Sabrina, wie ist eure Kampagne konzipiert? Wie seid ihr an die Medienauswahl herangegangen?
Insgesamt hatten wir den Wunsch, mehr Geschichten zu erzählen, näher zu den Leuten zu kommen. Uns war relativ schnell klar, dass wir Menschen aus dem Verband vorstellen möchten – und dass wir sie selbst erzählen lassen wollen. Wir wollten den Verband in seiner Vielfalt darstellen, d.h. wir brauchten Frauen und Männer, Berliner*innen und Brandenburger*innen, Junge und Alte, Hauptamtliche und Ehrenamtliche.
Unsere Kampagne sollte zudem crossmedial funktionieren, die Menschen sowohl im Netz als auch in ihrem realen Alltag erreichen. Es stand von Anfang an fest, dass wir dafür bewegte Bilder brauchen und dass wir die sozialen Medien stark nutzen wollen. Vieles ist danach gewachsen – es sind immer mehr Ideen dazugekommen.
Welche Ziele hat die Kampagne, was wollt ihr damit vermitteln?
Wir wollen zeigen, dass Humanismus konkret und greifbar ist. Sichtbar machen, was für die Menschen bei uns Humanismus bedeutet und wie das konkret in ihrem Alltag aussieht. Denn Humanismus ist deutlich mehr als eine verkopfte Theorie. Wenn man die Leute erzählen lässt, was sie machen und was ihnen wichtig ist, welche Werte sie vertreten, dann wird relativ schnell klar, wie alltäglich und praktisch Humanismus ist. Deshalb erzählen wir auch keine abgeschlossene Geschichte, wir kuratieren viel mehr die Geschichten, die Thea, Richard, Karina und die anderen zu erzählen haben. Wir erreichen – zum Beispiel über die sozialen Netzwerke – auf diese Weise sehr niedrigschwellig Menschen, die uns noch gar nicht kennen. Und viele erkennen sich und ihren Alltag darin wieder, sie leben nämlich nach humanistischen Werten, ohne sich das vor Augen zu führen.
Sabrina Banze ist Teil des Referats Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg. Gemeinsam mit ihrem Team, Thomas Hummitzsch und Josefine Löser, hat sie die Kampagne EINE_R VON UNS konzipiert.
Eure Kampagne ist sehr vielfältig und bezieht jede Menge Medien ein: Kino, YouTube, Facebook, Webseite, Plakate, Postkarten … Wo und wie bekommt ihr das meiste Feedback?
Wir merken die Wirkung vor allem in den sozialen Medien und auf der Straße, also da, wo wir den direkten Kontakt mit Menschen haben, ob das nun digital oder analog ist. Natürlich kommt auch die eine oder andere E‑Mail als Reaktion, aber gerade auf Social Media haben wir gemerkt, dass wir auf Kampagnenstatements wie „Hass bringt nichts“ oder „Es ist scheißegal, wen Du liebst“ mehr Reaktionen bekommen als auf glatte Beiträge, an denen sich niemand reibt. Wir merken, dass es klare, emotionale Botschaften sind, hinter denen sich Leute versammeln. Auf schwammige Aussagen bekommt man keine Reaktionen.
Wie sind denn die Reaktionen, die ihr bekommt?
Tatsächlich bisher fast ausschließlich positiv, die Beiträge werden viel geteilt. Unsere noch überschaubaren Follower-Zahlen bei Facebook und Twitter steigen langsam aber stetig, auch dank der Kampagne. Einige Kampagneninhalte polarisieren durchaus stark. „Gott hilft nicht“ zum Beispiel wird oft falsch verstanden – als wollten wir sagen, dass Glauben nicht hilft. Dabei hilft vielen Menschen ihr Glaube, das streiten wir gar nicht ab. Aber wir denken, dass es keine übernatürliche Instanz gibt, die die Dinge schon richten wird. Die Menschen müssen selbst tätig werden. Über solche Missverständnisse entstehen häufig spannende Gespräche und Diskussionen.
Welche Vorteile haben soziale Medien bzw. Kanäle? Welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht?
Der ganz große Vorteil ist, dass soziale Medien extrem niedrigschwellig sind! Sie bieten eine tolle Möglichkeit, Menschen zu erreichen. Denn auf die eigene Website müssen die Leute erst einmal kommen. Es ist viel leichter, unseren Facebook-Kanal zu abonnieren und zu schauen: Was machen die? Wo sind die vertreten? Wofür stehen die? Man kann also sympathisieren, ohne sich direkt festlegen zu müssen. Und das funktioniert auch über Landesgrenzen hinaus. Wir bekommen Nachrichten nicht nur aus Berlin und Brandenburg, sondern aus ganz Deutschland.
Potenziell muss man sich im Netz und in den sozialen Medien aber auch mit Negativem wie Hate Speech, Trollen und Fake News herumschlagen.
Klar, Trolle, Shitstorms – das kann’s geben. Das hatten wir allerdings in der Form erst einmal, mit Anhänger*innen der AfD. Es hat auch einiges an Zeit und Nerven gekostet, die Negativbewertung der AfD-Klickarmee wieder auszugleichen. Ansonsten gibt es natürlich wie auch in der echten Welt immer Leute und Positionen, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Ein deutlicher Unterschied zur echten Welt ist: Im Netz lesen viele Menschen mit. Und auch die nehmen wahr, ob und wie wir auf kritische Stimmen reagieren.
Ein Shitstorm kann also langfristig sogar etwas Positives bringen, wenn er eine starke Positionierung ermöglicht?
Ja, wir haben damals viel positives Feedback bekommen, weil wir uns dazu entschieden hatten, ganz transparent zu machen, warum wir es nicht für richtig hielten, die AfD wie jede andere Partei zu behandeln und bei einer verbandseigenen Veranstaltung dabeizuhaben. Wir haben gemerkt, diese Transparenz wird honoriert. Aber es kostet eben manchmal auch Zeit und Nerven. Wir führen nicht jede Diskussion über Stunden hinweg. Wir antworten zwei, drei, vier Mal. Und wenn wir merken, es läuft sich tot, dann lassen wir’s. Und wir weisen darauf hin, dass man bitte auf unserer Seite nett zueinander ist.
Ist es denn manchmal schwierig, nicht die Nerven zu verlieren, wenn jemand im Netz herumwütet oder hetzt, sich dann nicht im Tonfall zu vergreifen?
So sehr uns Hass und Hetze auch manchmal wütend machen: Es geht nie ohne Höflichkeit, aber das gilt ja auch für den privaten Umgang. Wenn man Menschen, die einem wütend begegnen und einen anfeinden, auch wieder mit Wut begegnet, bekommt man eine Wutspirale, einen Kreislauf, den keiner mehr aufbrechen kann. Das bringt gar nichts. Manchen geht es nur darum Stunk zu machen, die sind dann sowieso für kein Argument offen. Und man tut sich selbst auch keinen Gefallen damit.
Noch einmal zurück zu eurer Kampagne: Was würdest du sagen, was war bisher das Spannendste, das ihr aus den Rückmeldungen für euch mitgenommen habt?
Eine tolle Erfahrung sind die Reaktionen, die man bekommt, wenn man mit klaren Statements rausgeht und Haltung zeigt. Damit können sich die Leute dann identifizieren – und wenn nicht, können sie darüber diskutieren. Das ist, glaube ich, was die Kampagne so trägt.
Die Kampagne
Mit EINE_R VON UNS stellt der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg Persönlichkeiten vor, die sich für eine menschlichere Gesellschaft starkmachen. 25 Videoporträts sind das Herzstück der Kampagne. Darüber hinaus ist die Kampagne auch im Stadtbild zu finden – etwa auf Plakaten, Aufklebern oder Postkarten. Mehr unter: www.einevonunswerden.de | www.einervonunswerden.de