Am 17. Januar 1944 haben die Nationalsozialisten Max Sievers ermordet. Er war der Vorsitzende des Deutschen Freidenker-Verbandes, unserer Vorgängerorganisation, die um 1930 mehr als 600.000 Mitglieder hatte. Max Sievers kämpfte nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten – zumeist aus dem Exil – gegen deren Gewaltherrschaft und warb für den Sturz des Regimes. Er wurde im Juni 1943 durch die Gestapo verhaftet, im November vom Volksgerichtshof unter dem Vorsitz von Roland Freisler wegen „Vorbereitung zum Hochverrat mit Feindbegünstigung“ zum Tod verurteilt und am 17. Januar 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden durch das Fallbeil hingerichtet.
Aus heutiger Perspektive hat Sievers etwas Unvorstellbares für unseren Verband, für die Menschen und für sein Land getan. Obwohl er schon einmal inhaftiert war, obwohl er ausgebürgert wurde und seine Heimat verlor, obwohl er wusste, wie brutal die Sanktionsmaschinerie des NS-Regimes war, kämpfte er weiter bis zu seiner Verhaftung.
Natürlich braucht es als Vorsitzende*r oder Vorstand unseres Humanistischen Verbands einen hohen Grad an Überzeugung und Pflichtgefühl. Es braucht die Einsicht, dass dieses Amt manchmal auch größer und wichtiger ist als die persönlichen Interessen. Doch ich kann mir nicht annähernd ausmalen, wie es ist, wenn man alles aufs Spiel setzt – sogar das eigene Leben.
Vor diesem Hintergrund mache ich mir Sorgen, wenn ich die Wahlprognosen in einigen Bundesländern sehe und dabei an unseren Verband denke. Wir sind glücklicherweise noch nicht an dem Punkt, an dem Menschen Angst um ihr Leben haben müssen. So weit darf es niemals kommen. Dafür müssen wir uns mit aller Kraft einsetzen.
Der Blick zurück auf den Nationalsozialismus oder der aktuelle Blick in einige Nachbarländer führen uns eindrücklich die Perspektive vor Augen. Wenn die Rechtsnationalen an die Macht kommen, dann setzten sie immer zwei Dinge ganz schnell um: erstens den Abbau der Rechtsstaatlichkeit durch das Einsetzen gefälliger Richter*innen verbunden mit der Einschränkung der Kontrollrechte der Justiz. Zweitens wird eine regierungsorientierte Deutungshoheit hergestellt. Damit einher geht immer, die Kritiker*innen massiv zu schwächen.
Der Humanistische Verband vertritt ein Menschenbild, welches nur in einer Demokratie existieren kann. Humanismus und Demokratie sind untrennbar verknüpft. Wenn die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland durch eine rechte Partei angegriffen wird, dann ist das ein Angriff auf unser demokratisches Fundament. Das werden wir aufs Schärfste kritisieren – laut und unnachgiebig. Dafür wird man uns denunzieren, bekämpfen und zu schwächen versuchen.
Um es klar zu sagen: Wenn die AfD in Deutschland an die Macht kommt, endet die Demokratie, wie wir sie kennen. Dann endet auch die Erfolgsgeschichte unseres Verbandes und noch viel schlimmer: Unserer humanistischen Überzeugung wird die Grundlage entzogen.
Deswegen begrüßen wir die Proteste gegen die aufgedeckten rechtsextremen Umtriebe der AfD. Natürlich sind wir auch Teil der Brandmauer. Und wir sagen ganz klar: Wer die AfD wählt, schadet dem Humanismus und somit unserem Verband.
Wenn ich an die Hinrichtung von Max Sievers denke, fühle ich eine Verantwortung. Er hat sein Leben für seine Überzeugung und den Verband geopfert. Verglichen damit braucht es nur sehr wenig Mut und Kraft, sich heute für unsere Demokratie einzusetzen. Ich bitte Sie von ganzem Herzen: Reden Sie mit Ihren Freund*innen, Ihrer Familie und nutzen Sie auch jede andere Situation, um ein Erstarken der Demokratiefeinde zu verhindern. Gehen Sie zu Demonstrationen, äußern Sie sich öffentlich und hören Sie nicht auf, sich zur Demokratie zu bekennen. Es gibt keine bessere Staatsform. Die Demokratie schützt die Freiheit und die Würde jedes und jeder Einzelnen. Jetzt ist der Zeitpunkt, sie zu verteidigen.
Der Beitrag erschien zuerst im Magazin der Freund*innen des HUMANISMUS 14 | Frühjahr 2024. Wir danken dem HVD Berlin-Brandenburg für die freundliche Genehmigung zur Zweitveröffentlichung.
1 Kommentar zu „„Kämpfen Sie für Demokratie – Geschichte darf sich nicht wiederholen”“
Die Ausführungen zu dem möglichen Verhalten der AfD sind rein hypothetisch, denn sie hat in keinem Parlament die Mehrheit und ist auch in keiner Regierung vertreten. Sollte dies eines Tages der Fall sein und sie dann das befürchtete Verhalten zeigen, ist die Zeit gekommen, gegen diese Partei aufzutreten. Bis dahin ist sie aber eine von einem Großteil des Volkes gewählte Oppositionspartei. Diese sollte in einer Demokratie ihre Thesen äußern dürfen, auch wenn sie der eigenen Meinung zuwider laufen; nur das ist eine echte Demokratie! Das Verhalten von Regierungsparteien wie den Grünen, die unsere Meinung und Verhalten durch Benutzung ihrer Macht zu verändern suchen, sollte an dieser Stelle darum eher kritisiert werden. Einst traten sie an, um den Willen des Volkes gegen die damals herrschenden Regierungen zu vertreten. Heute sind sie es selbst, die den Willen der Mehrheit des Volkes missachten. Auch eine Innenministerin wie Frau Faeser ist kein Vorbild für demokratisches Verhalten. Echte Humanisten und Demokraten treten dafür ein, dass diejenigen, die die Macht haben, sie nicht benutzen, um die Freiheit der Andersdenkenden zu beschneiden.