Auf dem Bundesparteitag der SPD am letzten Juni-Wochenende 2025 in Berlin wird ein Antrag der besonderen Art vorliegen. Es geht um den möglichen Einstieg in eine „weltliche Lebensbegleitung (Seelsorge) für konfessionsfreie Soldat*innen als Ergänzung zur christlichen und jüdischen Militärseelsorge in der Bundeswehr“. Die Mitglieder der Fraktion im Bundestag sowie die SPD-Mitglieder in der neuen Bundesregierung werden aufgefordert, sich entsprechend dafür einzusetzen. Eingebracht wurde der Antrag vom „Arbeitskreis Säkularität und Humanismus in der SPD“, der im Jahr 2022 nach langem Widerstand gegründet werden konnte. Entscheidende Unterstützer für die Gründung waren der damalige Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, die Europapolitikerin Katarina Barley sowie der damalige konfessionsfreie Bundeskanzler Olaf Scholz. Die beiden Sprecherinnen des Arbeitskreises, die Münchner Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge und die ehemalige Berliner Staatssekretärin Sabine Smentek werden den Antrag offiziell einbringen und begründen.
Hintergrund ist die Tatsache, dass mittlerweile etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung keiner Kirche mehr angehört. Und die Zahl der konfessionsfreien jungen Soldat*innen dürfte noch höher liegen, zumal überdurchschnittlich viele aus den östlichen Bundesländern kommen und dort eher die humanistischen Jugendfeiern und ‑weihen kennen dürften als christliche Konfirmationen oder Kommunionen. „Die zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft stellt den Staat und die Gesellschaft vor neue Herausforderungen“ – wird im Antrag entsprechend gefolgert. „Die Frage der Repräsentation und Teilhabe konfessionsfreier Menschen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, wie etwa im öffentlichen Leben oder in staatlichen Institutionen wie der Bundeswehr“, sei dabei von „zentraler Bedeutung“. Dabei soll sich eine weltliche Soldatenberatung ausdrücklich nicht gegen die bestehenden religiösen Angebote richten. „Bewährte Formen der religiösen Seelsorge sollen nicht in Frage gestellt, sondern der Dialog zwischen den verschiedenen Weltanschauungen gefördert werden.“ Neben der dominierenden christlichen Militärseelsorge gibt es seit 2021 auch wieder eine jüdische Militärseelsorge. Ein seelsorgerisches Angebot für muslimische Soldat*innen soll noch in diesem Jahr eingeführt werden. Im Gegensatz zur christlichen und jüdischen Militärseelsorge, die durch Staatsverträge geregelt sind, sollen muslimische Geistliche zunächst über Einzelverträge in die Bundeswehr eingebunden werden. Die Umsetzung gestaltet sich komplexer, da es keine zentrale Institution gibt, die alle islamischen Glaubensrichtungen in Deutschland vertritt.
Für nicht-religiöse oder andersgläubige Menschen gibt es bislang keine vergleichbare weltanschauliche Betreuung. Die Einführung einer weltlichen Lebensbegleitung (Seelsorge), die auf die spezifischen Bedürfnisse konfessionsfreier Soldat*innen eingeht, sei in diesem Zusammenhang nur folgerichtig, wie es in der Begründung des Antrages heißt. Sie würde ähnliche Unterstützungsleistungen bieten wie die religiöse Militärseelsorge, sich jedoch auf Themen wie Moral, Sinnfindung und ethische Reflexion ohne religiöse Konzepte konzentrieren. „Sie würde dafür sorgen, dass sich auch konfessionsfreie Menschen vom Staat anerkannt und repräsentiert sehen und damit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung unserer Demokratie leisten.“ Für den Humanistischen Verband von besonderer Bedeutung ist der Verweis im Antrag auf die in 2023 neu gegründete erste Humanistische Hochschule in Berlin unter Leitung des bekannten Philosophen und Sozialdemokraten Prof. Dr. Nida-Rümelin. Diese biete sich an, „den Einstieg in eine entsprechende Ausbildung vorzubereiten“, heißt es im Antrag ausdrücklich.
Erfolgsmodelle aus anderen Ländern
Überzeugend für die Parteitagsdelegierten könnte der Verweis auf die Vorbilder in den NATO-Partnern Belgien, Norwegen und Niederlanden sein, wo eine weltlich-humanistische Militärseelsorge bereits erfolgreich umgesetzt wird. „In den Niederlanden etwa gibt es eine große Zahl solcher Militärseelsorger, die von den Soldatinnen und Soldaten gut angenommen werden. So sind etwa im Deutsch-Niederländischen Korps in Münster gemeinsam und partnerschaftlich Seelsorger*innen für Christen, Juden, Muslime und nichtreligiöse Soldat*innen aktiv“, heißt es in der Antragsbegründung abschließend.
Vor dem Hintergrund des starken Einflusses der Kirchen auch auf die derzeitige SPD-Führung sowie den bekannten Widerständen im eher christlich-konservativen Verteidigungsministerium dürfte die Debatte und die Abstimmung spannend werden. Aber immerhin war es der Verteidigungsminister Boris Pistorius, der zusammen mit drei anderen SPD-Ministern seinen Amtseid ohne die Gottes-Formel geleistet hat.