Uwe Christian Arnold wurde von allen Freund*innen, wie auch hier von mir, nur Christian genannt. Wir trauern um ihn, der den Schalk im Nacken hatte und das Leben liebte. Als Facharzt für Urologie war er von 1980 bis 2000 in eigener Praxis tätig, später auch als Betriebsarzt. Seit Ende der neunziger Jahre beschäftigte er sich zunehmend mit Fragen des Humanen Sterbens. Zu guter Letzt stand er wie kein anderer Mediziner in Deutschland aufgrund seiner hundertfach geleisteten ärztlichen Suizidassistenz im Lichte der Öffentlichkeit. In ganz Deutschland hatten sich in den letzten 20 Jahren schwerstleidende Patient*innen an ihn gewandt. Christians „letzte Hilfe“ war für ihn keinesfalls eine bequeme, aber konsequente Reaktion darauf, dass diese Menschen einen anderen Arzt nicht hatten finden können. Auf seine Hilfsbereitschaft und Zuverlässigkeit war absolut Verlass.
Ich lernte ihn zur Jahreswende 1999 / 2000 bei meiner Tätigkeit im Humanistischen Verband Deutschlands kennen. Eine erste gemeinsam konzipierte Fernsehaufnahme mit ihm als Sterbehelfer in unserer Geschäftsstelle musste damals noch vollständig anonymisiert werden – gezeigt wurden nur seine Beine. So offen und ehrlich wie Christian dies im Laufe der Zeit tat, hat sich kein deutscher Arzt zur praktizierten Sterbehilfe bekannt. In der Sendung hart, aber fair stellte er die ärztliche Sterbebegleitung inklusive Freitodhilfe menschlich überzeugend dar. Er erhielt unzählige Anfragen zu Medienauftritten, Interviews, Podiumsdiskussionen und Filmdokumentationen. Die ARD brachte 2012 eine Dokumentation über seine Arbeit, sein Leben, seine Hobbys, wozu das Golfspielen gehörte.
Christian war ein neugieriger, gescheiter, vielseitig interessierter Mensch. Herziehend über seine standes- und parteipolitischen Widersacher sowie alles Klerikal-Religiöse, eckte er oft an, hinzu kam seine Berliner Schnodderigkeit. Doch ließ er auch erkennen, wie sehr ihn die schweren Schicksale seiner Patient*innen oft mitnahmen.
Christian konnte in aller Beiläufigkeit beeindrucken und nicht nur mit seiner umfassenden Bildung und Herzenswärme, sondern auch mit unzähligen prominenten Bekanntschaften und subtilen Kenntnissen über alles Mögliche. Er las viel, täglich, verschlang Bücher regelrecht. Schließlich schrieb er selbst eines, mit dem Titel „Letzte Hilfe“. Seine Begeisterung etwa für alte Spielfilme oder Opernaufführungen übertrug er gern auf sein Gegenüber. Die Pointe seiner häufig zum Besten gegebenen, teils derben Witze endete meist unter eigenem Lachen, mit um Zustimmung heischendem „Ist der nicht gut?!“
Christan wandte sich gegen eine profitorientierte „Lebensverlängerungs-Medizin“ und erst recht gegen die Bevormundung durch Staat und Kirche. Dies brachte ihn, der immer schon areligiös eingestellt war, in eine teils erbitterte Gegnerschaft zu Religions- und Hospizvertreter*innen, die eine Sterbebegleitung bis zum bitteren Ende verabsolutieren, so aussichtslos leidvoll dies auch sei.
Er starb am 12. April zu Hause, selbstbestimmt, wie es so schön heißt, als Kraftlosigkeit und Leidenssymptome im Endstadium seiner Krebserkrankung unerträglich wurden. Lange hatte er dagegen angekämpft.
Christian war mit acht anderen Ärzt*innen Beschwerdeführer gegen den § 217 StGB, worüber das Bundesverfassungsgericht am 16. und 17. April verhandelte. Er hatte eigentlich so lange „noch durchhalten“ wollen, doch sein Statement musste dort ohne ihn verlesen werden.
Patient*innen und ihre Angehörigen waren Christian gegenüber voll Dankbarkeit und Verehrung. In Kondolenzschreiben klagt jetzt z. B. eine Familie: „Ein Mensch ist nicht mehr da, der uns persönlich Zuversicht gab.“ Eine langjährige Patientin schreibt: „Ich verdanke ihm, dass ich doch wieder – weitgehend – angstfrei in die Zukunft blicken kann im Wissen, mir notfalls selbst helfen zu können.“ Und ein Sohn, dessen querschnittgelähmter Mutter Christian über ein Jahrzehnt hilfreich zur Seite stand: „… fühlt sich sein Tod für mich an, als wäre jemand aus unserer Familie gestorben. … Ohne ihn wäre das Sterben meiner Mutter so viel anders, früher und viel weniger würdevoll gewesen.“
Kolleg*innen haben nach Christians Tod zum Ausdruck gebracht, wie sehr sie bei ihm den Mut bewunderten, als „Querulant“ gegen Autoritäten vorzugehen. Das bezog sich auch auf ein 2007 eingeleitetes Gerichtsverfahren zwischen ihm und der Berliner Ärztekammer, welches fünf Jahre später durch das Berliner Verwaltungsgericht zu seinen Gunsten entschieden wurde.
Nur für einen engsten Kreis hat gemäß seinem letzten Wunsch der Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg eine säkulare Urnenfeier ausgerichtet. Unsere Anteilnahme gilt seiner Ehefrau und Gefährtin Helga Arnold und den drei Söhnen jeweils mit Familie, wobei Christian auf insgesamt acht Enkelkinder stolz sein konnte.
Gita Neumann, ehemalige Referentin für Lebenskunde im HVD BB, war eine langjährige Wegbegleiterin und Freundin von Uwe-Christian Arnold und seiner Familie.