Suche
Perspektiven auf Wirtschaft und Wachstum

Moderne Herrschaftsverhältnisse überwinden

| von
Industrie, Sonnenaufgang, Nebel
Seit den 1970er Jahren arbeitet Frieder Otto Wolf – unter dem Eindruck von Studentenbewegung und portugiesischer Revolution (1974) – an einer radikal kritischen Erneuerung marxistischen Denkens.

Damit die Welt der Men­schen auf dem Pla­ne­ten Erde nicht an ihrem eige­nen Wachs­tum schei­tert, sind kurz­fris­tig zwei tief­grei­fen­de Ände­run­gen not­wen­dig.

Ers­tens muss die Stei­ge­rung des pro­du­zier­ten öko­no­mi­schen Wer­tes, also die Akku­mu­la­ti­on von Kapi­tal, vom stoff­li­chen Wachs­tum abge­kop­pelt wer­den. Dadurch könn­ten wir Wachs­tum neu bewer­ten. So könn­te das Wachs­tum von Lebens­qua­li­tät im Mit­tel­punkt ste­hen und nicht der höhe­re Ver­brauch von Res­sour­cen.

Zwei­tens muss die extre­me, glo­ba­le Ungleich­heit zwi­schen Arm und Reich – sowohl in Bezug auf Indi­vi­du­en, als auch in Bezug auf Gesell­schaf­ten – wirk­sam redu­ziert wer­den. Da das rea­lis­ti­scher­wei­se vor allem durch ein Redu­zie­ren der Spit­zen­ein­kom­men (v.a. durch Besteue­rung) zu errei­chen ist, und damit einer deut­li­chen Redu­zie­rung der beson­ders öko­lo­gisch belas­ten­den Tei­le des mensch­li­chen Kon­sums, hät­te allein das bereits deut­lich merk­li­che und nach­hal­ti­ge Reduk­ti­ons­ef­fek­te auf den ‚öko­lo­gi­schen Fuß­ab­druck‘ der Mensch­heit.

Dies wird zwar nicht rei­chen, um die gegen­wär­ti­ge öko­lo­gi­sche Kri­se zu über­win­den. Es könn­te der Mensch­heit aber die erfor­der­li­che Zeit ver­schaf­fen, eine tie­fer­grei­fen­de und nach­hal­tig wirk­sa­me Ver­än­de­rung anzu­ge­hen: die moder­nen Herr­schafts­ver­hält­nis­se zu the­ma­ti­sie­ren und zu über­win­den. Dass dies kei­nes­wegs leicht ist, haben wir im 20. Jahr­hun­dert gese­hen.

Was kann die huma­nis­ti­sche Idee dazu bei­tra­gen? Wir ste­hen hier vor einer Para­do­xie des prak­ti­schen Huma­nis­mus, da er als sol­cher über kei­ne spe­zi­fi­sche Theo­rie die­ser moder­nen Herr­schafts­ver­hält­nis­se ver­fügt – und auch nicht dar­über ver­fü­gen kann, ohne sich dadurch etwa in einen Mar­xis­mus, einen radi­ka­len Femi­nis­mus oder eine radi­ka­le Öko­lo­gie-Bewe­gung zu ver­wan­deln. So steht er für das „Solan­ge“ und nicht für den Kampf für wirk­lich nach­hal­ti­ge Lösun­gen, durch Über­win­dung der struk­tu­rel­len Herr­schafts­ver­hält­nis­se. Sei­ne Rol­le wird dann jedoch sein, ein­zu­for­dern und durch­zu­set­zen, dass in den gro­ßen Trans­for­ma­ti­ons­pro­jek­ten die huma­nen Mini­ma, wie sie seit 1945 in dem Men­schen­rechts­pro­zess der UNO arti­ku­liert wor­den sind, nicht ‚unter die Räder‘ kom­men.

An die­sem Punkt sind wir heu­te noch lan­ge nicht. Die gro­ßen Trans­for­ma­tio­nen sind noch nicht im kon­kre­ten Hori­zont der Poli­tik. Das bleibt noch zu erkämp­fen, in einem schwie­ri­gen Pro­zess.

Solan­ge das so ist, ist daher der prak­ti­sche Huma­nis­mus von gera­de­zu zen­tra­ler Bedeu­tung: Er ist eine breit getra­ge­ne, gemein­sa­me Ver­tei­di­gungs­li­nie. Eine Front gegen alle Ver­su­che, der Pri­vi­le­gier­ten, sich den Fol­gen der gegen­wär­ti­gen gro­ßen Kri­se zu ent­zie­hen. Der Huma­nis­mus muss sich gegen jeden Ver­such stark machen, die Kri­sen­las­ten auf die Schwä­che­ren abzu­wäl­zen – die ‚Armen‘, die ‚Mar­gi­na­len‘, die ‚Geflüch­te­ten‘, die ‚Under­dogs‘, die kom­men­den Gene­ra­tio­nen.

Was muss sich ändern in einer Welt, die an ihrem eige­nen Wachs­tum zu schei­tern droht? Und was kann die huma­nis­ti­sche Idee dazu bei­tra­gen?
Drei streit­ba­re Posi­tio­nen zu Wirt­schaft und Wachs­tum.

Inhalt teilen

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Meistgelesen

Ähnliche Beiträge

franco-antonio-giovanella-PVDWaEhSIAg-unsplash
Kommentar
Zuhören!
Ein Kommentar von Christian Lührs
Beitrag lesen »
Jugendfeier 2024 Humanisten Baden-Württemberg
Humanistische Jugendfeiern 2024
Jugendliche feiern ihr Erwachsenwerden
Die Jugendfeiersaison 2024 des Humanistischen Verbandes Deutschlands ist beendet. Auch in diesem Jahr haben wieder zahlreiche Jugendliche auf den Veranstaltungen unserer Landesverbände ihr Erwachsenwerden gefeiert. Wir gratulieren allen ganz herzlich!
Beitrag lesen »
GN 218
Paragraf 218 StGB
Zu kurz gesprungen? SPD-Positionierung zu Schwangerschaftsabbruch mit Fetenschutz
Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich in einem am 25. Juni veröffentlichten Positionspapier für eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ein. Gleichwohl soll es laut SPD weiterhin „klare gesetzliche Voraussetzungen“ geben, die mit einem „Schutzkonzept für das ungeborene Leben“ auszutarieren wären. Doch (wie) kann das funktionieren?
Beitrag lesen »
Nach oben scrollen