Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sind gigantisch: Müllberge wachsen, die Verschmutzung der Meere, der Luft und der Böden schreitet voran, ganze Teile der Weltbevölkerung leiden unter bestimmten Produktionsketten, und auch wenn die Ressourcenkrise weniger präsent ist als die Klimakrise, ist sie längst genauso virulent. Weil all das die Folge menschlichen Handelns ist, liegt das Urteil nahe, unsere schiere Existenz sei das Problem. So entsteht das menschliche Selbstbild als Schädling, als „planetare Krankheit“. Die Forderungen der misanthropisch gefärbten Ökologie lauten: weniger Konsum, weniger Wirtschaft, weniger Emissionen, weniger Müll, weniger Menschen – doch weniger schlecht ist noch längst nicht gut.
Die bloße Menge der Menschen ist schließlich nicht das Problem. Ob wir viel oder wenig konsumieren, ob die Wirtschaft wächst oder schrumpft, ist für das Ökosystem Erde ebenso nachrangig. Entscheidend ist, wie wir produzieren und welche Wirtschaftsform wächst. Solange aber früher oder später alles auf dem Müll landet, bleiben wir in der Dauerkrise. Eine Cradle-to-Cradle-Wirtschaft hingegen soll sogar wachsen, denn je mehr wir Menschen als Nützlinge agieren, desto besser: volle Babywindeln düngen Felder, Häuser produzieren mehr Energie als sie konsumieren, kreislauffähige Solar- und Windkraftwerke lösen die Klima- und die Ressourcenkrise, Fertigungsprozesse nutzen CO₂ als Rohstoff oder reinigen das Grundwasser, Landwirtschaft macht Ackerböden fruchtbarer – so geht morgen!
Wir Menschen sind also nicht zu viele, sondern wir haben es bisher nicht geschafft, nach dem Vorbild der Natur zu agieren. Das quasi-religiöse Erklärungsmuster, in dem der sündhafte Mensch sich an der heiligen Mutter Natur vergehe und den Hohepriestern der Askese in die Öko-Neutralität folgen müsse, ist nicht zielführend. Stattdessen sollten wir unsere Innovationskraft nutzen, um in die Zukunft aufzubrechen. Denn die Flucht nach hinten weist drei unlösbare Probleme auf: Sie ist so unattraktiv, dass sie sich in einer demokratischen Gesellschaft kaum umsetzen lassen wird. Sie ist so unproduktiv, dass sie Milliarden Menschen daran hindert, sich aus der Armut zu befreien, was wiederum neue Probleme schafft. Vor allem aber ist sie unwirksam, wie der heftige Corona-Lockdown gezeigt hat: Selbst das Herunterfahren der Weltwirtschaft hat den Erdüberlastungstag, an dem die jährlich zur Verfügung stehenden Ressourcen aufgebraucht sind, um gerade mal 24 Tage nach hinten verschoben. Um also die gigantischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nachhaltig zu lösen, brauchen wir nicht weniger Wirtschaftsleistung, Konsum und Technologie, sondern andere Formen davon. Bessere. Dann sind wir keine Bedrohung für den Planeten, sondern eine Bereicherung.
Cradle to Cradle: Die Grundannahmen auf einen Blick
- Kontinuierliche Kreisläufe: Bestandteile von Gebrauchsgegenständen zirkulieren in der Technosphäre und können endlos wiederverwendet werden. Verbrauchsmaterialien sind Nährstoff für die Biosphäre.
- Gesunde Materialien: Alle Bestandteile sind gesund für Mensch und Umwelt und für ihren Einsatzzweck geeignet.
- Erneuerbare Energie: Es mangelt nicht an verfügbarer Energie, sondern bisher an der richtigen Technologie für ihre kreislauffähige Nutzung.
- Faire Produktion: Alle Mitglieder einer Produktionskette müssen gut davon leben können.
- Positives Denken: Eine bessere Welt ist nicht nur nötig, sondern auch möglich – mit dieser Haltung kann sie erschaffen werden.
Was muss sich ändern in einer Welt, die an ihrem eigenen Wachstum zu scheitern droht? Und was kann die humanistische Idee dazu beitragen?
Drei streitbare Positionen zu Wirtschaft und Wachstum.