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Zentralstelle Patientenverfügung

Die Unabänderlichkeiten des Lebens gestalten

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Selbstbestimmung ist für viele Menschen ein hohes Gut. Doch gerade am Ende des Lebens können Situationen eintreten, in denen man selbst nicht mehr für die eigenen Wünsche und Werte eintreten kann. Hier ist eine Patientenverfügung sinnvoll, in der diese schriftlich niedergelegt sind – auch, um beispielsweise Angehörigen Orientierung zu geben. Darüber haben wir mit Sabine Schermele gesprochen, der kommissarischen Leiterin der Zentralstelle Patientenverfügung (ZPV).

Sabine, was regelt eine Patientenverfügung genau?

Die Pati­en­ten­ver­fü­gung ist für den Fall gedacht, dass man sich selbst nicht mehr zu medi­zi­ni­schen Maß­nah­men äußern kann. Bei­spiel­wei­se, weil man sich im End­sta­di­um einer schwe­ren Erkran­kung befin­det, oder das Gehirn ist durch Schlag­an­fäl­le schwer geschä­digt. Es besteht also kei­ne Aus­sicht auf Bes­se­rung des gesund­heit­li­chen Zustan­des oder auf die Wie­der­erlan­gung von Lebens­qua­li­tät – aber die moder­ne Medi­zin könn­te einen Men­schen dann trotz­dem noch jah­re­lang am Leben erhal­ten. In einer Pati­en­ten­ver­fü­gung lässt sich fest­hal­ten: Wün­sche ich dann lebens­ver­län­gern­de Maß­nah­men oder nicht? Wün­sche ich eine Lin­de­rung mei­ner Beschwer­den, also pal­lia­tiv­me­di­zi­ni­sche Maß­nah­men? Das ist alles recht dif­fe­ren­ziert aus­ge­drückt und es gibt hier Qua­li­täts­kri­te­ri­en, an die wir uns beim HVD hal­ten und die vom Bun­des­ge­richts­hof in den ver­gan­ge­nen Jah­ren auch immer wie­der bestä­tigt wur­den. Das macht die gan­ze Sache aber auch kom­pli­ziert: Eine Pati­en­ten­ver­fü­gung muss anwend­bar sein auf die Situa­ti­on, in der der Pati­ent oder die Pati­en­tin sich gera­de befin­det, und soll­te dann kon­kre­te Hand­lungs­an­wei­sun­gen geben – und die­se soll­ten natür­lich nicht wider­sprüch­lich und auch nicht zu all­ge­mein gehal­ten sein.

Bild: Hof­fo­to­gra­fen

Sabi­ne Scher­me­le (*1964) ist Diplom-Sozio­lo­gin und arbei­tet seit 2014 in der ZPV. Sie war zudem vie­le Jah­re als Bun­des­re­fe­ren­tin beim HVD Bun­des­ver­band tätig.

Wie geht ihr bei der Erstellung einer solchen Verfügung vor?

Nun ja, wir „zwin­gen“ die Leu­te dazu, sich mit dem The­ma aus­ein­an­der­zu­set­zen. Das ist aber auch ein Qua­li­täts­kri­te­ri­um: Man kann anhand der Ver­fü­gung sehen, dass sich die betref­fen­de Per­son mit die­sen Fra­gen wirk­lich aus­ein­an­der­ge­setzt hat. Auf­grund der Qua­li­täts­stan­dards hin­sicht­lich der For­mu­lie­run­gen und des Auf­baus der Tex­te füh­ren wir kei­ne offe­nen Inter­views, son­dern die ZPV hat Fra­ge­bö­gen ent­wi­ckelt, die wir vor Erstel­lung der Ver­fü­gung kri­tisch prü­fen.

Ihr führt aber auch persönliche Gespräche, richtig?

Ja, das ist ganz wich­tig. Vor Coro­na-Zei­ten haben wir auch Vor-Ort-Bera­tungs­ge­sprä­che geführt und teil­wei­se Haus­be­su­che gemacht. Das ist gera­de noch etwas zurück­ge­fah­ren, aber wir freu­en uns schon auf die Zei­ten, wenn das wie­der mög­lich ist. Wir haben aber auch sehr gute Erfah­run­gen mit tele­fo­ni­schen Bera­tungs­ge­sprä­chen gemacht. Wir gehen dann mit den Leu­ten durch den Fra­ge­bo­gen und sie kön­nen ihre offe­nen Fra­gen stel­len, damit auch wirk­lich ganz klar ist, was eine bestimm­te For­mu­lie­rung bedeu­tet und wel­che Fol­gen sie hat.

Was, wenn ich meine Patientenverfügung noch einmal anpassen oder sogar zurückziehen möchte?

Ja, es kann sich immer etwas ändern. Viel­leicht ver­fü­ge ich jetzt, dass ich in einer bestimm­ten Situa­ti­on wie­der­be­lebt wer­den möch­te, aber in eini­gen Jah­ren bin ich viel­leicht so alt oder so krank, dass ich eine Wie­der­be­le­bung prin­zi­pi­ell ableh­ne. Unse­re Doku­men­te sind des­halb so gestal­tet, dass man selbst Ände­run­gen und Aktua­li­sie­run­gen jeder­zeit hand­schrift­lich vor­neh­men und mit Datum und Unter­schrift doku­men­tie­ren kann. Wir emp­feh­len daher, dass die Ori­gi­na­le unbe­dingt bei der betref­fen­den Per­son ver­blei­ben und die Bevoll­mäch­tig­ten nur Kopien erhal­ten.

Zen­tral­stel­le Pati­en­ten­ver­fü­gung (ZPV)

Die ZPV, ein Pro­jekt des HVD Ber­lin-Bran­den­burg, ist Deutsch­lands ers­te Hin­ter­le­gungs­stel­le. Seit mehr als 25 Jah­ren infor­miert die ZPV bun­des­weit zu Pati­en­ten­ver­fü­gun­gen und Vor­sor­ge. Mehr unter patientenverfuegung.de

Bevollmächtigte sind Menschen, die ich selbst benenne, also entweder ein Angehöriger oder eine Person meines Vertrauens. Was, wenn ich so jemanden gar nicht habe?

Dafür haben wir das Modell der Hin­ter­le­gung bei uns ent­wi­ckelt: An 365 Tagen im Jahr kann uns dann auch ein Kran­ken­haus anru­fen oder eine Nach­richt hin­ter­las­sen, dass sie die bei uns hin­ter­leg­te Pati­en­ten­ver­fü­gung benö­ti­gen.

Du sagtest, ihr „zwingt“ die Leute zur Auseinandersetzung mit dem Lebensende. Sicher beschäftigen sich die wenigsten gern mit dem eigenen Sterben, das ist bei uns ja nach wie vor ein Tabuthema.

Das stimmt. Wir machen oft die Erfah­rung, dass Leu­te unse­ren Fra­ge­bo­gen anfor­dern, aber sobald es um ganz kon­kre­te Fra­ge­stel­lun­gen geht – zum Bei­spiel um künst­li­che Ernäh­rung –, dann legen sie das Doku­ment doch erst ein­mal zur Sei­te. Dafür habe ich vol­les Ver­ständ­nis, auch wenn ich per­sön­lich ganz anders ticke. Für mich ist es wich­tig, mich mit den Unab­än­der­lich­kei­ten des Lebens aus­ein­an­der­zu­set­zen. Der Tod ist eben der letz­te Abschnitt des gesam­ten Lebens, das man geführt hat. Ich möch­te selbst über mein Leben ent­schei­den, und zwar gera­de auch am Lebens­en­de, und dann nicht ande­ren die Ent­schei­dung über mich über­las­sen.

Danke für das Gespräch!

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