Demokratiegefährdung durch Extremismus

Die AfD hat sich zu einer rechtsextremistischen Partei entwickelt

Wahlkampfplakat AfD in Sebnitz 2021
Wahlkampfplakat AfD in Sebnitz 2021
Die AfD verzeichnete bei den Bundestagswahlen einen leichten Rückgang auf 10,3 Prozent der Stimmen. Gleichwohl konnte sie erneut ein Zehntel der Wähler für sich mobilisieren. Warum dies auch für die Demokratie eine Gefahr bedeutet, veranschaulicht der folgende Beitrag des Extremismusforschers Armin Pfahl-Traughber. Seine Hauptthese lautet: Mittlerweile ist die AfD selbst eine rechtsextremistische Partei geworden.

Die „Alter­na­ti­ve für Deutsch­land“ (AfD) ist eine demo­kra­tisch legi­ti­mier­te Par­tei. Sie sitzt im Bun­des­tag und allen Land­ta­gen. Ist die AfD daher auch eine demo­kra­ti­sche Par­tei? Nicht nur ihre Anhän­ger beja­hen die­se Fra­ge, ähn­lich äußern sich auch man­che Kom­men­ta­to­ren. Dabei han­delt es sich aber um einen Denk­feh­ler, denn eine demo­kra­ti­sche Legi­ti­ma­ti­on steht nicht not­wen­di­ger­wei­se für eine demo­kra­ti­sche Posi­ti­on. Ansons­ten wären KPD und NSDAP auch demo­kra­ti­sche Par­tei­en in der Wei­ma­rer Repu­blik gewe­sen. Bei­de dezi­diert anti­de­mo­kra­tisch ein­ge­stell­ten poli­ti­schen Akteu­re waren eben ledig­lich in den Reichs­tag hin­ein gewählt wor­den. Die­se Erin­ne­rung an his­to­ri­sche Gescheh­nis­se beab­sich­tigt kei­ne inhalt­li­che Gleich­set­zung mit der genann­ten heu­ti­gen Par­tei. Es geht ledig­lich um die Dif­fe­ren­zie­rung von demo­kra­tisch legi­ti­miert und demo­kra­tisch posi­tio­niert. Denn hier wird die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass die AfD nicht nur ein Pro­blem mit Rechts­extre­mis­ten in ihren Rei­hen hat. Sie kann mitt­ler­wei­le selbst als eine rechts­extre­mis­ti­sche Par­tei ange­se­hen wer­den.

Bei der AfD erfolg­te ein Ent­wick­lungs­pro­zess, der auf fol­gen­de Ein­schät­zung hin­aus­läuft: Anfäng­lich bestand in ihr eine rechts­de­mo­kra­ti­sche Mehr­heit mit einer rechts­extre­mis­ti­schen Min­der­heit, heu­te exis­tiert dort eine rechts­extre­mis­ti­sche Mehr­heit mit einer rechts­de­mo­kra­ti­schen Min­der­heit. Die­se Dif­fe­ren­zie­rung ist zunächst hin­sicht­lich der Ein­schät­zung wich­tig, dass eine rech­te poli­ti­sche Auf­fas­sung durch­aus mit den Basis­wer­ten einer moder­nen Demo­kra­tie kon­form gehen kann. Erst wenn deren Grund­la­gen negiert und rela­ti­viert wer­den, lässt sich von einer extre­mis­ti­schen Ori­en­tie­rung oder Prä­gung spre­chen. Die noch kur­ze Geschich­te der Par­tei macht deut­lich, dass es eben­dort eine kon­ti­nu­ier­li­che Ent­wick­lung hin zu rechts­extre­mis­ti­schen Posi­tio­nie­run­gen gab. Dies zei­gen Bekun­dun­gen hoch­ran­gi­ger Funk­tio­nä­re, Ein­fluss­ge­win­ne des natio­na­lis­ti­schen „Flü­gel“ eben­so wie Erklä­run­gen aus­ge­tre­te­ner Par­tei­mit­glie­der im inhalt­li­chen Zusam­men­hang deut­lich. Dafür ste­hen fol­gen­de Beob­ach­tun­gen:

Frü­he­re AfD-Gal­li­ons­fi­gu­ren spre­chen von einer „NPD light“ (Hans Olaf Hen­kel) oder einer „völ­ki­schen Prä­gung“ (Bernd Lucke). Ande­re Aus­stei­ger berich­ten über das Innen­le­ben der Par­tei, das von öffent­lich ansons­ten nicht geäu­ßer­ten Hal­tun­gen und Posi­tio­nen geprägt sei. Gruß­for­men wie „Heil Höcke“ kur­sie­ren wohl in der Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on, wie Berich­te aus deren Innen­le­ben ver­deut­li­chen (zuletzt von Nico­la Bodaghi und Alex­an­der Leschik). Aus der AfD tra­ten eben nicht ein­deu­tig extre­mis­ti­schen Akteu­re, son­dern gemä­ßigt kon­ser­va­ti­ve Mit­glie­der aus. Und auf dem letz­ten Bun­des­par­tei­tag konn­ten sich wie bei der „Dexit“-Frage die „Flügel“-Repräsentanten bei bedeut­sa­men Voten durch­set­zen. Zwar gibt es einen par­tei­in­ter­nen Kon­flikt um die inhalt­li­che Rich­tung, der von angeb­lich Gemä­ßig­ten (wie Jörg Meu­then) und aus­ge­präg­ten Natio­na­lis­ten (wie Björn Höcke) geführt wird. Indes­sen han­del­te es sich eher um stra­te­gi­sche Dif­fe­ren­zen, denn grund­sätz­li­che Unter­schie­de. Denn die Erst­ge­nann­ten koope­rier­ten lan­ge pro­blem­los mit den Letzt­ge­nann­ten.

Es lohnt auch der auf­merk­sa­me Blick auf öffent­li­che State­ments, die von bedeu­ten­den AfD-Funk­ti­ons­trä­gern eben nicht nur in inter­nen Kon­tex­ten vor­ge­tra­gen wur­den. Bei den gemein­ten Aus­sa­gen ist eine beson­de­re Bot­schaft mit spe­zi­fi­scher Wort­wahl inter­es­sant. Am Abend der Bun­des­tags­wahl 2017 äußer­te bei­spiels­wei­se Alex­an­der Gau­land: „Wir wer­den sie jagen. Wer­den Frau Mer­kel oder wen auch immer jagen und wir wer­den uns unser Land und unser Volk zurück­ho­len.“ Bekannt­lich jagt man etwas, um es zu erle­gen – zumin­dest im übli­chen Sprach­ge­brauch. Eine gewähl­te Bun­des­kanz­le­rin wird von einer par­la­men­ta­ri­schen Oppo­si­ti­ons­par­tei kon­trol­liert und kri­ti­siert. Dies wären die pas­sen­den For­mu­lie­run­gen für die pos­tu­lier­te Pra­xis gewe­sen. Gau­land for­mu­lier­te vor lau­fen­den Kame­ras aber bewusst anders. Ihm soll hier kei­ne Gewalt­a­ffi­ni­tät unter­stellt wer­den, aber durch­aus eine eska­lie­ren­de Pola­ri­sie­rungs­ab­sicht. Sie ging noch dazu mit einer Anma­ßung ein­her, denn der AfD gehör­ten – mit knapp 13 Pro­zent der Stim­men – weder das Land noch das Volk.

Auch in Bun­des­tags­re­den schür­te man frem­den­feind­li­che Res­sen­ti­ments, was ein State­ment von 2018 von Ali­ce Wei­del ver­an­schau­licht: „Doch ich kann Ihnen sagen: Bur­kas, Kopf­tuch­mäd­chen und ali­men­tier­te Mes­ser­män­ner und sons­ti­ge Tau­ge­nicht­se wer­den unse­ren Wohl­stand, das Wirt­schafts­wachs­tum und vor allem den Sozi­al­staat nicht sichern.“ Eine sol­che Aus­sa­ge hat nichts mehr mit einer dif­fe­ren­zier­ten Kri­tik an der Migra­ti­on zu tun. Hier wur­den erkenn­bar gegen­über Flücht­lin­gen her­ab­wür­di­gen­de Ver­all­ge­mei­ne­run­gen vor­ge­nom­men. Die genutz­te For­mu­lie­rung „Mes­ser­män­ner“ macht sie gar alle zu poten­ti­el­len Mör­dern. Bei­de Aus­sa­gen erfolg­ten übri­gens nicht aus einer zufäl­li­gen Situa­ti­on her­aus. Denn die Gele­gen­hei­ten waren den Red­nern vor­her bekannt und inso­fern wähl­ten sie ihre Wor­te offen­kun­dig bewusst. Es kann sogar von einer belieb­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­form der Par­tei gespro­chen wer­den: Durch sol­che For­mu­lie­run­gen pro­vo­ziert man, kommt dar­an inhalt­li­che Kri­tik auf, ist von Miss­ver­ständ­nis­sen und Opfer­sta­tus die Rede.

Und Björn Höcke äußer­te 2017 in einer öffent­li­chen Rede: „Und die­se däm­li­che Bewäl­ti­gungs­po­li­tik, die lähmt uns heu­te noch viel mehr als zu Franz Josef Strauß‘ Zei­ten. Wir brau­chen nichts ande­res als eine erin­ne­rungs­po­li­ti­sche Wen­de um 180 Grad.“ Die Anspie­lung auf die „däm­li­che Bewäl­ti­gungs­po­li­tik“ spielt auf die kri­ti­sche Erin­ne­rung an die NS-Herr­schaft mit all ihren Ver­bre­chen an. Hier stellt sich aber die Fra­ge, war­um die­se „lähmt“? Was soll ohne das kri­ti­sche Geden­ken dar­an denn eine poli­ti­sche Hand­lungs­op­ti­on sein? Auch das Bild von der „180 Grad“-Wende ist inter­es­sant. Bekannt­lich bedeu­tet eine sol­che Ent­wick­lung – mathe­ma­tisch ver­stan­den – das genaue Gegen­teil zum Vor­he­ri­gen. Das wäre dann eine „Beju­be­lungs­po­li­tik“ statt einer „Bewäl­ti­gungs­po­li­tik“. Die For­mu­lie­rung kann schwer­lich anders gedeu­tet wer­den, hät­ten doch ansons­ten ande­re Wor­te genutzt wer­den müs­sen. Blickt man übri­gens auf die Auf­zeich­nung der Rede, so zeigt sich: Hier wur­de ein zuvor geschrie­be­ner Text ledig­lich als schlich­te Vor­le­sung prä­sen­tiert.

Inso­fern han­del­te es sich weder hier um Aus­rut­scher noch in ande­ren Fäl­len. Die AfD-Poli­ti­ker arbei­ten mit rhe­to­ri­schen Effek­ten, um sol­che inhalt­li­chen Bot­schaf­ten und res­sen­ti­ment­ge­la­de­ne Stim­mun­gen zu ver­mit­teln. Dafür gibt es zahl­rei­che Bei­spie­le, die aus unter­schied­li­chen Ent­wick­lungs­pha­sen und von ver­schie­de­nen Spre­chern stam­men. Die kon­kre­ten Aus­sa­gen lau­fen nicht nur auf rechts­extre­mis­ti­sche Posi­tio­nen hin­aus, sie ste­hen auch für eine het­ze­ri­sche Pola­ri­sie­rung. Dar­über hin­aus prägt häu­fig schlech­tes Beneh­men die öffent­li­che Prä­senz von deren poli­ti­schen Sym­pa­thi­san­ten. Dies macht aus der AfD in der Gesamt­schau seit 2018 eine rechts­extre­mis­ti­sche Par­tei. Die Ent­wick­lung dort­hin woll­ten frü­he­re Funk­ti­ons­trä­ger (Bernd Lucke, Frau­ke Petry) stop­pen, wobei sie aber mit ihrem Anlie­gen schei­ter­ten und heu­te auch kei­ne Mit­glie­der mehr sind. Gera­de die­se Fest­stel­lung belegt die vor­ge­tra­ge­ne Posi­ti­on. Denn für die Aus­trit­te die­ser wie weni­ger bekann­ter frü­he­rer Par­tei­an­ge­hö­ri­ger wur­de immer wie­der auf den dor­ti­gen „Rechts­ruck“ ver­wie­sen.

Dafür spricht einer­seits, dass sie in allen bedeut­sa­men Par­la­men­ten sitzt, und ande­rer­seits, dass die Regie­rungs­po­li­ti­ken mit­un­ter so etwas för­dern. Es gilt aber auch den Ein­druck zu kor­ri­gie­ren, es han­de­le sich ledig­lich um eine Pro­test­wahl. Der Blick auf die Ergeb­nis­se der empi­ri­schen Sozi­al­for­schung ver­deut­licht, dass in der Bevöl­ke­rung nach wie vor ein bedeut­sa­mes rechts­extre­mis­ti­sches Ein­stel­lungs­po­ten­ti­al besteht. Statt dafür all­ge­mei­ne Daten zu prä­sen­tie­ren, sei­en hier kon­kre­te Zustim­mungs­wer­te genannt. Auch 2021 mein­ten (Sum­me von „stim­me über­wie­gend zu“ und „stim­me voll und ganz zu“, in Klam­mern „teils/teils“, also kei­ne dezi­dier­te Ableh­nung): „Was Deutsch­land jetzt braucht ist eine ein­zi­ge star­ke Par­tei, die die Volks­ge­mein­schaft ins­ge­samt ver­kör­pert“: 18,4 Pro­zent (16,4 Pro­zent) , „Wir soll­ten einen Füh­rer haben, der Deutsch­land zum Woh­le aller mit star­ker Hand regiert“: 7,4 Pro­zent (8,2 Pro­zent) oder „Eigent­lich sind die Deut­schen ande­ren Völ­kern von Natur aus über­le­gen“: 4,3 Pro­zent (12, 3 Pro­zent). Die AfD wird von die­sem Poten­ti­al bevor­zugt gewählt.

Weiterführende Literatur

  • Bau­er, Katja/Fiedler, Maria: Die Metho­de AfD. Der Kampf der Rech­ten: im Par­la­ment, auf der Stra­ße und gegen sich selbst, Stutt­gart 2021.
  • Kras­ke, Micha­el: Tat­wor­te. Denn AfD & Co mei­nen, was sie sagen, Ber­lin 2021.
  • Pfahl-Traugh­ber, Armin: Die AfD und der Rechts­extre­mis­mus. Eine Ana­ly­se aus poli­tik­wis­sen­schaft­li­cher Sicht, Wies­ba­den 2019.
  • Zick, Andreas/Küpper, Bea­te (Hrsg.): Die gefor­der­te Mit­te. Rechts­extre­me und demo­kra­tie­ge­fähr­den­de Ein­stel­lun­gen in Deutsch­land 2020/21, Bonn 2021.
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