„Heute sind Frauen ungehorsam und streben nach Gleichberechtigung! Sie sind die Zweiten, während Männer die Ersten sind.“ „Frauen, probiert keine Männer vor der Ehe aus, sonst werdet ihr Schlampen!“
So und ähnlich werden Frauen in Kroatien vom katholischen Klerus zurechtgewiesen. Für das Wort „Schlampe“ hat sich der betreffende Erzbischof im Nachhinein entschuldigt. Er habe von der Würde der Frau gesprochen und wie wichtig es doch sei, diese zu schützen. Dann sei ihm halt, bei der Predigt, das Wort „Schlampe“ herausgerutscht.
Die Frauen in Kroatien können über solche „Ausrutscher“ nicht (mehr) lachen.
Die katholische Kirche selbst ist eine ultrapatriarchale, hierarchisch aufgebaute Organisation, in welcher alle wichtigen Entscheidungen an oberster Stelle von Männern getroffen werden. In dieser Organisation haben Frauen keine Rechte. Auf internationaler Ebene behindert der Vatikan zusammen mit islamischen Staaten die meisten Aktionen zur Stärkung der Frauenrechte und rechtfertigt dies immer wieder mit religiösen Freiheiten. Ist es nicht zynisch, dass die Organisation, in welcher Frauen keine Rechte besitzen, sich dennoch berufen fühlt, über die Rechte von Frauen (bzw. die Einschränkung dieser Rechte), insbesondere über ihre körperliche und sexuelle Autonomie, zu bestimmen?
Die Auflösung der Grenzen zwischen dem kroatischen Staat und der katholischen Kirche bzw. ihr gemeinsames Handeln führt zur schrittweisen Beseitigung all jener Menschenrechte und humanistischen Prinzipien, welche die katholische Kirche ohnehin nicht anerkennt.
Während die katholische Kirche ihre Autonomie beibehält und auf Grundlage besonderer Regeln, die häufig gegen die Gesetze und die Verfassung der Republik Kroatien verstoßen, als „Staat im Staat“ handelt, gibt es kaum eine öffentliche Einrichtung in Kroatien, die von kirchlichen Eingriffen und Kontrollen verschont geblieben ist.
Das gesamte Bildungssystem von öffentlichen Kindergärten bis zu öffentlichen Universitäten wird zur Förderung des Katholizismus als offizieller staatlicher Ideologie genutzt. Religionslehrer werden von der Kirche berufen, vom Staat, mithilfe unserer Steuern, entlohnt. Die Autonomie der Universität wird praktisch außer Kraft gesetzt, da die Fakultäten der katholischen Hochschulen als außenpolitische Einheit in Form von öffentlichen Universitäten direkt der Kirche und dem Heiligen Stuhl untergeordnet sind. Kroatische Soldaten sind gezwungen, von Amts wegen auf Kosten unserer Steuern zur Pilgerfahrt zu gehen. Öffentliche Medien haben sich in ein Instrument der katholischen Propaganda verwandelt.
„Besorgte Eltern“ gegen Verhütung und gleichgeschlechtliche Ehe
Seit Längerem bedient sich die katholische Kirche außerdem der Hilfe verschiedener katholischer Laienvereinigungen, die ihre konservativ fundamentalistische Agenda weitertreiben. So beanstandeten im Jahre 2012 einige Vereinigungen als „besorgte Eltern“ den Lehrplan des neugestalteten interdisziplinären Faches Gesundheitskunde für Grund- und Mittelschulen, welcher ihren Kindern Verhütungsmittel sowie Homosexualität als etwas „Normales“ näherbringen sollte. Dies widerspreche ihrer Religionsfreiheit, der Freiheit, ihre Kinder in ihrem Glauben zu erziehen. Sie forderten, dass man ihre Rechte als Eltern anerkenne und verlangten, dass das Fach nur fakultativ angeboten werde.
In der Folge setzte das kroatische Verfassungsgericht das Fach Gesundheitskunde wegen „prozessualen Mängeln“ bei dessen Einführung außer Kraft. Ein neues Kurrikulum wurde ausgearbeitet, welches keine größeren Veränderungen bot, die katholischen Aktivisten dennoch ein wenig besänftigte. Derzeit wird eine neue Version der Gesundheitskunde für das Jahr 2019/2020 vorbereitet, in welcher alle umstrittenen Inhalte der alten Version ausgelassen werden. Sexualität dient demnach nun nur der Reproduktion.
Im Religionsunterricht, welcher seit der kroatischen Unabhängigkeit Anfang der neunziger Jahre durch die Verträge mit dem Heiligen Stuhl wieder zurück in die Schulen fand, lehrt man die Kinder, Homosexualität sei eine Sünde. Masturbation sowieso. Atheisten werden als Egoisten umschrieben, die, gemäß einem Zitat von Johannes Paul II, nicht in der Lage wären, ohne Gott gute Menschen zu erziehen. Ohne Gott erziehe man Menschen, die für Auschwitz verantwortlich sind. – So steht es noch immer in den kroatischen Religionsbüchern für die achte Klasse.
2012 verlangten wiederum (mehr oder weniger die gleichen) Laienvereinigungen, dass ein Artikel in die kroatische Verfassung aufgenommen werden soll, der die Ehe als eine Partnerschaft zwischen Mann und Frau vorschreibt. Sie schafften es, an über 2.000 Standorten (überwiegend vor Kirchen) und mit einer großen Schar von Freiwilligen, in zwei Wochen über 450.000 Unterschriften zu sammeln. Damit kam ein Referendum zur Verfassungsänderung zustande; bei einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung wurde das Begehren mit über 60 Prozent der Stimmen angenommen. Nur eine heterosexuelle Partnerschaft darf sich als Ehe bezeichnen.
Auch das öffentliche Gesundheitswesen blieb von der Besetzung der Kirche nicht verschont: Die katholische Fakultät organisierte zusammen mit den öffentlichen Wissenschafts- und Gesundheitseinrichtungen unter der Schirmherrschaft der Präsidentin, der Kardinäle und der Bischöfe einen gynäkologischen Kongress und gab ein Lehrbuch über Gynäkologie heraus, das darauf abzielte, den Beruf der Gynäkologie den obsessiven Ambitionen der kirchlichen Hierarchie zu unterwerfen.
Seit 2014 versammeln sich enthusiastische Katholiken während der Fastenzeit vor Spitälern, um zu beten. Sie beten gegen Schwangerschaftsabbrüche und für ungeborene Kinder.
Immer mehr Ärzte verweigern gesetzlich geregelte Abtreibungen aus Gewissensgründen. „Das Leben“, welches mit der Empfängnis beginnt, besitze ein Recht, geboren zu werden. Abtreibung sei Mord. Ganze Belegschaften gaben zu Protokoll, dass in ihrem Spital keine Schwangerschaftsabbrüche mehr durchgeführt werden. Auch einige Krankenschwestern verweigern die Mitwirkung an Schwangerschaftsabbrüchen und werden unter Konservativen als Nationalheldinnen gefeiert. Apothekerinnen verweigern es, Frauen die Pille auszuhändigen.
In diesem Jahr wurde einer Frau die Abtreibung ohne Anästhesie durchgeführt. Der Anästhesiologe berief sich auf sein Gewissen. Im vergangenen Jahr haben sich (die schon genannten) Laienvereinigungen gegen die Ratifizierung der Istanbul-Konvention ausgesprochen.
Die Gegenbewegung kommt auch von Gläubigen
Bei einer gewissen Zahl von Gläubigen stößt dieser Konservatismus immer mehr auf Unverständnis und Ablehnung. Viele gläubige Frauen, die sich bis jetzt mit dem politischen Wirken ihrer Kirche nicht auseinandergesetzt und unsere Sorge um die Wahrung des säkularen Charakters des Staates nicht ernstgenommen haben, sehen sich nun gezwungen, ihre eigene Beziehung zur Kirche zu überdenken. Viele distanzieren sich von der katholischen Kirche und beteiligen sich aktiv beim Widerstand gegen die religiöse Frauenfeindlichkeit und Homophobie. Diese gläubigen Frauen sehen wir als unsere säkularen Verbündeten.
2016 organisierten die katholischen Laienvereinigungen den ersten „Marsch fürs Leben“, der dieses Jahr zum vierten Mal durchgeführt wurde. Paradoxerweise marschieren in diesem Marsch fürs (ungeborene) Leben auch verurteilte Kriegsverbrecher und Volksverhetzer mit; jene sind auch sonst gern gesehene Gäste in klerikalen Kreisen. Denn dem historischen Revisionismus hat sich die katholische Kirche in Kroatien schon lange verschrieben. So versucht sie die Gräueltaten des faschistischen Ustascha-Regimes im Zweiten Weltkrieg zu relativieren, von ihrem eigenen moralischen Versagen abzulenken und den aktuellen, auch von ihr unterstützten Nationalkonservativismus zu rechtfertigen.
Die Repatriarchalisierung der kroatischen Gesellschaft fing schon Anfang der neunziger Jahre an. Mit dem immer lauter werdenden Aufruf, den Frauen – im Namen der Zygote, des Embryos und des Fötus – das elementarste Recht auf ihre körperliche Autonomie zu beschneiden, strebt Kroatien einem schrecklichen Höhepunkt zu.
In der Geschichte des Kampfes für die Emanzipation und die Menschen- und Bürgerrechte der Frauen war(en) die Kirche(n) regelmäßig eine der heftigsten und stärksten Gegnerinnen solcher Bestrebungen. Viele Frauen starben, weil man religiöse Dogmen ihren Leben vorzog. Frauenrechte wurden Frauen nie geschenkt. Wir mussten sie immer hart erkämpfen. Dies wissen auch kroatischen Feministinnen, Humanistinnen und Atheistinnen, die sich jedes Jahr, in immer größerer Zahl, vor die Menschenmenge stellen und, bevor sie dann verhaftet werden, mit ihren eigenen Frauenkörpern den religiösen, frauenverachtenden Menschenzug – wenigstens für kurze Zeit – zum Halten bringen.
Dies ist der erste von zwei Artikeln von Nada Peratovic zum Thema. Im zweiten Teil, erschienen in der diesseits-Ausgabe 126, geht es um den Kampf kroatischer Frauenrechtler*innen gegen die Einschränkung von Frauen- und Menschenrechten in ihrem Land. Hier lesen.