Suche
Einschränkung von Menschenrechten

Wie die katholische Kirche Frauenrechte in Kroatien einschränkt

| von
Der "Rote Widerstand" gegen den sogenannten "Marsch fürs Leben", 2019.
Der "Rote Widerstand" gegen den sogenannten "Marsch fürs Leben", 2019.

Beitragsbild: Nada Peratovic

In Kroatien werden die Grenzen zwischen dem kroatischen Staat und der katholischen Kirche immer weiter aufgelöst. Schritt für Schritt werden öffentliche Einrichtungen, das Bildungs-, Wissenschafts- und Gesundheitssystem instrumentalisiert und Menschenrechte und humanistischen Prinzipien beschnitten und beseitigt. Vor allem die Rechte von Frauen sind in Gefahr.

„Heu­te sind Frau­en unge­hor­sam und stre­ben nach Gleich­be­rech­ti­gung! Sie sind die Zwei­ten, wäh­rend Män­ner die Ers­ten sind.“ „Frau­en, pro­biert kei­ne Män­ner vor der Ehe aus, sonst wer­det ihr Schlam­pen!“

So und ähn­lich wer­den Frau­en in Kroa­ti­en vom katho­li­schen Kle­rus zurecht­ge­wie­sen. Für das Wort „Schlam­pe“ hat sich der betref­fen­de Erz­bi­schof im Nach­hin­ein ent­schul­digt. Er habe von der Wür­de der Frau gespro­chen und wie wich­tig es doch sei, die­se zu schüt­zen. Dann sei ihm halt, bei der Pre­digt, das Wort „Schlam­pe“ her­aus­ge­rutscht.

Die Frau­en in Kroa­ti­en kön­nen über sol­che „Aus­rut­scher“ nicht (mehr) lachen.

Die katho­li­sche Kir­che selbst ist eine ultra­pa­tri­ar­cha­le, hier­ar­chisch auf­ge­bau­te Orga­ni­sa­ti­on, in wel­cher alle wich­ti­gen Ent­schei­dun­gen an obers­ter Stel­le von Män­nern getrof­fen wer­den. In die­ser Orga­ni­sa­ti­on haben Frau­en kei­ne Rech­te. Auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne behin­dert der Vati­kan zusam­men mit isla­mi­schen Staa­ten die meis­ten Aktio­nen zur Stär­kung der Frau­en­rech­te und recht­fer­tigt dies immer wie­der mit reli­giö­sen Frei­hei­ten. Ist es nicht zynisch, dass die Orga­ni­sa­ti­on, in wel­cher Frau­en kei­ne Rech­te besit­zen, sich den­noch beru­fen fühlt, über die Rech­te von Frau­en (bzw. die Ein­schrän­kung die­ser Rech­te), ins­be­son­de­re über ihre kör­per­li­che und sexu­el­le Auto­no­mie, zu bestim­men?

Die Auf­lö­sung der Gren­zen zwi­schen dem kroa­ti­schen Staat und der katho­li­schen Kir­che bzw. ihr gemein­sa­mes Han­deln führt zur schritt­wei­sen Besei­ti­gung all jener Men­schen­rech­te und huma­nis­ti­schen Prin­zi­pi­en, wel­che die katho­li­sche Kir­che ohne­hin nicht aner­kennt.

Wäh­rend die katho­li­sche Kir­che ihre Auto­no­mie bei­be­hält und auf Grund­la­ge beson­de­rer Regeln, die häu­fig gegen die Geset­ze und die Ver­fas­sung der Repu­blik Kroa­ti­en ver­sto­ßen, als „Staat im Staat“ han­delt, gibt es kaum eine öffent­li­che Ein­rich­tung in Kroa­ti­en, die von kirch­li­chen Ein­grif­fen und Kon­trol­len ver­schont geblie­ben ist.

Das gesam­te Bil­dungs­sys­tem von öffent­li­chen Kin­der­gär­ten bis zu öffent­li­chen Uni­ver­si­tä­ten wird zur För­de­rung des Katho­li­zis­mus als offi­zi­el­ler staat­li­cher Ideo­lo­gie genutzt. Reli­gi­ons­leh­rer wer­den von der Kir­che beru­fen, vom Staat, mit­hil­fe unse­rer Steu­ern, ent­lohnt. Die Auto­no­mie der Uni­ver­si­tät wird prak­tisch außer Kraft gesetzt, da die Fakul­tä­ten der katho­li­schen Hoch­schu­len als außen­po­li­ti­sche Ein­heit in Form von öffent­li­chen Uni­ver­si­tä­ten direkt der Kir­che und dem Hei­li­gen Stuhl unter­ge­ord­net sind. Kroa­ti­sche Sol­da­ten sind gezwun­gen, von Amts wegen auf Kos­ten unse­rer Steu­ern zur Pil­ger­fahrt zu gehen. Öffent­li­che Medi­en haben sich in ein Instru­ment der katho­li­schen Pro­pa­gan­da ver­wan­delt.

„Besorgte Eltern“ gegen Verhütung und gleichgeschlechtliche Ehe

Seit Län­ge­rem bedient sich die katho­li­sche Kir­che außer­dem der Hil­fe ver­schie­de­ner katho­li­scher Lai­en­ver­ei­ni­gun­gen, die ihre kon­ser­va­tiv fun­da­men­ta­lis­ti­sche Agen­da wei­ter­trei­ben. So bean­stan­de­ten im Jah­re 2012 eini­ge Ver­ei­ni­gun­gen als „besorg­te Eltern“ den Lehr­plan des neu­ge­stal­te­ten inter­dis­zi­pli­nä­ren Faches Gesund­heits­kun­de für Grund- und Mit­tel­schu­len, wel­cher ihren Kin­dern Ver­hü­tungs­mit­tel sowie Homo­se­xua­li­tät als etwas „Nor­ma­les“ näher­brin­gen soll­te. Dies wider­spre­che ihrer Reli­gi­ons­frei­heit, der Frei­heit, ihre Kin­der in ihrem Glau­ben zu erzie­hen. Sie for­der­ten, dass man ihre Rech­te als Eltern aner­ken­ne und ver­lang­ten, dass das Fach nur fakul­ta­tiv ange­bo­ten wer­de.

In der Fol­ge setz­te das kroa­ti­sche Ver­fas­sungs­ge­richt das Fach Gesund­heits­kun­de wegen „pro­zes­sua­len Män­geln“ bei des­sen Ein­füh­rung außer Kraft. Ein neu­es Kur­ri­ku­lum wur­de aus­ge­ar­bei­tet, wel­ches kei­ne grö­ße­ren Ver­än­de­run­gen bot, die katho­li­schen Akti­vis­ten den­noch ein wenig besänf­tig­te. Der­zeit wird eine neue Ver­si­on der Gesund­heits­kun­de für das Jahr 2019/2020 vor­be­rei­tet, in wel­cher alle umstrit­te­nen Inhal­te der alten Ver­si­on aus­ge­las­sen wer­den. Sexua­li­tät dient dem­nach nun nur der Repro­duk­ti­on.

Im Reli­gi­ons­un­ter­richt, wel­cher seit der kroa­ti­schen Unab­hän­gig­keit Anfang der neun­zi­ger Jah­re durch die Ver­trä­ge mit dem Hei­li­gen Stuhl wie­der zurück in die Schu­len fand, lehrt man die Kin­der, Homo­se­xua­li­tät sei eine Sün­de. Mas­tur­ba­ti­on sowie­so. Athe­is­ten wer­den als Ego­is­ten umschrie­ben, die, gemäß einem Zitat von Johan­nes Paul II, nicht in der Lage wären, ohne Gott gute Men­schen zu erzie­hen. Ohne Gott erzie­he man Men­schen, die für Ausch­witz ver­ant­wort­lich sind. – So steht es noch immer in den kroa­ti­schen Reli­gi­ons­bü­chern für die ach­te Klas­se.

2012 ver­lang­ten wie­der­um (mehr oder weni­ger die glei­chen) Lai­en­ver­ei­ni­gun­gen, dass ein Arti­kel in die kroa­ti­sche Ver­fas­sung auf­ge­nom­men wer­den soll, der die Ehe als eine Part­ner­schaft zwi­schen Mann und Frau vor­schreibt. Sie schaff­ten es, an über 2.000 Stand­or­ten (über­wie­gend vor Kir­chen) und mit einer gro­ßen Schar von Frei­wil­li­gen, in zwei Wochen über 450.000 Unter­schrif­ten zu sam­meln. Damit kam ein Refe­ren­dum zur Ver­fas­sungs­än­de­rung zustan­de; bei einer sehr nied­ri­gen Wahl­be­tei­li­gung wur­de das Begeh­ren mit über 60 Pro­zent der Stim­men ange­nom­men. Nur eine hete­ro­se­xu­el­le Part­ner­schaft darf sich als Ehe bezeich­nen.

Auch das öffent­li­che Gesund­heits­we­sen blieb von der Beset­zung der Kir­che nicht ver­schont: Die katho­li­sche Fakul­tät orga­ni­sier­te zusam­men mit den öffent­li­chen Wis­sen­schafts- und Gesund­heits­ein­rich­tun­gen unter der Schirm­herr­schaft der Prä­si­den­tin, der Kar­di­nä­le und der Bischö­fe einen gynä­ko­lo­gi­schen Kon­gress und gab ein Lehr­buch über Gynä­ko­lo­gie her­aus, das dar­auf abziel­te, den Beruf der Gynä­ko­lo­gie den obses­si­ven Ambi­tio­nen der kirch­li­chen Hier­ar­chie zu unter­wer­fen.

Seit 2014 ver­sam­meln sich enthu­si­as­ti­sche Katho­li­ken wäh­rend der Fas­ten­zeit vor Spi­tä­lern, um zu beten. Sie beten gegen Schwan­ger­schafts­ab­brü­che und für unge­bo­re­ne Kin­der.

Immer mehr Ärz­te ver­wei­gern gesetz­lich gere­gel­te Abtrei­bun­gen aus Gewis­sens­grün­den. „Das Leben“, wel­ches mit der Emp­fäng­nis beginnt, besit­ze ein Recht, gebo­ren zu wer­den. Abtrei­bung sei Mord. Gan­ze Beleg­schaf­ten gaben zu Pro­to­koll, dass in ihrem Spi­tal kei­ne Schwan­ger­schafts­ab­brü­che mehr durch­ge­führt wer­den. Auch eini­ge Kran­ken­schwes­tern ver­wei­gern die Mit­wir­kung an Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen und wer­den unter Kon­ser­va­ti­ven als Natio­nal­hel­din­nen gefei­ert. Apo­the­ke­rin­nen ver­wei­gern es, Frau­en die Pil­le aus­zu­hän­di­gen.

In die­sem Jahr wur­de einer Frau die Abtrei­bung ohne Anäs­the­sie durch­ge­führt. Der Anäs­the­sio­lo­ge berief sich auf sein Gewis­sen. Im ver­gan­ge­nen Jahr haben sich (die schon genann­ten) Lai­en­ver­ei­ni­gun­gen gegen die Rati­fi­zie­rung der Istan­bul-Kon­ven­ti­on aus­ge­spro­chen.

Die Gegenbewegung kommt auch von Gläubigen

Bei einer gewis­sen Zahl von Gläu­bi­gen stößt die­ser Kon­ser­va­tis­mus immer mehr auf Unver­ständ­nis und Ableh­nung. Vie­le gläu­bi­ge Frau­en, die sich bis jetzt mit dem poli­ti­schen Wir­ken ihrer Kir­che nicht aus­ein­an­der­ge­setzt und unse­re Sor­ge um die Wah­rung des säku­la­ren Cha­rak­ters des Staa­tes nicht ernst­ge­nom­men haben, sehen sich nun gezwun­gen, ihre eige­ne Bezie­hung zur Kir­che zu über­den­ken. Vie­le distan­zie­ren sich von der katho­li­schen Kir­che und betei­li­gen sich aktiv beim Wider­stand gegen die reli­giö­se Frau­en­feind­lich­keit und Homo­pho­bie. Die­se gläu­bi­gen Frau­en sehen wir als unse­re säku­la­ren Ver­bün­de­ten.

2016 orga­ni­sier­ten die katho­li­schen Lai­en­ver­ei­ni­gun­gen den ers­ten „Marsch fürs Leben“, der die­ses Jahr zum vier­ten Mal durch­ge­führt wur­de. Para­do­xer­wei­se mar­schie­ren in die­sem Marsch fürs (unge­bo­re­ne) Leben auch ver­ur­teil­te Kriegs­ver­bre­cher und Volks­ver­het­zer mit; jene sind auch sonst gern gese­he­ne Gäs­te in kle­ri­ka­len Krei­sen. Denn dem his­to­ri­schen Revi­sio­nis­mus hat sich die katho­li­sche Kir­che in Kroa­ti­en schon lan­ge ver­schrie­ben. So ver­sucht sie die Gräu­el­ta­ten des faschis­ti­schen Usta­scha-Regimes im Zwei­ten Welt­krieg zu rela­ti­vie­ren, von ihrem eige­nen mora­li­schen Ver­sa­gen abzu­len­ken und den aktu­el­len, auch von ihr unter­stütz­ten Natio­nal­kon­ser­va­ti­vis­mus zu recht­fer­ti­gen.

Die Repa­tri­ar­cha­li­sie­rung der kroa­ti­schen Gesell­schaft fing schon Anfang der neun­zi­ger Jah­re an. Mit dem immer lau­ter wer­den­den Auf­ruf, den Frau­en – im Namen der Zygo­te, des Embry­os und des Fötus – das ele­men­tars­te Recht auf ihre kör­per­li­che Auto­no­mie zu beschnei­den, strebt Kroa­ti­en einem schreck­li­chen Höhe­punkt zu.

In der Geschich­te des Kamp­fes für die Eman­zi­pa­ti­on und die Men­schen- und Bür­ger­rech­te der Frau­en war(en) die Kirche(n) regel­mä­ßig eine der hef­tigs­ten und stärks­ten Geg­ne­rin­nen sol­cher Bestre­bun­gen. Vie­le Frau­en star­ben, weil man reli­giö­se Dog­men ihren Leben vor­zog. Frau­en­rech­te wur­den Frau­en nie geschenkt. Wir muss­ten sie immer hart erkämp­fen. Dies wis­sen auch kroa­ti­schen Femi­nis­tin­nen, Huma­nis­tin­nen und Athe­is­tin­nen, die sich jedes Jahr, in immer grö­ße­rer Zahl, vor die Men­schen­men­ge stel­len und, bevor sie dann ver­haf­tet wer­den, mit ihren eige­nen Frau­en­kör­pern den reli­giö­sen, frau­en­ver­ach­ten­den Men­schen­zug – wenigs­tens für kur­ze Zeit – zum Hal­ten brin­gen.

Die kroatische Aktivistin Nada Peratovic beim Zagreb Pride, 2015.Bild: Zen­trum für Zivil­cou­ra­ge

Dies ist der ers­te von zwei Arti­keln von Nada Pera­to­vic zum The­ma. Im zwei­ten Teil, erschie­nen in der dies­seits-Aus­ga­be 126, geht es um den Kampf kroa­ti­scher Frauenrechtler*innen gegen die Ein­schrän­kung von Frau­en- und Men­schen­rech­ten in ihrem Land. Hier lesen.

Inhalt teilen

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Beiträge

Nach oben scrollen