Ein katholischer Priester, ein muslimischer Imam und ein jüdischer Rabbi treffen sich einen Tag vor dem Weltfrauentag, um über die Stellung der Frau in ihren Religionen zu diskutieren …
Nein, dies ist nicht der Beginn eines Witzes, sondern die wenig lustige Beschreibung eines Podiums, das am Vorabend des Weltfrauentages, dem 7. März 2019, an der Philosophischen Fakultät in Zagreb stattfand. Bei dieser Veranstaltung versuchten also drei männliche Religionsvertreter den Studentinnen zu erklären, wie sich Frauen als Gottes Geschöpfe zu benehmen haben. Um die Hegemonie der konservativen und kirchlichen Ideologie zu verwirklichen, versucht die katholische Kirche seit der Unabhängigkeit Kroatiens die Repatriarchalisierung der Gesellschaft durchzuführen und bemüht sich insbesondere Frauenrechte zu untergraben.
Jedoch konnten feministische Organisationen und Frauen aus der Zivilgesellschaft maßgeblich dazu beitragen, die Einführung religiöser Moralvorstellungen in die Gesetzgebung des Staates zu verhindern. So sammelte die Frauenrechtsgruppe B.a.B.e. im Jahr 1995 zusammen mit anderen Frauenorganisationen 20.000 Unterschriften gegen ein gesetzliches Abtreibungsverbot. Obwohl sich Anfang der Neunziger Jahre viele Menschen in Kroatien (oft auch aus opportunen Gründen), zum Katholizismus bekannten, war das sozialistische (atheistische) Bild der emanzipierten und selbständigen Frau noch immer präsent und viele neubekennende Katholik*innen hatten zur damaligen Zeit noch Hemmungen, einem Abtreibungsverbot vorbehaltlos zuzustimmen. Auch dies wirkte sich sicherlich auch auf den Entscheid des damaligen Gesundheitsministers aus, der die Ausarbeitung eines neuen Gesetzes, welches auch den Schwangerschaftsabbruch neu regeln sollte, stoppte.
In den vergangenen 25 Jahren brachte der katholische Religionsunterricht kroatischen Kindern und Jugendlichen bei, welche die „gottgewollten“ Geschlechterrollen seien und dass Masturbation, vorehelicher Sex, künstliche Befruchtung, Homosexualität und Schwangerschaftsabbruch in die Hölle führen würden. Da scheint es nicht verwunderlich, dass laut neuesten Umfragen die Nachkriegsgeneration Kroatiens konservativer, misogyner, homo- und xenophober ist, als die Generation ihrer Eltern oder Großeltern.
Gegenwehr von säkularer Seite
Die Welle neokonservativer, religiöser Initiativen, Organisationen und Aktionen, die seit 2012 Kroatien regelrecht überschwemmt, stieß von Anfang an auf Gegenwehr aus der säkularen Zivilgesellschaft. Bei der ersten Aktion von Katholik*innen, die seit 2014 vor den Spitälern gegen Abtreibungen „beten“, verkleideten sich zum Beispiel in der Küstenstadt Rijeka zwei junge Männer als Comicfiguren und konnten mit Transparenten wie „Das Leben beginnt mit einer Erektion“ oder „Durch Beten vergeuden wir unser Leben“ der Aktion etwas entgegensetzen und sie sogar ins Lächerliche ziehen.
Auch marschieren katholische Aktivist*innen in ihren Märschen für das (ungeborene) Leben nicht ohne den Widerstand der Feministinnen. Beim ersten „Marsch für das Leben“ im Jahr 2016 stellten sich spontan zwei junge Frauen dem Menschenzug entgegen, allerdings wurden sie sofort von der Polizei abgeführt.
2019 zeigten sich die Gegenproteste unter dem Motto „Roter Widerstand“ und mit der Erklärung, Rot sei die Farbe des mit Blut erkämpften Rechtes auf Abtreibung, gleich in mehreren Städten: Am Vorabend des sogenannten Marsches für das Leben wurde ein Brunnen in Rijeka blutrot gefärbt. In der gleichen Stadt organisieren Bürger*innen schon zum zweiten Mal den Marsch für die Freiheit, insbesondere für die Freiheit und das Recht der Frauen auf verfügbaren und sicheren Schwangerschaftsabbruch. Während des „Marsches für das Leben“ in Zagreb konnten zehn Frauen in weißen Nachthemden, befleckt mit roter Farbe, den Menschenzug für kurze Zeit stoppen. Auch diese Frauen wurden verhaftet, abgeführt und später zu Geldstrafen verurteilt.
Kroatische Feministinnen sind sich bewusst, dass sie nie das Äquivalent an Geld, Infrastruktur und politischer Macht besitzen werden, welches es der katholischen Kirche und deren Partnern ermöglicht, die Gesellschaft massiv zu beeinflussen. Und doch sind sie oft die Einzigen, die sich öffentlich gegen die schleichende nationalistische, neokonservative Revolution stellen und auch für die Rechte anderer einstehen.
Der Kampf der Feministinnen kennt in Kroatien keine Grenzen. Feministinnen des Centre for Women War Victims (Zentrum für weibliche Kriegsopfer) haben es geschafft, für eine aus dem Irak geflüchtete Frau das Recht auf Asyl zu erkämpfen, das von den unteren Gerichtsinstanzen nicht anerkannt worden war. Dank feministischer Juristinnen hat das kroatische Verfassungsgericht eine historische Entscheidung gefällt und häusliche Gewalt als Asylgrund in Kroatien anerkannt.
Die kroatischen Feministinnen marschieren, gekleidet wie die Dienerinnen in Margaret Atwoods Buch „The Handmaid’s Tale“, auf den Straßen, um die Ratifizierung der Istanbuler Konvention zu unterstützen oder über die wachsende Männergewalt gegen ihre Partnerinnen in Kroatien zu informieren. Feministinnen – zu denen auch Aktivistinnen unseres humanistischen Vereins „Zentrum für Zivilcourage“ zählen – sind bisher die einzigen, die sich trauen, am sogenannten kroatischen „Tag des Sieges“ an die kroatischen Kriegsverbrechen zu erinnern. Unter Polizeischutz halten wir jedes Jahr im August eine 30-minütige Mahnwache im Zentrum der Hauptstadt ab.
Seit 2016 bewegen junge Feministinnen der Gruppe Faktiv tausende Menschen dazu, den Weltfrauentag mit einem Abendmarsch zu würdigen. Hinter einem Transparent mit der Aufschrift „Es ist Zeit für den Widerstand“ gaben 2017 die Marschierenden ihrem Unmut über die wachsende religiöse Vereinnahmung und zunehmende Gewalt gegen Frauen Ausdruck.
Gerade die Tatsache, dass die großen Weltreligionen nicht geschlechtergerecht konzipiert sind, bewegt Feministinnen, den religiösen Frauenbegriff in ihre Gesellschaftskritik miteinzubeziehen. Der Körper der Frau – nicht der des Mannes – ist das Schlachtfeld, welches von den Religionen vereinnahmt wird – ob es nun um deren Verstümmelung, Vergewaltigung, Verschleierung, Besitzergreifung, Bewahrung der Jungfräulichkeit, Sexualität oder Reproduktion handelt. Deshalb sollte anderseits auch in der humanistischen Religionskritik die spezifische Position des weiblichen Subjekts (oder, besser gesagt, Objekts) innerhalb der mythischen und religiösen Weltanschauung und das dadurch bewirkte Leid von Millionen von Frauen weltweit besonders hervorgehoben werden.
Humanismus ist ohne Feminismus unvollständig – nur zusammen bieten sie ein reales Bild unserer Gesellschaft. Nur wenn wir konkret die Missstände und die Machtstrukturen benennen, können wir uns ihrer Aufhebung widmen und den Frauen die Befreiung von religiösen und kulturellen Zwängen als auch eine echte, humanistisch-feministische, menschenwürdige Alternative anbieten.
Dies ist der zweite von zwei Artikeln von Nada Peratovic zum Thema. Der erste Teil, erschienen in der diesseits-Ausgabe 125, beschreibt, wie in Kroatien öffentliche Einrichtungen Schritt für Schritt instrumentalisiert und humanistische Prinzipien beschnitten werden. Hier lesen.