Am Montag, den 3. Februar 2025, hatten die Humanisten Baden-Württembergs zu einer interessanten Diskussionsveranstaltung eingeladen. Thema war: „Staatsförderung und Säkularisierung? Zu einem breiten Spannungsfeld.“
Das Einleitungsreferat hielt Dr. Bruno Osuch vom Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg, zugleich Bundesbeauftragter für die politische Kommunikation beim Humanistischen Verband Deutschlands. Für die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) war Sebastian Schöning gekommen. Der neu gegründete Arbeitskreis Säkularität und Humanismus der SPD Baden-Württemberg wurde durch Adrian Gillmann vertreten. Moderiert wurde die Diskussion vom Geschäftsführer der Baden-Württembergischen Humanisten, Andrée Gerland, zugleich Mitglied im neu gewählten Bundesvorstand des Humanistischen Verbandes Deutschlands. Hervorzuheben ist, dass die Diskussion äußerst konstruktiv, kollegial und freundschaftlich verlief.
In seinem Vortrag erläuterte Bruno Osuch den Spannungsbogen zwischen Säkularität und öffentlicher Förderung anhand der Geschichte des Humanistischen Verbandes Deutschlands bzw. seiner Vorgängerorganisation, des Deutschen Freidenker-Verbandes. Als 1905 eine Handvoll Sozialdemokrat*innen in Berlin den Verein der Freidenker für Feuerbestattung gründeten, geschah dies aus dem Motiv, konfessionsfreien Arbeiter*innen eine preiswerte Alternative zur traditionellen Beerdigung anzubieten. Die Kirchen lehnten die Feuerbestattung strikt ab. Diese Form des praktischen Humanismus wurde dann in der Weimarer Republik systematisch ausgebaut, z. B. durch Jugendweihen, Bildungsstätten oder die Unterstützung der weltlichen Schulen mit ihrem neuen Fach Lebenskunde. Bereits damals erhielt der Verband für einige dieser Projekte öffentliche Gelder. Der Antrag des Freidenker-Verbandes auf Anerkennung als Körperschaft des Öffentlichen Rechts aber wurde durch die Machtergreifung der Nazis und das Verbot des Verbandes zunichtegemacht.
Die Reorganisation nach 1945 gestaltete sich sehr schwierig. Erst die Wiedervereinigung 1990 ermöglichte dem Verband einen erneuten Aufschwung, der bis heute anhält – am erfolgreichsten in Berlin-Brandenburg. Hier unterhält der Humanistische Verband Deutschlands mittlerweile weit über 70 Einrichtungen des praktischen Humanismus und beschäftigt dafür etwa 1.400 Hauptamtliche. Alleine am Humanistischen Lebenskundeunterricht nehmen hier über 72.000 Grundschüler*innen teil. Ohne öffentliche Förderung aber wäre all das kaum möglich, wie Osuch betonte. Arbeitsgrundlage sei der Artikel 137.7 der Weimarer Reichsverfassung, der später auch ins Grundgesetz übernommen wurde. Demnach sind den „Religionsgemeinschaften […] die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen“. Mit der „humanistischen Wende“ vom antiklerikalen Freidenker-Verband zu einem Verband, der den Menschen praktische humanistische Alternativen bietet, habe der Humanistische Verband Deutschlands seit seiner Gründung 1993 und nach dem Vorbild etwa der niederländischen und norwegischen Verbände einen sehr erfolgreichen Kurs eingeschlagen.
Das Problem sei jedoch, dass diese Gleichstellung immer wieder politisch und juristisch durchgesetzt werden müsse, wie das Beispiel des Bertha von Suttner-Studienwerkes anschaulich zeige. Denn der Antrag dieses Gemeinschaftsprojektes von gbs und Humanistischem Verband Deutschlands auf öffentliche Förderung durch das Bundeswissenschaftsministerium wurde im letzten Jahr schlicht abgelehnt. Begründung: Angebliche mangelnde gesellschaftliche Relevanz.
Dieses Stichwort war dann der Einstieg in eine lebhafte Diskussion unter den Teilnehmer*innen. Adrian Gillmann von den Säkularen und Humanistischen SPDlern wies dabei auf die überholte Kategorie der Mitgliedschaft hin, welche völlig ungeeignet sei, reale gesellschaftliche Entwicklungen zu erfassen. So gebe es gerade unter den Studierenden Zehntausende, die sich selbst als säkular, weltlich oder humanistisch einordneten, ohne aber irgendwo als „Mitglied“ registriert zu sein. Osuch ergänzte dies mit dem Beispiel der Bundeswehr. Auch hier gebe es ausschließlich eine religiöse Militärseelsorge, obwohl die Mehrzahl der Soldat*innen keiner Kirche mehr angehöre. Deshalb sei es umso wichtiger, in den Parteien, Gewerkschaften oder Verbänden wie der AWO auf diesen offenkundigen Mangel an humanistischen Alternativen hinzuweisen.
Für Sebastian Schönig von der gbs sind vor allem die althistorischen Staatsleistungen oder das anachronistische Arbeitsrecht innerhalb der Kirchen zu kritisieren. Zugleich aber betonte auch er die wichtige Bedeutung der Gleichbehandlung humanistischer Angebote mit denen der Kirchen. Dabei wurden auch mögliche Alternativen öffentlicher Förderung diskutiert, wie z. B. das italienische Modell einer Kultursteuer, bei der die Menschen selbst entscheiden können, an wen diese am Ende geht. Bis dahin sei es in Deutschland aber noch ein weiter Weg.
Einig waren sich alle Teilnehmer*innen darin, unbedingt Verbündete bei diesem Kampf um Gleichbehandlung zu finden. Ein Beispiel sei die AWO in Baden-Württemberg, die in ihrem neuen Selbstverständnis explizit die Weltlichkeit betont. Und auch der neu gegründete Arbeitskreis Säkularität und Humanismus in der SPD dieses Bundeslandes werde hierbei eine wichtige Rolle spielen.