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Uganda Humanist Schools Trust

Humanistische Schulen in Uganda: Hoffnung durch Bildung

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Beitragsbild: Andrew West

Ein schweres koloniales Erbe, lähmende religiöse Einflüsse und die Coronapandemie: In Uganda gibt es mehr Probleme als Lösungen. Eine Handvoll humanistischer Schulen bringt Hoffnung in ein Land, in dem Bildung der Schlüssel für eine bessere Zukunft ist.

Ein schwe­res kolo­nia­les Erbe, läh­men­de reli­giö­se Ein­flüs­se und die Coro­na­pan­de­mie: In Ugan­da gibt es mehr Pro­ble­me als Lösun­gen. Eine Hand­voll huma­nis­ti­scher Schu­len bringt Hoff­nung in ein Land, in dem Bil­dung der Schlüs­sel für eine bes­se­re Zukunft ist.

Das ost­afri­ka­ni­sche Ugan­da gehört zu den ärms­ten Län­dern der Welt. Die rund 40 Mil­lio­nen dort leben­den Men­schen müs­sen im Durch­schnitt mit weni­ger als zwei Dol­lar am Tag aus­kom­men. Gleich­zei­tig ist das Land sehr jung: Über Drei­vier­tel der Bevöl­ke­rung sind unter 25 Jah­ren alt. Für eine Zukunfts­per­spek­ti­ve die­ser jun­gen Men­schen braucht es Bil­dung.

Bild: Ste­ve Hurd
Joan Muki­sa: „In die­se Schu­le zu kom­men, war das Bes­te, was mir in mei­nem Leben je pas­siert ist.”

Einer von die­sen jun­gen Men­schen ist Joan Muki­sa. Als jun­ges Mäd­chen leb­te sie nach meh­re­ren Schick­sals­schlä­gen mit sechs Geschwis­tern bei ihrer allein­er­zie­hen­den Mut­ter, die es als Fabrik­ar­bei­te­rin nicht schaff­te, die Schul­ge­büh­ren für ihre Kin­der auf­zu­brin­gen. Eines Abends hör­te die damals Zwölf­jäh­ri­ge im Radio von einer Schu­le mit Sti­pen­di­en­pro­gramm für begab­te Kin­der aus armen Fami­li­en. Sie reis­te quer durchs Land und bestand die Auf­nah­me­prü­fung der Schu­le mit dem Sti­pen­di­en­pro­gramm.

Die­se Schu­le war die Mus­tard Seed School: Eine von fünf huma­nis­ti­schen Schu­len des Lan­des, 100 Kilo­me­ter nord-öst­lich der Haupt­stadt Kam­pa­la, mit­ten im länd­li­chen Ugan­da. Moses Kamya hat die Schu­le auf­ge­baut und berich­tet, wie es dazu kam: „Nach dem Stu­di­um habe ich als Leh­rer an einer evan­ge­li­ka­len Schu­le gear­bei­tet. Hier bekam ich aber schnell Pro­ble­me wegen mei­ner huma­nis­ti­schen Ansich­ten und habe bald mei­ne Stel­le ver­lo­ren. Kurz dar­auf nahm ich an einer inter­na­tio­na­len huma­nis­ti­schen Kon­fe­renz teil und beschloss, in mei­ne alte Hei­mat zurück­zu­keh­ren und eine Schu­le zu grün­den.“

Zu Beginn mie­te­te der jun­ge Leh­rer einen Raum an und beginnt zunächst mit dem Unter­richt für nur drei Schüler*innen. „Nach und nach kam ich in Kon­takt mit den ande­ren, neu­ge­grün­de­ten huma­nis­ti­schen Schu­len in Ugan­da. Wir schrie­ben an das New Huma­nist-Maga­zin und baten um Unter­stüt­zung für unser Pro­jekt. Von hier an mach­ten wir schnell Fort­schrit­te.“

Unterstützung aus Großbritannien

Ste­ve Hurd, ein enga­gier­ter Huma­nist aus Groß­bri­tan­ni­en, hör­te von der neu­ge­grün­de­ten Schu­le. Er begann in sei­ner Hei­mat Geld für das Pro­jekt zu sam­meln. Im ers­ten Jahr kamen 400 Pfund zusam­men, gedacht für den Kauf von Büchern. Kurz dar­auf wur­de der Ugan­da Huma­nist Schools Trust gegrün­det. Durch ein ste­tig wach­sen­des Netz­werk von Unterstützer*innen kann die Orga­ni­sa­ti­on den mitt­ler­wei­le fünf huma­nis­ti­schen Schu­len jähr­lich rund 50.000 Pfund zur Ver­fü­gung stel­len. Ste­ve Hurd betont, wie wich­tig es ist, immer wie­der Ver­trau­en bei den Spender*innen zu schaf­fen: „Wir besu­chen die Schu­len zwei Mal im Jahr auf eige­ne Kos­ten. Dann ver­sen­den wir detail­lier­te Berich­te an alle Spen­de­rin­nen und Spen­der, in denen wir auch die Pro­ble­me und Schwie­rig­kei­ten detail­liert beschrei­ben.“

Bild: Andrew West
Der Eng­län­der Ste­ve Hurd sam­mel­te Geld für das huma­nis­ti­sche Schul­pro­jekt in Ugan­da.

Mit Mit­teln des Ugan­da Huma­nist Schools Trust wur­de Land gekauft und ers­te Schul­ge­bäu­de errich­tet. Heu­te, 16 Jah­re spä­ter, besu­chen über 600 Schüler*innen die wei­ter­füh­ren­de Schu­le. Es gibt Schlaf­sä­le mit Sani­tär­an­la­gen, Klas­sen­räu­me, eine Biblio­thek, ein klei­nes Schul­la­bor und zuletzt wur­de ein Com­pu­ter­raum ein­ge­rich­tet, in dem die Schüler*innen erst­mals Zugang zum Inter­net bekom­men.

Für Schul­lei­ter Moses Kamya war es ein lan­ger Weg bis hier­hin. „Zu Beginn hat­ten wir vie­le Schwie­rig­kei­ten. Es gab kein sau­be­res Was­ser, also haben wir die pro­tes­tan­ti­sche Kir­chen­ge­mein­de im Ort um Hil­fe gebe­ten, die einen Brun­nen besaß. Der Pries­ter woll­te uns aber nur Was­ser geben, wenn wir unse­re Kin­der zwei Mal in der Woche zur Mes­se in sei­ne Kir­che schi­cken.“ Dar­auf­hin bohr­te die Schu­le mit Unter­stüt­zung aus Groß­bri­tan­ni­en selbst einen Brun­nen. „Jetzt haben wir genug Was­ser und kön­nen sogar die Men­schen aus der Nach­bar­schaft mit­ver­sor­gen.“

Moses Kamya beklagt, dass in Ugan­da immer noch die Vor­stel­lung ver­brei­tet ist, dass Men­schen, die nicht an Gott glau­ben, unmo­ra­lisch und schlecht sei­en. Um die­ses Bild zu kor­ri­gie­ren, setzt er auf eine enge Zusam­men­ar­beit mit der loka­len Bevöl­ke­rung: „Wir kau­fen unse­re Lebens­mit­tel und alles, was wir für den täg­li­chen Bedarf brau­chen, bei loka­len Bau­ern in der Umge­bung und stel­len Men­schen aus den umlie­gen­den Dör­fern in der Schu­le an. Auch die Eltern der Kin­der besu­chen uns oft. So ver­su­chen wir den Men­schen hier vor Ort zu zei­gen, dass wir Huma­nis­tin­nen und Huma­nis­ten gute Men­schen sind.“

Bildung als Ausweg

Auch für Joan Muki­sa wur­den die huma­nis­ti­schen Idea­le Teil ihres Lebens. Sie begann, sich wäh­rend ihrer Schul­zeit aktiv in der Gemein­schaft ein­zu­brin­gen, enga­gier­te sich in den huma­nis­ti­schen Clubs und lei­te­te schon nach kur­zer Zeit die Pfad­fin­der­grup­pe der Schu­le. Heu­te stu­diert sie Jura in der Haupt­stadt des Lan­des. Was sie antreibt? „Ich stu­die­re, weil ich für die Rech­te von Men­schen kämp­fen will, die nichts haben. Mei­ner Mut­ter wur­de alles genom­men, als mein Vater starb. Ich will Anwäl­tin wer­den, um gegen die­se Unge­rech­tig­kei­ten zu kämp­fen.“

Bild: Ste­ve Hurd
Moses Kamya, Schul­lei­ter der Mus­tard Seed School

Für Schul­lei­ter Moses Kamya und sei­ne Mit­strei­ter ist es auch wich­tig, dem reli­gi­ös gepräg­ten Bil­dungs­sys­tem etwas ent­ge­gen­zu­set­zen. Evan­ge­li­sche und katho­li­sche Schu­len gibt es bereits seit der Kolo­ni­al­zeit. Gro­ße Sor­ge machen Ste­ve Hurd vom Ugan­da Huma­nist Schools Trust jedoch die neue­ren Schu­len, die von ame­ri­ka­ni­schen Evan­ge­li­ka­len gegrün­det wur­den. „Dort herrscht ein tief illi­be­ra­ler Geist, geprägt von kör­per­li­cher Züch­ti­gung und reli­giö­sen Lehr­in­hal­ten“, kri­ti­siert er. Selbst die Eltern müs­sen kon­ver­tie­ren, wenn sie ihre Kin­der auf eine die­ser Schu­len schi­cken wol­len.

Die huma­nis­ti­schen Schu­len in Ugan­da ver­su­chen dem ein Kon­zept ent­ge­gen­zu­stel­len, das von Tole­ranz geprägt ist. In der Mus­tard Seed School wer­den alle Kin­der, unab­hän­gig von ihrem Glau­ben auf­ge­nom­men, erklärt Moses Kamya. „Wir erklä­ren den Kin­dern unse­re Ideen und unse­rer Lebens­phi­lo­so­phie. Wir machen Ange­bo­te. Ob sie sich über­zeu­gen las­sen bleibt ihnen über­las­sen.“ Für Ste­ve Hurd geht die­ses Kon­zept auf: „Es gibt für mich nichts Schö­ne­res als ein mus­li­mi­sches und ein christ­li­ches Mäd­chen, die gemein­sam begeis­tert ein Che­mie-Expe­ri­ment durch­füh­ren.“

Coronakrise gefährdet die Erfolge

Für vie­le Kin­der in Ugan­da ist die Schu­le mehr als ein Ort zum Ler­nen. Ein Groß­teil lebt die meis­te Zeit des Jah­res dort. Die Schu­le bie­tet ein gewis­ses Maß an Sicher­heit und Ver­sor­gung der Kin­der. Doch die Coro­na­kri­se hat das Schul­sys­tem des Lan­des schwer getrof­fen – auch die Mus­tard Seed School. Die loka­len Märk­te wur­den weit­ge­hend geschlos­sen, was zum Zusam­men­bruch der Geld­wirt­schaft führ­te. Vie­le Men­schen sind seit­dem auf Selbst­ver­sor­gung in der Land­wirt­schaft ange­wie­sen, um zu über­le­ben. Daher haben vie­le Eltern nicht mehr die Mit­tel, um die Schul­ge­büh­ren auf­zu­brin­gen.

Die huma­nis­ti­schen Schu­len in Ugan­da benö­ti­gen Unter­stüt­zung. Wer spen­den oder die Pro­jek­te in einer gemein­sam orga­ni­sier­ten Rei­se besu­chen möch­te, fin­det alle Infor­ma­tio­nen unter ugandahumanistschoolstrust.org

„Auch für uns ist die dies eine exis­ten­zi­el­le Kri­se“, sagt Moses Kamya. „Im Früh­jahr 2020 muss­ten wir die Schu­le schlie­ßen und die Kin­der nach Hau­se schi­cken. Dies bedeu­tet auch, dass wir das drin­gend not­wen­di­ge Schul­geld zur­zeit nicht mehr bekom­men. Gleich­zei­tig woll­ten wir aber unse­ren Lehr­kräf­ten wei­ter wenigs­ten ihr hal­bes Gehalt zah­len.“ Seit Beginn des Jah­res konn­ten die älte­ren Schüler*innen wie­der zurück an die Schu­le kom­men. Doch wann Imp­fun­gen für die Men­schen in Ugan­da ver­füg­bar sein wer­den, ist völ­lig unklar – und damit ist auch nicht abseh­bar, wann ein nor­ma­ler Schul­be­trieb in Ugan­da wie­der begin­nen kann.

Kritisches Denken für eine bessere Zukunft

Den­noch will man sich an der Mus­tard Seed School nicht unter­krie­gen las­sen, betont Moses Kamya. „Gera­de jetzt in der Pan­de­mie ver­su­chen wir unse­re huma­nis­ti­schen Idea­le hoch­zu­hal­ten. In Ugan­da gibt es vie­le Stim­men, die behaup­ten, Coro­na wäre eine Stra­fe Got­tes oder Zau­be­rei. Wir erklä­ren unse­ren Schü­le­rin­nen und Schü­lern das Virus wis­sen­schaft­lich und ver­mit­teln ver­nünf­ti­ge Stra­te­gien, um es zu bekämp­fen.“

Und der Erfolg der Schu­le zeigt sich auch in den Ergeb­nis­sen der Abschluss­klas­sen. So beleg­te die Mus­tard Seed School im letz­ten Jahr den 374. Rang von über 4.000 Schu­len lan­des­weit. Für vie­le Schüler*innen konn­te die offe­ne und moder­ne Aus­bil­dung neue Lebens­we­ge eröff­nen. Eini­ge Absolvent*innen, die über­wie­gend aus armen, bäu­er­li­chen Ver­hält­nis­sen kom­men, haben nach ihrer Schul­aus­bil­dung einen der weni­gen Uni­ver­si­täts­plät­ze des Lan­des erhal­ten.

Für Schul­lei­ter Moses Kamya ist dies eine Chan­ce für die jun­gen Men­schen selbst, aber auch für das Land: „Unser huma­nis­ti­scher Ansatz in der Bil­dung hilft, aus den Schü­le­rin­nen und Schü­ler frei den­ken­de, krea­ti­ve Men­schen zu machen, die nicht von Reli­gi­on oder Aber­glau­be klein gehal­ten wer­den. Ugan­da hat gro­ße Pro­ble­me. Vie­le Babys ster­ben, weil Müt­ter auf Wun­der­hei­ler ver­trau­en und sie nicht ins Kran­ken­haus brin­gen. Und immer noch prak­ti­zie­ren selbst­er­nann­te Magi­er Men­schen­op­fer. Wir ver­su­chen durch die Ver­mitt­lung von Ver­nunft und Wis­sen­schaft gegen die­se Grau­sam­kei­ten anzu­kämp­fen. Nur durch eine Erzie­hung zum kri­ti­schen Den­ken kann sich unser Land und unse­re Gesell­schaft wei­ter­ent­wi­ckeln.”

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