Freundschaft … das ist mein Freund … das sind Begrifflichkeiten, die immer mehr – sehr salopp – im „echten“ Leben inflationär eingesetzt werden. Dafür mitverantwortlich sind nicht zuletzt auch – immer verstärkter – die sozialen Medien. Seit exakt 20 Jahren existiert (entwickelt vom Harvard-Studenten Mark Zuckerberg) facebook, ein Medium mit knapp 3 Milliarden Usern. Die Wichtigkeit und zum Teil – vor allem in einem gewissen Alter – der Stolz, so viele „Freunde“ zu haben, kann durchaus verstörend wirken. Haben diese Freunde nicht allzu viel mit dem realen, tatsächlichen Leben zu tun. Sagte doch der Macher dieser Erfindung einmal sehr selbstkritisch: „Facebook hilft, mit Leuten in Kontakt zu bleiben, die wir auch im echten Leben kennen. Mehr nicht. Wer glaubt, dass jeder Facebook-Kontakt ein Freund ist, der weiß nicht, was Freundschaft bedeutet.“ (Mark Zuckerberg)
Richtig! Doch was bedeutet Freundschaft? Was bedeutet es jedem Einzelnen? Ist man ein besserer Mensch, wenn man viele Freunde hat oder ist es zutreffend/er – so wie viele sagen – „Wahre Freunde kann man an einer Hand abzählen?“. Was macht Freundschaft aus? Auch hier sind die Aussagen unterschiedlich in der Gewichtung; für die eine Person ist es das absolute Vertrauen … für die andere eine jederzeitige Erreichbarkeit, gepaart mit Verlässlichkeit und Hilfsbereitschaft. Bedingt nun das eine das andere? Schenke ich mein Vertrauen jedem, der verlässlich oder hilfsbereit ist? Oder beinhaltet „Vertrauen“, das man zu einer Person aufbaut und sich zu einer Freundschaft entwickelt, nicht eher einen Prozess, der sich über viele Jahre – oftmals – mit allen Höhen und Tiefen, konstatiert? Vielleicht an dieser Stelle ein Impuls für jeden Leser, einmal selbst darüber zu resümieren. Fragt man Kinder, was für sie „Freundschaft“ oder „ein Freund“ bedeutet, bekommt man folgende Meinungen: Freundschaft ist Nähe, Freundschaft ist Zusammenhalt, Freundschaft ist spielen und bei jemandem übernachten; mit einem Freund hat man die gleichen Ideen und dann hat man schöne Erlebnisse, eine gemeinsame Zeit und eine schöne Erinnerung; ich hatte eine schöne Erinnerung, als ich mit meinen Eltern im Urlaub war; der Unterschied zwischen Familie und Freunde ist, dass man mit der Familie immer zusammen ist, es sei denn, die Eltern lassen sich scheiden; man kann auch befreundet sein, wenn man weit voneinander weg wohnt.
Ein bunter Strauß an Überlegungen und Gefühle, der tief blicken lässt. Jedoch wird nicht selten auch mal kurz ein erpresserisches „Wenn du nicht das oder das machst … (bzw. ich bekomme) … dann bist du nicht mehr mein Freund“ provozierend angewandt. Glücklicherweise hören wir das in der HuKi nur sehr, sehr selten, denn die Kinder lernen, mit Respekt im Austausch miteinander umzugehen. Die Tragweite einer solchen Aussage wird stets sofort in einem ruhigen Miteinander thematisiert; nur so lässt sich Verständnis für die Sache erleben. Denn: Freundschaft lässt sich eben nicht kaufen, Freundschaft lässt sich nur im Miteinander erleben. Aus diesem Grunde bezeichnen sich die Kinder auch als HuKi-Freunde; diese HuKi-Freunde schließen auch jeden Geburtstagsbrief ab. Und wird zu Hause gefeiert, dann sind meist alle! HuKi-Freunde der Gruppe eingeladen. Dies zeigt deutlich, dass eine enge Verbindung zueinander besteht, die – auch – bis ins Private reicht. Und auch mit der Einschulung nicht verlöscht. Das Wiedersehen mit einem ehemaligen HuKi-Kind (11 Jahre/Gymnasium) verdeutlichte eine ungeheure Reife, sprich, auch Mündigkeit in ihrer Aussage, auf die Frage, wie es ihr geht und ob sie im neuen Klassenverband auch schon neue Freundschaften geschlossen hat. „Ja, aber ich habe eine Freundschaft beendet, denn das Verhalten dieser Freundin war toxisch! Sie wollte immer nur, dass ich mache, was sie sagt, ansonsten könnten wir nicht befreundet sein; da ich mich jedoch nicht erpressen lasse, habe ich diese Freundschaft beendet.“ Ihre Mutter meinte dazu: „Unsere Tochter hat eben in der HuKi eine gute Basis bekommen, wie man respektvoll miteinander umgeht.“ Wie recht dieses Mädchen hat … Erpressung hat keinen Platz, weder in einer Freundschaft, noch im weiteren Leben!
Freundschaft ist und bleibt stets ein Prozess, bei dem die Nähe das Vertrauen für eine Freundschaft, für einen Freund, immer wieder nährt, sprich, das persönliche, respektvolle Miteinander und das durch keinen Messenger jemals zu ersetzen ist. Legt dieser doch nicht den Arm um die Schulter und trocknet auch keine Tränen. Wahre Freundschaft ist miteinander reden und lachen, streiten und versöhnen, bangen und hoffen, freuen und sich bei diesem Menschen geborgen fühlen … und das erlebt man nur live!
Der Beitrag erschien zuerst in der Humanistischen Rundschau | Ausgabe 3/2024. Wir danken den Humanisten Baden-Württemberg für die freundliche Genehmigung zur Zweitveröffentlichung.