Liebe Humanist*innen,
ich hoffe, dass Sie nicht zu denen gehören, die genervt sind. Genervt von einer weiteren Äußerung zum Thema Klimaschutz. Ich kenne Menschen, die davon nichts mehr hören wollen, selbst wenn sie die Bedeutung des Themas nicht leugnen. Auch für uns Humanist*innen zählen Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsfragen nicht unbedingt zu unseren Kern- und Lieblingsthemen. Nicht umsonst heißen humanistische Veranstaltungen, die sich damit beschäftigen, dann so: „Why Humanists don’t care about climate change“ (World Humanist Congress 2023, Kopenhagen) oder „Und du so? Perspektiven von Humanist*innen auf Klimawandel und Klimagerechtigkeit“ (Humanistischer Zukunftskongress zum Welthumanist*innentag 2024). Viele von uns finden das Thema „irgendwie wichtig“, aber es fehlt an Fokus und Kraft, um hier entschiedener gemeinsam voranzuschreiten. Wir sind nicht die Einzigen, die einerseits die Notwendigkeit sehen, einen viel größeren Beitrag zu leisten, und andererseits immer wieder verdrängen und verzagen, vielleicht auch flankiert von Inkonsequenz und Gefühlen von Mut- und Machtlosigkeit.
Kleiner Schwenk zu meinem persönlichen Sommererlebnis. Szene 1: Ich habe in diesem Sommerurlaub in Südeuropa so viele Brände gesehen wie noch nie zuvor. Bahnstrecken und Flughäfen wurden gesperrt, Löschflugzeuge rotierten tageweise über unseren Köpfen, Menschen wurden evakuiert. Szene 2: Im Meer schwammen sogenannte Feuerwürmer (ein Meeresbewohner, der ca. 30 cm lang ist und wie ein großer Tausendfüßler aussieht), deren Population stark angestiegen ist, was auf Hitzewellen der vergangenen Jahre und auf die Erwärmung des Mittelmeers zurückgeführt wird. Tagsüber habe ich regelmäßig 55 Grad und mehr in der Sonne gemessen. Oft kam mir diese Reise wie ein Blick in die Zukunft Nordeuropas vor. Die Eindrücke waren erschütternd und aufrüttelnd zugleich und helfen mir – ein weiteres Mal –, die Lücke zwischen rationaler Erkenntnis und eigener Inkonsequenz schließen zu wollen.
Dieses Editorial ist ein Appell. Ein Appell an mich selbst und an uns alle, (noch) mehr Verantwortung zu übernehmen. Ein Anschreiben gegen die Trägheit, gegen den klimafeindlichen Konsum, gegen die Ohnmachtsgefühle. Und ein Ringen um kluge Strategien und mehr Entschiedenheit im verbandlichen Handeln. Der Bundesvorstand hat in seiner letzten Sitzung entschieden, Mitglied in der Klima-Allianz Deutschland werden zu wollen, ein nationales Klimabündnis, das für uns alle neue Netzwerke und Know-how erschließen wird. Ein kleiner erster Schritt. Im Juli 2024 wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit Tier- und Klimaethik beschäftigt. Wir freuen uns auch hier über Verstärkung und Engagement aus allen Landesverbänden.
Darüber hinaus gibt es viele weitere konkrete Dinge, die wir gemeinsam verbandlich und individuell anstrengen und umsetzen können. Lassen Sie uns Humanist*innen einen Unterschied machen. Und lassen Sie uns Teil des Wandels sein, den wir so dringend benötigen! Wir freuen uns über jede Rückmeldung und Anregung zu diesem Thema.
Mit humanistischen Grüßen
Ihre Katrin Raczynski
diesseits.de veröffentlicht das Editorial zum Newsletter 09|2024 des Humanistischen Verbandes Deutschlands – Bundesverband. Der monatliche Newsletter kann hier abonniert werden.