Die AfD wird von wirklichen Demokraten in Politik und Gesellschaft als undemokratisch, rassistisch und nationalistisch abgelehnt. Das hindert beachtenswerte Teile der deutschen Bevölkerung nicht daran, bei Wahlen ihr Kreuz bei der AfD zu setzen. Angesichts wirtschaftlicher Krisen, schwindender sozialer Sicherheiten und weltpolitischer Bedrohungen ist das neben Demonstrationen eine weitere Möglichkeit, Unzufriedenheit und Ängste auszudrücken. Aber ist die AfD wirklich die passende Wahl, um den anderen demokratischen Parteien mal einen Denkzettel zu verpassen? Oder bringt sie im Fall einer parlamentarisch regierenden Mehrheit nicht noch mehr Übel? Anlässlich des Internationalen Frauentags stellt sich diesseits.de die Frage: Was blüht Frauen und Familien, wenn die AfD die Oppositionsbank verlässt? Ein Blick in das Europawahl- und das Grundsatzprogramm der AfD verrät viel.
Rückkehr zum traditionellen Familienbild
Das Familienbild der AfD: Frau und Mann heiraten und leben bis an ihr Lebensende glücklich miteinander, erziehen ihre Kinder gemeinsam und kümmern sich liebevoll um die Enkelkinder. Kurz gesagt: Die AfD will zurück zu Mutter, Vater, Kind. Die AfD schreibt zwar, dass andere „Formen des Zusammenlebens als die Ehe zwischen Mann und Frau“ (EWP AfD 2023: 46) zu respektieren, aber damit keinesfalls gleichzustellen seien.
Die traditionellen Familien sollen viele, viele Kinder zeugen, um die „volkswirtschaftlich nicht tragfähige und konfliktträchtige Masseneinwanderung“ (GP AfD 2016: # 6) aufzuhalten. Frauen als Gebärmaschinen für das Vaterland … Stopp, das hatten wir doch schon! Ziel der aktivierenden Familienpolitik (vgl. GP AfD 2016: # 6), wie sie die AfD nennt, ist „eine höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung“ (GP AfD 2016: # 6). Interpretiert und überspitzt bedeutet das für Europa: Die Menschen jedes Mitgliedslandes sollen ausschließlich miteinander schlafen – oder sollen sie das auch in Europa untereinander, nur nicht mit Menschen anderer Kontinente?
Klingt nicht nach Selbstbestimmung bei der Familienplanung der AfD in der Europäischen Union. Das liegt daran, dass die AfD sich dafür starkmacht, dass die „Gesetzgebungskompetenz zu allen ethischen und familienpolitischen Themen, insbesondere beim Lebens‑, Selbstbestimmungs‑, Eheschließungs- und Scheidungsrecht“ (EWP AfD 2023: 46), Hoheit der Nationalstaaten sein solle.
Benachteiligung Kinderloser und Alleinerziehender
Insbesondere für Alleinerziehende erfüllt die Wahl der AfD den Tatbestand der Selbstverletzung. Kindergeld soll nur nach Bedarf gezahlt werden. Als Grund dafür nennt die AfD die Sozialmigration. Denn eine mehr oder weniger große Summe deutscher Steuergelder würde als Kindergeld ins Ausland abfließen, „unabhängig von den Lebensverhältnissen der Kinder in den Empfängerländern“ (EWP AfD 2023: 47).
Es geht der AfD eben mehr um die „Wertschätzung gegenüber Eltern und ihrer Erziehungsarbeit durch Politik, Medien, Wirtschaft und Gesellschaft.“ (EWP AfD 2023: 47) Da hat sie eine „Gerechtigkeitslücke“ entdeckt, denn die Hauptlast, also die „Kosten, die Arbeit und der dafür nötige Verzicht“ (EWP AfD 2023: 46) lägen bei den Familien selbst. Familien würden gegenüber Kinderlosen benachteiligt (vgl. EWP AfD 2023: 47). Das sei der Grund, weshalb „sich immer weniger Paare für Kinder“ (EWP AfD 2023: 46) entschieden. Ein weiterer O‑Ton: „Der rapide Rückgang von Mehrkindfamilien in den Mittelschichten und die hohe Zahl der Kinderlosen unter den Leistungsträgern sind die Hauptgründe für die demografische Katastrophe der westlichen Gesellschaften und für den daraus folgenden Fachkräftemangel.“ (EWP AfD 2023: 46 f.)
Und genau deshalb fordert die AfD auch „eine echte Wahlfreiheit zwischen Fremdbetreuung in Krippen oder familiennaher Betreuung durch Eltern, Großeltern, Kinderfrauen oder Tagesmütter.“ (GP AfD 2016: # 6) Unlogisch? Ein bisschen. Denn gerade werktätige Eltern sind auf eine institutionelle Unterstützung des Staates bei der Kinderbetreuung angewiesen.
Ade Schwangerschaftsabbruch
„Das Recht auf Leben ist ein fundamentales Menschenrecht. Es steht dem Wunsch auf Abtreibung diametral entgegen. Ohne das Recht auf Leben kann kein anderes Menschenrecht in Anspruch genommen werden. Jeder Mensch ist ab der Befruchtung ein Mensch (EuGH-Urteil C‑34/10).“ (EWP AfD 2023: 47) Das bedarf wohl keiner weiteren Kommentierung. Schwangerschaftsabbrüche wären mit der AfD nur in Ausnahmefällen wie bei kriminologischen oder bei medizinischen Indikationen möglich. In den Augen der AfD ist der § 218 StGB in Deutschland eine „ausgewogene Regelung“ (EWP AfD 2023: 47). Sie würde der „grotesken Bagatellisierung und Verharmlosung der Kindstötung“ (EWP AfD 2023: 47) ein Ende bereiten. Um werdende Eltern und alleinstehende Frauen in Notlagen doch noch davon zu überzeugen, ihr Kind zu bekommen, setzt die AfD auf finanzielle Anreize und andere Hilfen „vor und nach der Entbindung“ (GP AfD 2016: # 6). Erpressung von Staats wegen?
Fremdwort Gleichberechtigung
Gleichberechtigung ist bei der AfD also Fehlanzeige. Nein, nicht ganz. Im Europawahlprogramm taucht das Wort genau einmal auf. Und zwar bei der „Gleichberechtigung von Stadt und Land“ (EWP AfD 2023: 35).
Auffällig ist, dass die AfD Frauenrechte immer dann medial als politisches Handlungsfeld entdeckt, wenn es ihr um den „Kampf gegen Islamisierung“ geht. Um das Tragen von Kopftüchern durch Musliminnen zu verhindern, schlägt sich die AfD sehr schnell auf die Seite derjenigen, die für Gleichberechtigung von Frau und Mann eintreten. Dabei schwingt der Generalverdacht der sexuellen Belästigung durch Muslime immer mit. So schürt die AfD bewusst die Angst bei Frauen, durch Zuwanderung Opfer sexueller Übergriffe zu werden. Angst lähmt und macht es schwierig, mit rationalen Begründungen und statistischen Belegen das Gegenteil zu erläutern. Für die AfD, die, wie gezeigt werden konnte, ein sehr traditionelles Familienleben bevorzugt, stehen Frauenrechte programmatisch auffallend oft in einem islamophoben Kontext.
Ein genauer Blick auf ihre Programmatik lässt die Spekulation zu, dass die AfD an der Regierung nicht mehr den Internationalen Frauentag feiern, sondern das Mutterkreuz aus der Zeit des Nationalsozialismus wieder einführen könnte.
Quellen
- EWP – Europawahl Programm 2024. Programm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum 10. Europäischen Parlament. Beschlossen auf der Europawahlversammlung der AfD in Magdeburg, 29. bis 30. Juli und 4. bis 6. August 2023.
- GP – Grundsatzprogramm für Deutschland. Alternative für Deutschland. Bundesparteitag in Stuttgart, 30. April bis 1. Mai 2016, 6. Familien und Kinder.