land (fowid), Dr. Cars­ten Frerk, der Kul­tur­wis­sen­schaft­ler und lang­jäh­ri­ge Vor­sit­zen­de des Huma­nis­ti­schen Ver­ban­des Deutsch­lands, Dr. Horst Gro­schopp, der His­to­ri­ker, Poli­tik­wis­sen­schaft­ler und lang­jäh­ri­ger Vor­sit­zen­der der His­to­ri­schen Kom­mis­si­on der SPD Ber­lin, Dr. Sieg­fried Heimann, der Leip­zi­ger Ordi­na­ri­us für Reli­gi­ons­wis­sen­schaft Dr. Horst Jung­in­ger, der Phi­lo­soph, lang­jäh­ri­ge stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de des Deut­schen Ethik­ra­tes und Direk­tor der Huma­nis­ti­schen Hoch­schu­le Ber­lin, Dr. Julia Nida-Rüme­lin, die lang­jäh­ri­ge Vor­sit­zen­de des Bun­des­ver­ban­des pro fami­lia und Mit­glied des wis­sen­schaft­li­chen Bei­ra­tes der Giord­a­no-Bru­no-Stif­tung, Dr. Gise­la Notz, der Geschäfts­füh­ren­de Direk­tor der Huma­nis­ti­schen Aka­de­mie Deutsch­lands und Pro­fes­sor an der Huma­nis­ti­schen Hoch­schu­le Ber­lin, Dr. Ralf Schöpp­ner, sowie acht wei­te­re Autorin­nen und Autoren.

Her­vor­zu­he­ben ist nicht zuletzt der Blick auf die Pha­se von Ver­bot, Ver­fol­gung und Wider­stand wäh­rend der NS-Dik­ta­tur, wo Frei­den­ker wie der Spre­cher der welt­li­chen Schu­len Ber­lins, Wal­ter Rieck, durch ihren Mut zahl­rei­chen Jüdin­nen und Juden das Leben ret­te­te, dar­un­ter das der spä­te­ren Autorin Inge Deutsch­kron („Ich trug den gel­ben Stern“ bzw. „ab heu­te heißt Du Sarah“). Dafür wür­dig­te der Staat Isra­el Rieck 1971 in der Gedenk­stät­te Yad Vas­hem als „Gerech­ter unter den Völ­kern“. Eine wei­te­re Beson­der­heit des Ban­des sind zahl­rei­che Por­traits von Frau­en aus der frei­geis­ti­gen und huma­nis­ti­schen Bewe­gung. Der Sam­mel­band ent­hält zahl­rei­che Fotos, his­to­ri­sche Doku­men­te und Zeit­ta­feln und ist im Buch­han­del erhält­lich.

Man­fred Ise­mey­er (Hrsg.): Wofür es sich zu strei­ten lohnt: Huma­nis­mus. 120 Jah­re Enga­ge­ment für Auf­klä­rung, Men­schen­recht und Huma­ni­tät.

Her­aus­ge­ge­ben für den Huma­nis­ti­schen Ver­band Ber­lin-Bran­den­burg.

Ver­lag: AG SPAK Bücher. 1. Auf­la­ge, Neu-Ulm 2025.

ISBN: 978–3‑945959–75‑6

293 Sei­ten, mit zahl­rei­chen Abbil­dun­gen, 32,00 €.

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