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Zur Familienpolitik der AfD

Fehlt nur noch das Mutterkreuz

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Beitragsbild: Christian Lue/unsplash

Mit dem Mutterkreuz wurden häufig gebärende Frauen in der Zeit des Nationalsozialismus belohnt. Eine Auszeichnung, die sie zugleich degradierte. Aus und vorbei? Nicht unbedingt, wie ein Blick in die Programmatik der AfD belegt.

Die AfD wird von wirk­li­chen Demo­kra­ten in Poli­tik und Gesell­schaft als unde­mo­kra­tisch, ras­sis­tisch und natio­na­lis­tisch abge­lehnt. Das hin­dert beach­tens­wer­te Tei­le der deut­schen Bevöl­ke­rung nicht dar­an, bei Wah­len ihr Kreuz bei der AfD zu set­zen. Ange­sichts wirt­schaft­li­cher Kri­sen, schwin­den­der sozia­ler Sicher­hei­ten und welt­po­li­ti­scher Bedro­hun­gen ist das neben Demons­tra­tio­nen eine wei­te­re Mög­lich­keit, Unzu­frie­den­heit und Ängs­te aus­zu­drü­cken. Aber ist die AfD wirk­lich die pas­sen­de Wahl, um den ande­ren demo­kra­ti­schen Par­tei­en mal einen Denk­zet­tel zu ver­pas­sen? Oder bringt sie im Fall einer par­la­men­ta­risch regie­ren­den Mehr­heit nicht noch mehr Übel? Anläss­lich des Inter­na­tio­na­len Frau­en­tags stellt sich diesseits.de die Fra­ge: Was blüht Frau­en und Fami­li­en, wenn die AfD die Oppo­si­ti­ons­bank ver­lässt? Ein Blick in das Euro­pa­wahl- und das Grund­satz­pro­gramm der AfD ver­rät viel.

Rückkehr zum traditionellen Familienbild

Das Fami­li­en­bild der AfD: Frau und Mann hei­ra­ten und leben bis an ihr Lebens­en­de glück­lich mit­ein­an­der, erzie­hen ihre Kin­der gemein­sam und küm­mern sich lie­be­voll um die Enkel­kin­der. Kurz gesagt: Die AfD will zurück zu Mut­ter, Vater, Kind. Die AfD schreibt zwar, dass ande­re „For­men des Zusam­men­le­bens als die Ehe zwi­schen Mann und Frau“ (EWP AfD 2023: 46) zu respek­tie­ren, aber damit kei­nes­falls gleich­zu­stel­len sei­en.

Die tra­di­tio­nel­len Fami­li­en sol­len vie­le, vie­le Kin­der zeu­gen, um die „volks­wirt­schaft­lich nicht trag­fä­hi­ge und kon­flikt­träch­ti­ge Mas­sen­ein­wan­de­rung“ (GP AfD 2016: # 6) auf­zu­hal­ten. Frau­en als Gebär­ma­schi­nen für das Vater­land … Stopp, das hat­ten wir doch schon! Ziel der akti­vie­ren­den Fami­li­en­po­li­tik (vgl. GP AfD 2016: # 6), wie sie die AfD nennt, ist „eine höhe­re Gebur­ten­ra­te der ein­hei­mi­schen Bevöl­ke­rung“ (GP AfD 2016: # 6). Inter­pre­tiert und über­spitzt bedeu­tet das für Euro­pa: Die Men­schen jedes Mit­glieds­lan­des sol­len aus­schließ­lich mit­ein­an­der schla­fen – oder sol­len sie das auch in Euro­pa unter­ein­an­der, nur nicht mit Men­schen ande­rer Kon­ti­nen­te?

Klingt nicht nach Selbst­be­stim­mung bei der Fami­li­en­pla­nung der AfD in der Euro­päi­schen Uni­on. Das liegt dar­an, dass die AfD sich dafür stark­macht, dass die „Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenz zu allen ethi­schen und fami­li­en­po­li­ti­schen The­men, ins­be­son­de­re beim Lebens‑, Selbstbestimmungs‑, Ehe­schlie­ßungs- und Schei­dungs­recht“ (EWP AfD 2023: 46), Hoheit der Natio­nal­staa­ten sein sol­le.

Benachteiligung Kinderloser und Alleinerziehender

Ins­be­son­de­re für Allein­er­zie­hen­de erfüllt die Wahl der AfD den Tat­be­stand der Selbst­ver­let­zung. Kin­der­geld soll nur nach Bedarf gezahlt wer­den. Als Grund dafür nennt die AfD die Sozi­al­mi­gra­ti­on. Denn eine mehr oder weni­ger gro­ße Sum­me deut­scher Steu­er­gel­der wür­de als Kin­der­geld ins Aus­land abflie­ßen, „unab­hän­gig von den Lebens­ver­hält­nis­sen der Kin­der in den Emp­fän­ger­län­dern“ (EWP AfD 2023: 47).

Es geht der AfD eben mehr um die „Wert­schät­zung gegen­über Eltern und ihrer Erzie­hungs­ar­beit durch Poli­tik, Medi­en, Wirt­schaft und Gesell­schaft.“ (EWP AfD 2023: 47) Da hat sie eine „Gerech­tig­keits­lü­cke“ ent­deckt, denn die Haupt­last, also die „Kos­ten, die Arbeit und der dafür nöti­ge Ver­zicht“ (EWP AfD 2023: 46) lägen bei den Fami­li­en selbst. Fami­li­en wür­den gegen­über Kin­der­lo­sen benach­tei­ligt (vgl. EWP AfD 2023: 47). Das sei der Grund, wes­halb „sich immer weni­ger Paa­re für Kin­der“ (EWP AfD 2023: 46) ent­schie­den. Ein wei­te­rer O‑Ton: „Der rapi­de Rück­gang von Mehr­kind­fa­mi­li­en in den Mit­tel­schich­ten und die hohe Zahl der Kin­der­lo­sen unter den Leis­tungs­trä­gern sind die Haupt­grün­de für die demo­gra­fi­sche Kata­stro­phe der west­li­chen Gesell­schaf­ten und für den dar­aus fol­gen­den Fach­kräf­te­man­gel.“ (EWP AfD 2023: 46 f.)

Und genau des­halb for­dert die AfD auch „eine ech­te Wahl­frei­heit zwi­schen Fremd­be­treu­ung in Krip­pen oder fami­li­en­na­her Betreu­ung durch Eltern, Groß­el­tern, Kin­der­frau­en oder Tages­müt­ter.“ (GP AfD 2016: # 6) Unlo­gisch? Ein biss­chen. Denn gera­de werk­tä­ti­ge Eltern sind auf eine insti­tu­tio­nel­le Unter­stüt­zung des Staa­tes bei der Kin­der­be­treu­ung ange­wie­sen.

Ade Schwangerschaftsabbruch

„Das Recht auf Leben ist ein fun­da­men­ta­les Men­schen­recht. Es steht dem Wunsch auf Abtrei­bung dia­me­tral ent­ge­gen. Ohne das Recht auf Leben kann kein ande­res Men­schen­recht in Anspruch genom­men wer­den. Jeder Mensch ist ab der Befruch­tung ein Mensch (EuGH-Urteil C‑34/10).“ (EWP AfD 2023: 47) Das bedarf wohl kei­ner wei­te­ren Kom­men­tie­rung. Schwan­ger­schafts­ab­brü­che wären mit der AfD nur in Aus­nah­me­fäl­len wie bei kri­mi­no­lo­gi­schen oder bei medi­zi­ni­schen Indi­ka­tio­nen mög­lich. In den Augen der AfD ist der § 218 StGB in Deutsch­land eine „aus­ge­wo­ge­ne Rege­lung“ (EWP AfD 2023: 47). Sie wür­de der „gro­tes­ken Baga­tel­li­sie­rung und Ver­harm­lo­sung der Kinds­tö­tung“ (EWP AfD 2023: 47) ein Ende berei­ten. Um wer­den­de Eltern und allein­ste­hen­de Frau­en in Not­la­gen doch noch davon zu über­zeu­gen, ihr Kind zu bekom­men, setzt die AfD auf finan­zi­el­le Anrei­ze und ande­re Hil­fen „vor und nach der Ent­bin­dung“ (GP AfD 2016: # 6). Erpres­sung von Staats wegen?

Fremdwort Gleichberechtigung

Gleich­be­rech­ti­gung ist bei der AfD also Fehl­an­zei­ge. Nein, nicht ganz. Im Euro­pa­wahl­pro­gramm taucht das Wort genau ein­mal auf. Und zwar bei der „Gleich­be­rech­ti­gung von Stadt und Land“ (EWP AfD 2023: 35).

Auf­fäl­lig ist, dass die AfD Frau­en­rech­te immer dann medi­al als poli­ti­sches Hand­lungs­feld ent­deckt, wenn es ihr um den „Kampf gegen Isla­mi­sie­rung“ geht. Um das Tra­gen von Kopf­tü­chern durch Mus­li­min­nen zu ver­hin­dern, schlägt sich die AfD sehr schnell auf die Sei­te der­je­ni­gen, die für Gleich­be­rech­ti­gung von Frau und Mann ein­tre­ten. Dabei schwingt der Gene­ral­ver­dacht der sexu­el­len Beläs­ti­gung durch Mus­li­me immer mit. So schürt die AfD bewusst die Angst bei Frau­en, durch Zuwan­de­rung Opfer sexu­el­ler Über­grif­fe zu wer­den. Angst lähmt und macht es schwie­rig, mit ratio­na­len Begrün­dun­gen und sta­tis­ti­schen Bele­gen das Gegen­teil zu erläu­tern. Für die AfD, die, wie gezeigt wer­den konn­te, ein sehr tra­di­tio­nel­les Fami­li­en­le­ben bevor­zugt, ste­hen Frau­en­rech­te pro­gram­ma­tisch auf­fal­lend oft in einem isla­mo­pho­ben Kon­text.

Ein genau­er Blick auf ihre Pro­gram­ma­tik lässt die Spe­ku­la­ti­on zu, dass die AfD an der Regie­rung nicht mehr den Inter­na­tio­na­len Frau­en­tag fei­ern, son­dern das Mut­ter­kreuz aus der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus wie­der ein­füh­ren könn­te.

Quel­len

  • EWP – Euro­pa­wahl Pro­gramm 2024. Pro­gramm der Alter­na­ti­ve für Deutsch­land für die Wahl zum 10. Euro­päi­schen Par­la­ment. Beschlos­sen auf der Euro­pa­wahl­ver­samm­lung der AfD in Mag­de­burg, 29. bis 30. Juli und 4. bis 6. August 2023.
  • GP – Grund­satz­pro­gramm für Deutsch­land. Alter­na­ti­ve für Deutsch­land. Bun­des­par­tei­tag in Stutt­gart, 30. April bis 1. Mai 2016, 6. Fami­li­en und Kin­der.
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