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Humanistisches Menschenbild

Die Welt ist veränderbar

| von
menschen sonnenuntergang

Beitragsbild: Andrew Burns/ Pexels

Paula Weiland, eine Schülerin des Lebenskundeunterrichts der Humanistischen Gemeinschaft Hessen (HuGH), beschäftigte sich in einem Aufsatz mit dem Humanistischen Menschenbild. In dem Text, den wir hier in gekürzter Form abdrucken, kam die 18-Jährige zu einem ermutigenden Ausblick.

Ein Mensch, der selbst ein höchst wür­de­vol­les und schö­nes Leben erfährt, dies gleich­zei­tig aber auch ande­ren ermög­licht, sich für Soli­da­ri­tät, Gleich­be­hand­lung und Viel­falt ein­setzt, ist der Ansatz des Huma­nis­ti­schen Men­schen­ver­ständ­nis­ses. Ein schö­ner Gedan­ke, eine wun­der­schö­ne, fried­vol­le Welt, eine Gesell­schaft ohne Krieg, ohne Ego­is­mus, ohne Aus­gren­zung, ohne Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen. Jeder kann sein Leben selbst gestal­ten, sein Lebens­glück, sei­ne Lebens­lust maxi­mie­ren, das Bes­te aus sei­nem Leben machen, solan­ge er nie­man­den damit ein­schränkt. Zufrie­den­heit basiert auf Gegen­sei­tig­keit, statt auf Ego­is­mus und Aus­beu­tung. Das Leben rich­tet sich pri­mär nach Gewis­sen und Moral, statt nach der Wirt­schaft und mate­ri­el­len Gewin­nen. Ver­schie­den Den­ken­de leben gemein­sam, fried­lich ohne Streit und Krieg. Statt vor­schnell zu urtei­len, wer­den die Denk­an­sät­ze ande­rer ange­hört, hin­ter­fragt, man kommt in einen Aus­tausch, lie­fert neue Ansät­ze und bei völ­li­gem Dis­sens kommt es kei­nes­falls zu einem Aus­schluss. Ver­schie­de­ne Reli­gio­nen leben daher fried­lich bei­sam­men, ver­schie­de­ne poli­ti­sche und sexu­el­le Ori­en­tie­run­gen akzep­tie­ren ein­an­der und unter­stüt­zen die Ent­fal­tung des Selbst und des der ande­ren. Eine har­mo­ni­sche Welt.

… die so jedoch nicht exis­tiert. Unse­re Welt ist vol­ler Schat­ten­sei­ten. Täg­lich wer­den Men­schen­rech­te ver­letzt und mit Füßen getre­ten. Es gibt so vie­le Men­schen, die Tag für Tag unter unmensch­li­chen Bedin­gun­gen leben müs­sen, die Tag für Tag see­lisch und kör­per­lich ver­letzt wer­den, die in ihren Rech­ten, ihrem per­sön­li­chen Glück ein­ge­schränkt wer­den. Chan­cen­gleich­heit ist in unse­rer aktu­el­len Welt ein Wort, dass alles ande­re als prä­sent ist. Viel­mehr das Gegen­teil ist der Fall. Men­schen wer­den wegen ihrer Haut­far­be aus der Gesell­schaft aus­ge­schlos­sen, wer­den gewalt­tä­tig unter­drückt, von der ver­meint­li­chen Schutz­macht, der Poli­zei, bloß­ge­stellt, ver­letzt und getö­tet. Ver­skla­vung, Men­schen­han­del, Kin­der­ar­beit, Pro­sti­tu­ti­on, usw. sind The­men­ge­bie­te, die frü­her stark prä­sent waren und noch immer statt­fin­den, vie­len ist dies jedoch gar nicht bewusst. […]

Zahl­rei­che Men­schen wol­len die­se Unge­rech­tig­kei­ten gar nicht sehen, nichts ändern, trau­en sich auch ein­fach oft­mals nicht, etwas zu sagen. Mir geht’s ja gut, ist hier häu­fig die Devi­se. Auch die Umwelt lei­det unter die­sem Mot­to. Ego­is­tisch fah­ren wir jeden Tag Auto, selbst zum Super­markt um die Ecke, den wir locker zu Fuß errei­chen kön­nen. Haupt­sa­che bequem. […] Wie lan­ge war­nen For­scher nun schon vor dem Kli­ma­wan­del, doch ein Han­deln war vie­len bis­lang nicht wirk­lich mög­lich. Da müs­sen erst die Pole schmel­zen, dass die Men­schen anfan­gen dar­über nach­zu­den­ken. […]

Dank unse­res Kon­sum­ver­hal­tens ster­ben zahl­rei­che Tier­ar­ten aus, wird die Natur ver­schmutzt und letzt­end­lich zer­stört. Das nöti­ge Bewusst­sein fehlt vie­len. Die Rela­ti­on, die Kon­se­quen­zen sind häu­fig schwer ein­zu­ord­nen, der Ego­is­mus über­wiegt auch hier. Der Kli­ma­wan­del ist ein Pro­blem, das frü­her bereits viel zu wenig Auf­merk­sam­keit bekom­men hat […]. Wer sind die Haupt­ver­ur­sa­cher? Die Indus­trie­na­tio­nen. Wer bekommt die Fol­gen zuerst und vor allem mas­siv zu spü­ren? Die Ent­wick­lungs­län­der. Stört das die rei­chen Staa­ten? Wohl kaum. Das Ver­hal­ten ist alles ande­re als fair. Men­schen müs­sen flie­hen, ihre Hei­mat ver­las­sen. In Les­bos, einem Flücht­lings­auf­nah­me­la­ger, leben Flücht­lin­ge unter unwür­di­gen Ver­hält­nis­sen, nahe­zu men­schen­ver­ach­tend. Kin­der wer­den von Rat­ten ange­fres­sen, Hygie­ne ist kaum vor­han­den. Euro­pa unter­hält die­se Lager. Wir unter­hal­ten die­se Lager. Abschre­ckung, Ein­sper­ren, Krank­hei­ten. So neh­men wir Flücht­lin­ge auf – unmensch­lich. Betrof­fen­heit reicht hier nicht mehr. Wir müs­sen aktiv wer­den. […]

Natür­lich gibt es Men­schen, die hin­ter­fra­gen, nicht alles anneh­men, was ihnen auf­ge­tischt wird. Doch es gibt eben auch genug Men­schen, die sich ein­fach der Mas­se anpas­sen, alles hin­neh­men, wie es kommt. Das ist jedoch mehr als gefähr­lich. Des­halb fin­de ich den Punkt, dass Wis­sen­schaft und Bil­dung hel­fen sol­len, eine Mei­nung, ein Bewusst­sein zu ent­wi­ckeln, beson­ders wich­tig. Denn Tag für Tag leben vie­le Men­schen, ohne an das Wohl ihrer Mit­men­schen, der Tie­re und der zukünf­ti­gen Gene­ra­tio­nen zu den­ken. Haupt­sa­che, das eige­ne Leben ist erträg­lich, ist schön. Alles ande­re zählt nicht. Doch was hat uns Men­schen das Recht gege­ben, sich über ande­re Men­schen, ande­re Lebe­we­sen, über die Umwelt, die uns das Leben ermög­licht, zu stel­len? Die Haut­far­be? Die Her­kunft? Der pure Ego­is­mus? „Der Mensch ist des Men­schen Wolf“ scheint unse­re Gesell­schaft deut­lich zu durch­zie­hen.

Gera­de auch in Zei­ten der Coro­na-Pan­de­mie schei­nen vie­le Men­schen mit einem Tun­nel­blick durchs Leben zu schrei­ten. Zu Beginn der Kauf­drang, die Angst, selbst nicht genug Toi­let­ten­pa­pier, nicht genug Mehl zu haben, war stets prä­sent. Das Mas­ken­tra­gen, was sich für vie­le als Qual dar­stellt. Klar, es ist nicht ange­nehm, doch wird man dadurch in sei­nen Grund­rech­ten ein­ge­schränkt? Ich glau­be weni­ger. Das Gan­ze pas­siert für unser Wohl­erge­hen. Sicher­lich soll­te man Din­ge hin­ter­fra­gen, sich sei­ne eige­ne Mei­nung bil­den. Man kann mit sei­nen Stand­punk­ten von der all­ge­mei­nen Mei­nung abwei­chen. Muss man die­se aber wirk­lich aktu­ell auf Demons­tra­tio­nen aus­le­ben? Kann man die­se nicht auch anders kund­ge­ben? Mit den Pro­tes­ten gegen die Ein­schrän­kun­gen lebe ich ein mir gege­be­nes Grund­recht aus. Doch um wel­chen Preis? Damit schrän­ke ich letzt­end­lich viel mehr Men­schen in ihren Grund­rech­ten ein, zumal die Ein­schrän­kung durch solch unüber­leg­tes Han­deln nicht weni­ger wer­den. […] Schön, dass es eini­ge gibt, bei denen Coro­na kei­ne star­ken Aus­wir­kun­gen zeigt. Doch was ist mit dem Rest? Was ist mit den Alten, den Kran­ken, den Risi­ko­pa­ti­en­ten? […]

Wir müs­sen das Bes­te aus der Situa­ti­on machen. Doch dafür müs­sen wir gemein­sam han­deln, zusam­men­hal­ten und das Gleich­ge­wicht zwi­schen per­sön­li­chem und all­ge­mei­nem Wohl so gut wie mög­lich wie­der­her­stel­len bezie­hungs­wei­se auf­recht­erhal­ten. Vor allem hier fin­de ich den Gedan­ken der Huma­nis­ti­schen Gemein­schaft schön, wich­tig für das Funk­tio­nie­ren der Gesell­schaft und ver­su­che danach zu leben. Jeder Mensch soll­te so frei wie mög­lich leben kön­nen, das Bes­te aus sei­nem Leben machen, jeden Tag, jede Stun­de genie­ßen. Natür­lich sind eini­ge Tage mal nicht so schön, doch gera­de dann soll­te man sich auf die bes­se­ren freu­en kön­nen, die­se umso mehr schät­zen, statt in einem Netz vol­ler Schat­ten gefan­gen zu sein. Ich möch­te in Frei­heit leben, selbst bestim­men, wie ich mein Leben gestal­te, ohne dafür von ande­ren aus­ge­schlos­sen zu wer­den. Ich möch­te mei­ne Gedan­ken ent­fal­ten kön­nen, möch­te dies aber auch ande­ren ermög­li­chen. Ich den­ke, dass ich ein schö­nes Leben füh­re, ich bin dank­bar für jeden Tag, jeden schö­nen Moment, der mir gege­ben wird. Ich schät­ze mein Leben, aber auch das mei­ner Mit­men­schen. Ich möch­te, dass sich auch ande­re sich so füh­len kön­nen, wie ich es tue.

Mein per­sön­li­ches Glück schränkt sich bereits ein, wenn ich jemand ande­res auf irgend­ei­ne Art und Wei­se ein­schrän­ke, denn was bedeu­tet „glück­lich sein“, wenn alle um einen her­um trau­rig sind? Wenn sie etwas bedrückt? Wenn ich sie ver­letzt habe? Des­halb freue ich mich immer über Kri­tik, denn dann kann ich mein Han­deln auch ändern. Andern­falls weiß ich ja gar nicht, ob ich ande­re trau­rig gemacht habe, oder nicht. Spre­chen statt Schwei­gen ist auch hier die Devi­se. Ich den­ke, gera­de auch das Reflek­tie­ren sei­ner eige­nen Hand­lun­gen ist von gro­ßer Bedeu­tung. Häu­fig sagt oder macht man Din­ge, ohne sich über deren Wir­kung bewusst zu sein. Den­noch soll­te man sich des Öfte­ren die Fra­gen stel­len: „War das fair, was ich gemacht oder gesagt habe? Möch­te ich so behan­delt wer­den, wie ich mei­ne Mit­men­schen behand­le?“ Lei­der machen das eher weni­ge Men­schen. Es gibt vie­le, die Kri­tik nicht anneh­men kön­nen. So wer­den sie jedoch kaum Kri­tik an sich selbst aus­üben und sich Feh­ler ein­ge­ste­hen. Doch das ist gera­de wich­tig, denn erst dann kann ich per­sön­lich an mir und mei­nem Ver­hal­ten arbei­ten, es ver­bes­sern, sodass es nicht nur mir, son­dern auch mei­nen Mit­men­schen gut geht. Kom­mu­ni­ka­ti­on, Für­sor­ge und Tole­ranz sind hier­bei beson­ders wich­tig. So kön­nen wir gemein­sam und vor allem für­ein­an­der an uns selbst arbei­ten.

Um ande­ren Men­schen die gewünsch­te und benö­tig­te Wür­de zu ermög­li­chen, die ich selbst auch erle­ben möch­te, ver­su­che ich Tag für Tag, jeden Men­schen mit dem größt­mög­li­chen Respekt zu begeg­nen, egal, wie sich die Men­schen mir gegen­über ver­hal­ten. […] War­um soll­te ich Men­schen genau­so unfair behan­deln, wenn mich das Ver­hal­ten von ihnen stört? Lie­ber zei­ge ich, wie man es bes­ser machen kann und behand­le Men­schen so, wie ich selbst behan­delt wer­den möch­te. Letzt­end­lich zäh­len mei­ne Aktio­nen und Wor­te, nicht die der ande­ren.

Auf­grund der oben genann­ten Punk­te geht mir das huma­nis­ti­sche Welt­bild beson­ders nahe. Ich glau­be, dies ist eine Denk­wei­se, die unse­re Gesell­schaft deut­lich bes­sern wür­de, wenn zumin­dest Ansät­ze davon über­nom­men wer­den wür­den. Ich den­ke aller­dings, dass vie­le Men­schen Grund­prin­zi­pi­en die­ses Men­schen­bil­des bereits ansatz­wei­se in ihrem Welt­bild ver­an­kert haben, ohne sich bewusst mit der Huma­nis­ti­schen Gemein­schaft aus­ein­an­der­ge­setzt zu haben, ein­fach aus dem Grund, dass eini­ge der Prin­zi­pi­en für ein fried­li­ches Mit­ein­an­der essen­ti­ell sind. Jedoch ist dies noch nicht bei allen Men­schen der Fall. Daher ist es wich­tig, die Gleich­be­hand­lung von Kir­che und Welt­an­schau­un­gen zu errei­chen. Es gibt so vie­le Men­schen, die sich gar nicht bewusst sind, dass die Huma­nis­ti­sche Gemein­schaft tat­säch­lich besteht. Wür­de die­se jedoch prä­sen­ter wer­den, wür­de sich, den­ke ich, das Men­schen­bild schnell ver­brei­ten und unser gemein­schaft­li­ches Leben ver­bes­sern, sodass zumin­dest vie­le Men­schen in Wür­de leben und gleich­zei­tig Wür­de ermög­li­chen könn­ten und dort ansetz­ten und zusam­men­ar­bei­ten wür­den, wo wich­ti­ge Wer­te wie Chan­cen­gleich­heit, Viel­falt, Soli­da­ri­tät, Tole­ranz, Selbst­be­stim­mung und Wür­de noch nicht ein­ge­tre­ten sind. Die Welt ist ver­än­der­bar. War­um also sehen wir Unge­rech­tig­kei­ten und tun nichts dage­gen? Wür­den wir hier bereits anset­zen, wür­de sich die Lebens­qua­li­tät so vie­ler Men­schen ver­bes­sern.

Der Weg ist weit, doch tre­ten wir die­sen nie­mals an, kön­nen wir das Ziel nicht errei­chen. Also lasst uns gemein­sam han­deln, soli­da­risch sowie selbst­be­stimmt und etwas bewir­ken, die Welt ver­bes­sern, jedes Leben ein­zig­ar­tig und wun­der­schön machen.

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