Die Humanistische Akademie Deutschland lud im September 2020 Expert*innen aus Bildungswissenschaft und ‑praxis zu einer digitalen Tagung ein, die sich unter dem Titel Schule, Bildung, Werte mit verschiedenen Facetten der Wertebildung auseinandersetzten. Im Zentrum der Diskussion standen Fragen nach einer angemessenen Verhandlung von Werten jenseits religiöser Prägungen und nach dem Beitrag wertebildender nichtreligiöser Fächer wie Werte und Normen, Praktische Philosophie und Humanistische Lebenskunde.
Während im zweiten Teil der von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderten Tagung die praktische Umsetzung von Unterrichtskonzepten im Fokus stand, wurden zunächst unterschiedliche Positionen aus der Bildungsforschung vorgestellt und mit dem Publikum diskutiert. So plädierte die Erziehungswissenschaftlerin Jutta Standop dafür, Wertebildung an Schulen als eine Querschnittsaufgabe wahrzunehmen, die nicht nur Sache des Religions- oder Ethikunterrichts, sondern grundsätzlich aller Fächer sei und vor allem eine auf aktuellen Erkenntnissen der Sozial- und Bildungswissenschaften Bezug nehmende Methodik erfordere. Als komplexe Aufgabe müsse sich die Wertebildung sowohl in der Schul- als auch in der Unterrichtskultur widerspiegeln. Der Philosoph und Theologe Michael Bongardt appellierte an die Notwendigkeit einer ethisch-religiösen Sprachfähigkeit; diese sei – so Philipp Thomas von der Pädagogischen Hochschule Weingarten – bewusst weit zu fassen und beinhalte vor dem Hintergrund eines vorauszusetzenden moral sense auch eine explizite „Kultivierung der Liebesfähigkeit“. Dass Wertebildung eine Form der Herzensbildung sei, die sowohl kognitive als auch emotionale Anteile einschließt – darüber herrschte auf der Tagung weitgehend Einigkeit, wenngleich über die Gewichtung und Ausgestaltung durchaus kontrovers diskutiert wurde.
Aufzeichnungen von Vorträgen der Tagung „Schule, Bildung, Werte“ finden Sie auf dem YouTube-Kanal der Humanistischen Akademie.
Nach der akademischen Perspektivierung des Themas kamen am Nachmittag Vertreter*innen aus der Praxis zu Wort. Ihre Vorträge warfen Schlaglichter auf wertebildende Fächer, die von humanistischen Verbänden in verschiedenen Bundesländern angeboten, mitverantwortet oder befürwortet werden. Vorgestellt wurden vier Fächer: Humanistische Lebenskunde in Berlin-Brandenburg, Werte und Normen in Niedersachsen, Praktische Philosophie in Nordrhein-Westfalen und Ethik in Baden-Württemberg. Deutlich wurde, dass in der praktischen Umsetzung dieser Fächer weniger eine „Vermittlung“ von Werten im Vordergrund steht als vielmehr der Anspruch, Schülerinnen und Schülern eine auf Werten basierende (Lebens-)Orientierung zu bieten; in der schulischen Auseinandersetzung mit Werten komme es auf die Befähigung von Kindern und Jugendlichen an, sich Werte wie Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und soziale Verantwortung selbstständig anzueignen.
Einhellig beklagt wurde, dass es bundesweit zu wenig ethisch-weltanschauliche Unterrichtsangebote für nichtreligiöse Schülerinnen und Schüler gebe. Dabei sollte es humanistischen Weltanschauungsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes (Artikel 7, Absatz 3) durchaus möglich sein, ihren Unterricht als ordentliches Lehrfach anzubieten. Kontrovers blieb es bei der Frage nach der Wirksamkeit eines staatlich organisierten weltanschaulich-neutralen Ethikunterrichts im Gegensatz zu einem Fach wie Humanistischer Lebenskunde. So sehr sich in diesem Punkt noch ein erkennbarer Forschungs- und Diskussionsbedarf abzeichnete, so deutlich wurde die gesellschaftspolitische Relevanz von Schule und Wertebildung im Rahmen der Veranstaltung Schule, Bildung, Werte.