Tagung der Humanistischen Akademie

Wertebildung in Schulen

| von
Humanistische Wertebildung in Schulen

Beitragsbild: Konstantin Börner

Beim Thema Wertebildung spielt die Schule eine zentrale Rolle: Welche Werte sollen überhaupt vermittelt werden und warum? Mit welchen gesellschaftlichen Erwartungen sieht sich Schule dabei konfrontiert und welche Fächer stehen hier besonders in der Verantwortung? Die Humanistische Akademie Deutschland hat im September 2020 zu diesem Thema eine Tagung veranstaltet. Ein Rückblick.

Die Huma­nis­ti­sche Aka­de­mie Deutsch­land lud im Sep­tem­ber 2020 Expert*innen aus Bil­dungs­wis­sen­schaft und ‑pra­xis zu einer digi­ta­len Tagung ein, die sich unter dem Titel Schu­le, Bil­dung, Wer­te mit ver­schie­de­nen Facet­ten der Wer­te­bil­dung aus­ein­an­der­setz­ten. Im Zen­trum der Dis­kus­si­on stan­den Fra­gen nach einer ange­mes­se­nen Ver­hand­lung von Wer­ten jen­seits reli­giö­ser Prä­gun­gen und nach dem Bei­trag wer­te­bil­den­der nicht­re­li­giö­ser Fächer wie Wer­te und Nor­men, Prak­ti­sche Phi­lo­so­phie und Huma­nis­ti­sche Lebens­kun­de.

Wäh­rend im zwei­ten Teil der von der Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung geför­der­ten Tagung die prak­ti­sche Umset­zung von Unter­richts­kon­zep­ten im Fokus stand, wur­den zunächst unter­schied­li­che Posi­tio­nen aus der Bil­dungs­for­schung vor­ge­stellt und mit dem Publi­kum dis­ku­tiert. So plä­dier­te die Erzie­hungs­wis­sen­schaft­le­rin Jut­ta Stan­dop dafür, Wer­te­bil­dung an Schu­len als eine Quer­schnitts­auf­ga­be wahr­zu­neh­men, die nicht nur Sache des Reli­gi­ons- oder Ethik­un­ter­richts, son­dern grund­sätz­lich aller Fächer sei und vor allem eine auf aktu­el­len Erkennt­nis­sen der Sozi­al- und Bil­dungs­wis­sen­schaf­ten Bezug neh­men­de Metho­dik erfor­de­re. Als kom­ple­xe Auf­ga­be müs­se sich die Wer­te­bil­dung sowohl in der Schul- als auch in der Unter­richts­kul­tur wider­spie­geln. Der Phi­lo­soph und Theo­lo­ge Micha­el Bon­gardt appel­lier­te an die Not­wen­dig­keit einer ethisch-reli­giö­sen Sprach­fä­hig­keit; die­se sei – so Phil­ipp Tho­mas von der Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­le Wein­gar­ten – bewusst weit zu fas­sen und beinhal­te vor dem Hin­ter­grund eines vor­aus­zu­set­zen­den moral sen­se auch eine expli­zi­te „Kul­ti­vie­rung der Lie­bes­fä­hig­keit“. Dass Wer­te­bil­dung eine Form der Her­zens­bil­dung sei, die sowohl kogni­ti­ve als auch emo­tio­na­le Antei­le ein­schließt – dar­über herrsch­te auf der Tagung weit­ge­hend Einig­keit, wenn­gleich über die Gewich­tung und Aus­ge­stal­tung durch­aus kon­tro­vers dis­ku­tiert wur­de.

Auf­zeich­nun­gen von Vor­trä­gen der Tagung „Schu­le, Bil­dung, Wer­te“ fin­den Sie auf dem You­Tube-Kanal der Huma­nis­ti­schen Aka­de­mie.

Nach der aka­de­mi­schen Per­spek­ti­vie­rung des The­mas kamen am Nach­mit­tag Vertreter*innen aus der Pra­xis zu Wort. Ihre Vor­trä­ge war­fen Schlag­lich­ter auf wer­te­bil­den­de Fächer, die von huma­nis­ti­schen Ver­bän­den in ver­schie­de­nen Bun­des­län­dern ange­bo­ten, mit­ver­ant­wor­tet oder befür­wor­tet wer­den. Vor­ge­stellt wur­den vier Fächer: Huma­nis­ti­sche Lebens­kun­de in Ber­lin-Bran­den­burg, Wer­te und Nor­men in Nie­der­sach­sen, Prak­ti­sche Phi­lo­so­phie in Nord­rhein-West­fa­len und Ethik in Baden-Würt­tem­berg. Deut­lich wur­de, dass in der prak­ti­schen Umset­zung die­ser Fächer weni­ger eine „Ver­mitt­lung“ von Wer­ten im Vor­der­grund steht als viel­mehr der Anspruch, Schü­le­rin­nen und Schü­lern eine auf Wer­ten basie­ren­de (Lebens-)Orientierung zu bie­ten; in der schu­li­schen Aus­ein­an­der­set­zung mit Wer­ten kom­me es auf die Befä­hi­gung von Kin­dern und Jugend­li­chen an, sich Wer­te wie Selbst­be­stim­mung, Gerech­tig­keit und sozia­le Ver­ant­wor­tung selbst­stän­dig anzu­eig­nen.

Ein­hel­lig beklagt wur­de, dass es bun­des­weit zu wenig ethisch-welt­an­schau­li­che Unter­richts­an­ge­bo­te für nicht­re­li­giö­se Schü­le­rin­nen und Schü­ler gebe. Dabei soll­te es huma­nis­ti­schen Welt­an­schau­ungs­ge­mein­schaf­ten im Sin­ne des Grund­ge­set­zes (Arti­kel 7, Absatz 3) durch­aus mög­lich sein, ihren Unter­richt als ordent­li­ches Lehr­fach anzu­bie­ten. Kon­tro­vers blieb es bei der Fra­ge nach der Wirk­sam­keit eines staat­lich orga­ni­sier­ten welt­an­schau­lich-neu­tra­len Ethik­un­ter­richts im Gegen­satz zu einem Fach wie Huma­nis­ti­scher Lebens­kun­de. So sehr sich in die­sem Punkt noch ein erkenn­ba­rer For­schungs- und Dis­kus­si­ons­be­darf abzeich­ne­te, so deut­lich wur­de die gesell­schafts­po­li­ti­sche Rele­vanz von Schu­le und Wer­te­bil­dung im Rah­men der Ver­an­stal­tung Schu­le, Bil­dung, Wer­te.

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