Das Bundesverwaltungsgericht argumentiert, die Vorschrift im Betäubungsmittelgesetz sei nicht anders zu interpretieren, als dass Medikamente nur zur Heilung oder Linderung von Krankheiten oder entsprechenden Beschwerden ohne Verschreibung abgegeben werden dürfen. Die Kläger beriefen sich dagegen auf ihr vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 2020 zugesichertes Persönlichkeitsrecht, das ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben einschließt. Sie legten dar, dabei weder auf eine ärztliche Verschreibung noch auf eine Sterbehilfeorganisation angewiesen sein zu wollen.
„Wir bedauern, dass es für die Kläger eine bittere Enttäuschung ist, sich nunmehr vergeblich jahrelang durch die beiden Vorinstanzen gekämpft zu haben“, kommentiert Gita Neumann, Beauftragte des Humanistischen Verbandes Deutschlands für Medizinethik und Patientenautonomie, den Fall. „Wir wissen auch, dass diese Entscheidung für viele Menschen als staatliche Entmündigung angesehen wird, zumal nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts unerfüllbare Hoffnungen geschürt worden sind, nun ohne gesetzliche Regularien auskommen zu können“.
Moderater Grundrechtseingriff soll hinnehmbar sein
Mit Bezug auf das BVerfG-Urteil ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ein zumutbarer Eingriff auf ein Grundrecht der Kläger hinzunehmen. So bestünden seit 2020 für Sterbewillige realistische Möglichkeiten und Wege, über eine Ärztin oder einen Arzt Zugang zu (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln zu erhalten, mit denen eine Selbsttötung durchgeführt werden könne. Auch geschäftsmäßige Angebote der Suizidhilfe seien wieder verfügbar. Das Leipziger Gericht räumt dabei ein, zwar müssten Sterbewillige unter anderem erst „eine ärztliche Person finden, die bereit sei, die notwendige pharmakologische und medizinische Unterstützung zu leisten“. Dennoch würden Menschen nicht in ihrem Recht auf einen selbstbestimmten Tod verletzt, wenn der Staat ihnen den Zugang zu einem bestimmten tödlichen Medikament und die Verwahrung für eine mögliche spätere Selbsttötung zu Hause verwehre – die Gefahren eines Missbrauchs von Natrium-Pentobarbital seien zu hoch. Schon in der Vorinstanz hatte das Oberlandesgericht in Münster dieselbe Entscheidung so begründet: Auch das „legitime öffentliche Interesse der Suizidprävention“ müsse Berücksichtigung finden und von der Politik erst ein konkreter Gesetzesrahmen zur ärztlichen Verschreibung dieses Betäubungsmittels geschaffen werden. In einem – vom Humanistischen Verband Deutschlands geforderten – Suizidhilfegesetz wäre auch eine Änderung des Betäubungsmittelrechts bei der Freigabe von Natrium-Pentobarbital einzuarbeiten. Die Bundestagsabgeordnete Katrin Helling-Plahr, welche einen liberalen Gesetzentwurf initiiert hatte, kommentiert: „Das heutige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zeigt einmal mehr, dass wir als Parlament in der Pflicht sind. Die aktuelle Rechtslage darf uns nicht zufriedenstellen. Mit klaren Rahmenbedingungen, die das Recht auf selbstbestimmtes Sterben im Einklang mit dem gebotenen Schutz des Lebens achten, wäre den Betroffenen möglicherweise der lange, letztendlich erfolglose Rechtsweg erspart geblieben.”