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Trauerbegleiterin Ute Zerwer im Gespräch

Trauerbegleitung: „Für mich hat diese Arbeit viel mit Gefühl und Empathie zu tun“

Trauerbegleitung

Beitragsbild: Pavel Danilyuk/ Pexels

Früher wollte Ute Zerwer eigentlich Hebamme werden, ein Beruf, der am Anfang des Lebens steht. Auf ihrem beruflichen Weg und auch ehrenamtlich befasst sie sich jedoch seit vielen Jahren mit dem Ende des Lebens. Als Fachkrankenschwester für Onkologie und im ambulanten Hospizdienst hatte sie mit Schwerstkranken und Sterbenden zu tun, heute berät sie Menschen zu Patientenverfügungen. Seit fünf Jahren leitet sie ehrenamtlich eine Trauergruppe. Inwiefern ist die Auseinandersetzung mit Tod und Trauer eine Form von Bildung? Wir haben mit Ute Zerwer über ihre wichtige Arbeit als Trauerbegleiterin gesprochen.

Ute, du hast einen spannenden Werdegang. Du bist Fachkrankenschwester für Onkologie, warst im Hospiz tätig und arbeitest heute als Beraterin für die Zentralstelle Patientenverfügung des HVD. Wie kam es zu deinem ehrenamtlichen Engagement als Trauerbegleiterin?

Bei mei­ner Tätig­keit als Kran­ken­schwes­ter im Kran­ken­haus und in einer onko­lo­gi­schen Arzt­pra­xis haben wir The­ra­pien durch­ge­führt in der Hoff­nung auf Hei­lung, wir haben die Men­schen unter­stützt. Aber wenn nichts mehr zu tun war, dann sind die Pati­en­ten mit einer Hos­piz­lis­te unterm Arm nach Hau­se gegan­gen. Da habe ich mich gefragt: „Was pas­siert mit den Men­schen, wenn die Medi­zin am Ende ange­langt ist, wenn man auf die­sem Wege nicht mehr hel­fen kann?“ Die Pal­lia­tiv­me­di­zin war noch nicht so weit ent­wi­ckelt wie jetzt. Ich habe mich dann 2010 beim Hos­piz bewor­ben und wur­de als ambu­lan­te Hos­piz­ko­or­di­na­to­rin bei VISITE ein­ge­stellt, wo ich sie­ben Jah­re lang gear­bei­tet habe. Ich woll­te ich nie den Blick auf die Pra­xis ver­lie­ren und habe des­halb auch am Wochen­en­de als Schwes­ter im Hos­piz gear­bei­tet. Für die Ver­stor­be­nen haben wir Erin­ne­rungs­fei­ern gestal­tet. Dabei sind wir mit Trau­ern­den in Ver­bin­dung gekom­men und ich habe mich wäh­rend die­ser Zeit sehr mit dem The­ma Trau­er befasst.

Und dort wolltest du dann ansetzen?

Genau, ich fand, dass Trau­er­be­glei­tung eine gute Ergän­zung ist, wenn man mit Tod und Ster­ben und mit trau­ern­den Ange­hö­ri­gen in Ver­bin­dung kommt. Des­halb habe ich dann 2015 mei­ne Aus­bil­dung zur Trau­er­be­glei­te­rin gemacht. Der Umgang mit Tod und Trau­er und Emo­ti­on ist mir nicht in die Wie­ge gelegt wor­den, son­dern das habe ich mir erar­bei­tet.

Bild: Hof­fo­to­gra­fen

Ute Zer­wer (*1962) ist Fach­kran­ken­schwes­ter für Onko­lo­gie, Psy­cho­on­ko­lo­gin, Trau­er­be­glei­te­rin und seit 2017 Bera­te­rin in der Zen­tral­stel­le Pati­en­ten­ver­fü­gung des HVD. Bei Inter­es­se an einem Vor­ge­spräch zum The­ma Trau­er im Raum Ber­lin kön­nen Sie sich an per Mail an Ute Zer­wer wen­den.

Wie sieht deine Tätigkeit als Trauerbegleiterin aus? Wie gehst du an das Thema heran?

Es gibt ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten, Trau­ern­de zu beglei­ten. Ich habe durch mei­ne Aus­bil­dung sozu­sa­gen „Tools“ in die Hand bekom­men, wie ich mit den Men­schen arbei­ten kann. Eine Trau­er­be­glei­tung kann als Ein­zel­trau­er­be­glei­tung oder in der Grup­pe statt­fin­den – in fes­ten oder in offe­nen Grup­pen. Nach mei­ner Aus­bil­dung zur Trau­er­be­glei­te­rin bot sich mir die Mög­lich­keit, eine offe­ne Trau­er­grup­pe zu über­neh­men, im Bür­ger­haus in Ber­lin-Buch, mit fünf bis sie­ben Teil­neh­men­den. Die­se Grup­pe läuft seit­dem, wenn auch Coro­na-bedingt aktu­ell natür­lich ein­ge­schränkt.

Wie sieht so eine Gruppensitzung aus, was passiert da?

Eine Grup­pen­sit­zung dau­ert andert­halb Stun­den und fin­det alle 14 Tage statt. Es ist ein nied­rig­schwel­li­ges Ange­bot. Die The­men dre­hen sich um alles, was bewegt. Ich ach­te dar­auf, dass es allen gut geht, auch dass wir beim The­ma blei­ben, was aber auch nicht immer zur Fol­ge hat, dass wir alle im Kreis sit­zen und wei­nen, es wird auch gelacht. Die Grup­pe stärkt sich durch die Gesprä­che gegen­sei­tig und unter­ein­an­der. Wir schwei­gen auch mal zusam­men, das ist nicht schlimm. Das ist ein Aus­hal­ten der Stil­le. Es gibt die Regel: Jeder kann, kei­ner muss spre­chen. Und Stö­run­gen gehen vor, das heißt, wenn es eine Stö­rung gibt, dann wei­chen wir auch von dem Rah­men ab, den wir uns vor­ge­nom­men haben.

Was ist deine Aufgabe als Gruppenleiterin?

Mei­ne Auf­ga­be besteht dar­in, zu schau­en, wie es den Teil­neh­mern geht, wenn sie mit­ein­an­der inter­agie­ren. Ich mache The­men­vor­schlä­ge, lei­te und beglei­te das Gespräch. Mei­ne Inten­ti­on ist es auch, die Teil­neh­mer zu bestär­ken, einen ande­ren Blick­win­kel ein­zu­neh­men. Ich gebe dabei Impul­se bzw. fan­ge sie auf.  

Welche Voraussetzungen gibt es für die Trauergruppe? Kann jede*r teilnehmen?

Ich habe selbst Vor­aus­set­zun­gen für die Teil­nah­me in der Grup­pe erar­bei­tet. Zum Bei­spiel füh­re ich zunächst ein ein­stün­di­ges Vor­ge­spräch, um den Men­schen ken­nen­zu­ler­nen und zu schau­en, ob es für die Grup­pe passt. Nicht für jeden ist eine Trau­er­grup­pe etwas, das ist ganz klar.

Im Vor­ge­spräch erfra­ge ich, wor­um es geht: Ist es ein Mensch, der gestor­ben ist? Ist es ein Kind, das ver­stor­ben ist? Ist der­je­ni­ge durch Sui­zid ums Leben gekom­men? Es hat sich auch her­aus­ge­stellt, dass es für die Teil­nah­me in der Trau­er­grup­pe hilf­reich ist, dass ein biss­chen Zeit ver­geht, dass es nicht „ganz fri­sche“ Ereig­nis­se sind. Und ich mache im Vor­ge­spräch immer deut­lich: Ich bin kei­ne The­ra­peu­tin. Ich kann im Rah­men der Trau­er­be­glei­tung dafür sor­gen, dass es in einem Grup­pen­ge­fü­ge gut läuft. Aber ich kann nicht the­ra­pie­ren.

Ist die Auseinandersetzung mit dem Sterben, mit dem Umgang mit Trauer ein Beitrag zur Enttabuisierung des Themas Tod? Könnte man deine Arbeit in der Trauerbegleitung – im weiteren Sinne – auch eine Art Bildungsangebot begreifen?

Dar­über habe ich mir so noch nie Gedan­ken gemacht. Sicher ist es kei­ne „Bil­dung“ in dem Sin­ne, wie sie land­läu­fig ver­stan­den wird – im Sin­ne von Schu­le und Co. Aber natür­lich kann man sagen: Ich gebe mei­ne Tools wei­ter, damit die Men­schen ihr Leben wei­ter­le­ben kön­nen, gut leben kön­nen. Ich bie­te ihnen ande­re Per­spek­ti­ven an, wenn sie das wol­len. Inso­fern kann man sagen, ja, es ist eine Art der Bil­dung – auch wenn ich mich natür­lich nicht als „Leh­re­rin“ ver­ste­he. Für mich hat die­se Arbeit viel mit Gefühl und Empa­thie zu tun. Ich bin jemand, der gro­ßes Inter­es­se an Men­schen hat: Wie ticken sie, wie den­ken sie, wie füh­len sie? Ich glau­be an kei­nen Gott, aber ich glau­be an Herz und Ver­stand.

Vielen Dank für das Interview!

In vie­len der HVD-Lan­des­ver­bän­de gibt es aus­ge­bil­de­te Trauerbegleiter*innen. Wen­den Sie sich bei Inter­es­se an den Lan­des­ver­band in Ihrem Bun­des­land.

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