Ein kleiner Nachbericht

Demokratiekongress 2024

| von

Beitragsbild: Uwe Rosentreter

Am 3. Oktober fand im Theaterhaus Stuttgart der Demokratie-Kongress statt. Unter dem Titel „Wie machen wir unsere Demokratie krisensicher? Ein Mutmach-Kongress“ wurde zum Zuhören und Mitreden eingeladen. Ein Bericht von Andrée Gerland (Die Humanisten Baden-Württemberg).

Der ver­wun­der­lichs­te Moment die­ses Demo­kra­tie-Kon­gres­ses am 03. Okto­ber 2024 war nicht unbe­dingt, dass sich über 300 enga­gier­te Men­schen im Thea­ter­haus Stutt­gart ein­fan­den, um an die­sem reg­ne­ri­schen Fei­er­tag über Demo­kra­tie nach­zu­den­ken, mit­zu­dis­ku­tie­ren und sie damit am Leben zu hal­ten, obschon dies schon zum Erstau­nen ein­lud; das Ver­wun­der­lichs­te war, dass der Kon­gress in einer freund­schaft­li­chen, ruhi­gen, gefass­ten, ja man möch­te sagen gesit­te­ten Atmo­sphä­re statt­fand.

Denn: Anlass zur Sor­ge, Anlass zum sofor­ti­gen Auf­ste­hen, Auf­be­geh­ren, zum Nicht-mehr-Hin­neh­men-Wol­len, die gab es an die­sem Tag genug. Eini­ge davon bereits am Vor­mit­tag und in den sich gut ergän­zen­den Referent*innen-Vorträgen.

Prof. Dr. Füll­krug-Wen­zels Stand­ort­be­stim­mung der Demo­kra­tie mach­te sehr deut­lich, wie schlecht es um demo­kra­ti­sche Struk­tu­ren welt­weit beschaf­fen ist und wie wir in den letz­ten Jah­ren zuneh­mend den Kampf gegen die Auto­kra­tie ein­ge­büßt haben. Das prä­sen­tier­te Zah­len­werk traf direkt in die Magen­gru­be, eben­so wie die Aus­füh­run­gen zu den Ein­spar-Fol­gen im Bereich der Huma­ni­tä­ren Hil­fe. Der Appell zur Ver­net­zung der Wehr­haf­tig­keit und an eine Zivil­ge­sell­schaft, die sich als inter­na­tio­nal ver­ste­hen soll­te: Er wur­de deut­lich ver­nom­men.

Eben­so deut­lich hör­bar waren die Wor­te Dr. Hen­drik Cremers, der an die­sem Tag nicht müde wur­de, immer wie­der auf die noch nicht aus­rei­chend ver­ba­li­sier­te Gefahr der AfD hin­zu­wei­sen. Eine AfD, deren natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ideo­lo­gie als Leit­ge­dan­ke fun­gie­re; eine AfD, deren rechts­extre­me Aus­rich­tung nicht mehr mit dem Ter­mi­nus der Nati­on, son­dern mit dem Begriff der Kul­tur ope­rie­re; und eine AfD, die kei­ne Pro­test­par­tei dar­stel­le, son­dern die die frei­heit­li­che Rechts­staat­lich­keit abschaf­fen wol­le. Auch hier hall­te ein Appell nach: Die Auf­klä­rungs­ar­beit über die AfD muss drin­gend inten­si­viert wer­den!

Und dies ist nicht das ein­zi­ge, was einer Inten­si­vie­rung bedarf. Die Arbeit am Her­zen muss eben­so statt­fin­den, hät­te man über die über­zeu­gen­den Aus­füh­run­gen der Autorin und Kaba­ret­tis­tin Eli­sa­beth Kaba­tek sagen wol­len. Denn sie mach­te klar, was hand­lungs­ori­en­tier­te Demo­kra­tie hei­ßen muss: Ver­net­zung, Kom­mu­ni­ka­ti­on, Rück­erobe­rung des Öffent­li­ches Rau­mes, Small Talk und vor allem Demo­kra­tie­schutz und Demo­kra­tie­pfle­ge. Denn war­um pfle­gen wir bei­spiels­wei­se unse­re Zäh­ne regel­mä­ßig, aber nicht die von uns allen so wert­ge­schätz­te Poli­tik- und Hal­tungs­ord­nung der Demo­kra­tie? Dass hier­für auch Humor essen­ti­ell ist, demons­trier­te Frau Kaba­tek dann mit einer punkt­ge­nau­en Kaba­rett-Ein­la­ge.

Nach einer drin­gend benö­tig­ten und wohl­tu­en­den Stär­kung über Mit­tag mit einer schmack­haf­ten Sup­pe und eben­so schmack­haf­ten Gesprä­chen zu der Viel­falt an prä­sen­tier­ten The­men ging es dann in eine der fünf offe­nen Arbeits­grup­pen, in denen ein­zel­ne Aspek­te noch ein­mal fokus­siert wur­den. In der abschlie­ßen­den Ergeb­nis­run­de trat dann zuta­ge, dass die aktu­el­len und aku­ten Bau­stel­len viel­schich­tig und her­aus­for­dernd sind: eine Pres­se, deren demo­kra­ti­scher Wir­kungs­raum durch Spar­ma­nö­ver immer wei­ter ein­ge­schränkt wird, was jede*r letzt­lich zu spü­ren bekommt; eine Jugend, deren Sor­gen und Ängs­te nicht genü­gend Reso­nanz­räu­me fin­den und die zeit­gleich in effek­ti­ve­re poli­ti­sche Auf­klä­rungs­pro­zes­se invol­viert wer­den muss; eine Online-Welt, die beson­ders von einer poli­ti­schen Rich­tung domi­niert wird und deren Sound des Has­ses und der Het­ze sich durch den Algo­rith­mus immer wei­ter ein­fräst. Und eine Demo­kra­tie von unten, der es noch an Ver­net­zung, an Raus-aus-dem-Ver­tei­di­gungs­mo­dus und an loka­ler Pro­blem­fo­kus­sie­rung man­gelt.

Einer der Arbeits­grup­pen­lei­ter, der als Pfle­ger tätig ist, setz­te die­sem Gemenge­la­ge sei­ne kon­kre­te Tätig­keit ent­ge­gen: indem er jeden Tag ver­su­che, die Situa­ti­on für sei­ne pfle­ge­be­dürf­ti­gen Mit­men­schen ein wenig bes­ser zu machen, kön­ne er auch die Welt ein wenig bes­ser gestal­ten. Im Hier und Jetzt! Und indem er sich auf sei­nen Wir­kungs­kreis kon­zen­trie­re. Ein Vor­ge­hen, das sich auf das eige­ne Demo­kra­tie­ver­ständ­nis anwen­den lie­ße.

Oder wie es Peter Groh­mann in sei­nem ein­dring­li­chen Schluss­plä­doy­er for­mu­lier­te: „Arti­kel 21 des Grund­ge­set­zes for­dert, dass Par­tei­en bei der poli­ti­schen Wil­lens­bil­dung mit­wir­ken – ein gro­ßer Teil die­ser Wil­lens­bil­dung aber ist von der Zivil­ge­sell­schaft zu leis­ten, denn die gefor­der­te Mit­wir­kung der demo­kra­ti­schen Par­tei­en reicht längst nicht mehr. Wir sind gefragt, aber wir wis­sen: Eine wider­stän­di­ge und zukunfts­fä­hi­ge Gesell­schaft braucht nicht nur poli­ti­sches Bewusst­sein, einen lan­gen Atem, unend­li­che Geduld.“

Man möch­te ergän­zen: Sie braucht noch mehr Demo­kra­tie­kon­gres­se und Zusam­men­künf­te wie die­se. Aber mit noch mehr Jugend, Netz­werk­mög­lich­kei­ten und noch mehr Optio­nen des Anstif­tens auch nach der Ver­an­stal­tung.

Packen wir es an – Attemp­t­a­mus!

Inhalt teilen

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Beiträge

Karlsruhe_bundesverfassungsgericht
Rechtswissenschaftlerin Frauke Brosius-Gersdorf
Ein Angriff auf das Verfassungsverständnis – und auf das liberale Fundament unserer Demokratie
Die Absetzung der Wahl von Frauke Brosius-Gersdorff in der letzten Sitzung des Bundestages vor der Sommerpause ist für Katrin Raczynski mehr als nur ein politischer Vorgang. Sie ist ein Spiegel dafür, wie manipulationsanfällig die liberalen Grundlagen unseres demokratischen Zusammenlebens inzwischen geworden sind – und wie schnell selbst unabhängige Verfahren von orchestrierten Skandalisierungen überlagert werden können.
Beitrag lesen »
Humanistische Rundschau 2025-2
Humanistische Jugendfeiern
Wenn Jugendliche ihre Feier selbst in die Hand nehmen
Die Jugendfeier bei den Humanisten Baden-Württemberg hat sich gewandelt: von einer feierlichen Tradition hin zu einem Fest der persönlichen Ausdruckskraft, der Gemeinschaft und des gelebten Humanismus. Die Familiengeschichte von Anna Colletti zeigt, wie sich Werte, Formen und Rituale über Generationen hinweg weiterentwickelt haben. Heute gestalten sie ihre eigene Bühne.
Beitrag lesen »
Kathrin Michael_Bruno Osuch
Anerkennung weltanschaulicher Vielfalt
Humanistischer Verband Deutschlands trifft Sprecherin für Säkularität und Humanismus der SPD-Fraktion
Fokus auf Dialog, Vielfalt und humanistische Anliegen: Beim Bundesparteitag der SPD vom 27. bis 29. Juni in Berlin kam es zum Austausch zwischen dem Humanistischen Verband Deutschlands und Kathrin Michael, der neuen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Säkularität und Humanismus.
Beitrag lesen »
Nach oben scrollen